TV-Spitzengespräch Elefantenrunde wandert Richtung Ampel

Laschet oder Scholz – beide Kanzlerkandidaten wollen eine schnelle Regierungsbildung.
Es war ein legendärer Auftritt von Gerhard Schröder. 2005 war der SPD-Kanzler nach sieben Jahren abgewählt worden – mit hauchdünnem Rückstand auf die Union. Doch in der „Elefantenrunde“ der Spitzenkandidaten, die das Ergebnis am Wahlabend bewerteten, wollte er von einer Niederlage nichts wissen.
Eine Kanzlerschaft der Wahlsiegerin Angela Merkel verwies Schröder ins Reich der Illusion: „Wir müssen die Kirche doch mal im Dorf lassen.“ Er werde Gespräche zur Regierungsbildung führen – und die würden Erfolg haben. Damals hatte die Union 35,2 Prozent der Stimmen geholt, die SPD 34,2.
16 Jahre später zeichnet sich ein ähnlich knappes Rennen zwischen den Konservativen und den Sozialdemokraten ab, die SPD hat die Nase nur minimal vorn. Welche Aufschlüsse ergeben sich also aus der Elefantenrunde? Wer erklärt sich zum Wahlsieger? Und werden bereits Koalitionen ausgelotet? Ein Überblick:
SPD stellt klaren Anspruch auf das Kanzleramt
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz lässt keinen Zweifel daran, dass er seiner Partei eine Führungsrolle in einer künftigen Regierungskoalition beimisst. Es gehe darum, eine „gute, pragmatische Regierung auf den Weg“ zu bringen. Und das müsse möglichst schnell geschehen, betonte Scholz in der Runde der Spitzenkandidaten und Parteichefs in der gemeinsamen Sendung von ARD und ZDF am Sonntagabend. Er werde alles dafür tun, dass vor Weihnachten eine neue Koalition steht.
Die Gefahr, ein Bündnis aus drei Parteien könne instabil sein, sieht der SPD-Kanzlerkandidat nicht: Es gebe Nachbarländer, in denen solche Konstellationen längst Realität seien.

Der SPD-Spitzenkandidat will eine Koalition mit Grünen und FDP.
FDP, Grüne und SPD hätten bei der Wahl Zuwächse verzeichnet, während andere verloren hätten. Auch das sei eine Botschaft in Richtung Koalitionsbildung, sagte Scholz. Die Union hat ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren, während SPD und Grüne im Vergleich zu 2017 deutlich zulegen konnten.
Im Kampf gegen den Klimawandel hält Scholz „in erster Linie privatwirtschaftliche Investitionen“ für erforderlich. Sein Ziel sei es, Deutschland zu einem modernen, klimaneutralen Industrieland zu machen – ein klares Angebot in Richtung Grüne.
Union will sich mit der Verliererrolle nicht abfinden
CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hatte schon vor dem Parteivolk im Konrad-Adenauer-Haus betont, dass er alles daransetzen werde, eine Regierung unter Führung der Union zu bilden. Dies wiederholte er auch in der Elefantenrunde: Der Stimmenverlust sei „nicht schön“, aber nun gelte es, ein Bündnis zusammenzubringen, das Deutschland voranbringe und unterschiedliche Richtungen versöhne. „Dazu stehe ich bereit.“

Können Armin Laschet (CDU, r.) und CSU-Chef Markus Söder ein Jamaika-Bündnis schmieden?
Dies gelte auch, wenn die Union nach Auszählung aller Wählerstimmen tatsächlich nur auf dem zweiten Platz landen sollte. „Kanzler wird nur jemand, der auch eine Mehrheit im Deutschen Bundestag hat“, sagte Laschet mit Blick auf Scholz, der seinen Anspruch auf das Kanzleramt angemeldet hatte. Wichtig seien wirtschaftliche Stärke und Stabilität und marktwirtschaftliche Lösungen, betonte der CDU-Kanzlerkandidat – und ließ damit eindeutig Sympathien für ein Bündnis mit der FDP erkennen.
Auch mit Laschet solle es eine neue Regierung schon vor Weihnachten geben. Das sei schon deshalb erforderlich, weil Deutschland im kommenden Jahr die Präsidentschaft der sieben wichtigsten Industrienationen (G7) übernehme: Man könne es sich nicht leisten, wie 2017 erst wochenlang zu sondieren und dann in Koalitionsverhandlungen einzutreten.
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CSU-Chef Markus Söder hatte allerdings vor der Wahl gesagt, dass die Union als Zweitplatzierter lieber in die Opposition gehen als in eine Regierung eintreten solle. Das wollte er so klar am Wahlabend aber nicht stehen lassen. Das Modell Rot-Rot-Grün habe von den Wählern eine Klatsche bekommen, und das sei auch ein Misstrauensvotum gegen einen Kanzler Scholz.
Es komme darauf an, ob man eine gemeinsame Philosophie und ein Verständnis dafür entwickele, was in diesem Land notwendig sei. Wenn er da an die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck und FDP-Chef Christian Lindner denke, dann könne man da durchaus gemeinsam etwas voranbringen.
Eine Neuauflage der Großen Koalition, die rechnerisch möglich wäre, schlossen Laschet wie Söder aus. Nach 16 Jahren Merkel-Regierung gebe es den Wunsch der Bürger nach Veränderung: „Die muss man kraftvoll angehen“, betonte der CSU-Chef, und da müsse auch eine Zukunftsvision dahinterstehen. Und die sei bei der Union stärker ausgeprägt als bei der SPD.
Die GroKo und ihr Arbeitsstil seien nicht zukunftsträchtig, betonte auch Laschet: „Wir brauchen hier einen echten Neuanfang.“ Fragen nach personellen Konsequenzen aus dem historisch schlechtesten Wahlergebnis der CDU/CSU wichen beide Unionspolitiker aus: Man habe einen „tollen Schlussspurt“ hingelegt, und Verantwortung trage man immer gemeinsam, sagte Söder. Auf die Frage, ob die Union mit ihm als Kanzlerkandidaten besser abgeschnitten hätte, erklärte er: „Das ist wirklich Schnee von gestern.“ Laschet betonte, er wolle Parteivorsitzender bleiben und als solcher auch in Sondierungen gehen.
Die Grünen wollen bei Zukunftsthemen mitgestalten
Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock machte deutlich, worauf es ihr im Fall einer Regierungsbeteiligung der Grünen ankommt: „Die nächste Bundesregierung muss eine Klimaregierung werden“, betonte Baerbock. Die Erneuerung des Landes sei „das oberste Gebot“. Es gehe darum, „Deutschland klimaneutral zu gestalten“. Das sei das wichtigste Thema der nächsten Legislaturperiode, die Leitplanken müssten jetzt gesetzt werden.
Die Grünen-Spitzenkandidatin betonte, dass sie gemeinsam mit ihrem Co-Vorsitzenden Habeck Gespräche über eine Koalitionsbildung anführen will: „Wir gehen als Team in die Sondierung“, sagte sie. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes stellte Baerbock auch in der TV-Runde infrage: „Wenn man die großen Zukunftsthemen unseres Landes anpacken will, muss man die Schuldenbremse um eine Investitionsregel erweitern“, sagte Baerbock. Massive Investitionen beispielsweise in die digitale Infrastruktur oder in Bildung gehören zu den zentralen Punkten des Grünen-Wahlprogramms.
Die FDP will zunächst Schnittmengen mit den Grünen ausloten
„Die FDP war und ist bereit, Verantwortung zu übernehmen“, sagte Parteichef Christian Lindner. Die Liberalen regierten in den Ländern in unterschiedlichsten Konstellationen sehr erfolgreich, in Rheinland-Pfalz beispielsweise in einer Ampel. Daraus könne man aber nicht schließen, dass das nun die Wunschkoalition der FDP sei.
Lindner machte keinen Hehl daraus, dass er weiter auf ein Bündnis mit der Union hofft. Mit Armin Laschet sei es 2017 in Nordrhein-Westfalen möglich gewesen, innerhalb von vier Wochen eine Regierung zu bilden. Im Bund sei es dagegen innerhalb von vier Wochen noch nicht einmal zu Koalitionsverhandlungen zwischen Union, FDP und Grünen gekommen.
Lindner schlug vor, dass Grüne und FDP, wo es in der Vergangenheit die größten Polarisierungen und Reibereien gegeben habe, zuerst das Gespräch untereinander suchen sollten. Dies sei vielleicht auch deshalb sinnvoll, weil ungefähr 75 Prozent der Wahlberechtigten die Partei des künftigen Kanzlers nicht gewählt hätten. Handlungsleistend müsse aber immer der Gedanke sein, dass der Wohlstand erst erwirtschaftet werden müsse, bevor er verteilt werden könne. Ein Aufweichen der Schuldenbremse oder Steuererhöhungen lehnen die Liberalen ab.
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