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Umgehung der Schuldenbremse SPD-Linke will Ampel-Vorhaben mit öffentlicher Investitionsgesellschaft finanzieren

Die Ampel-Parteien haben sich auf viele Ausgaben festgelegt, die Finanzierungsfrage aber offengelassen. Die SPD-Linke prescht jetzt mit einem Vorschlag vor.
16.10.2021 Update: 16.10.2021 - 18:06 Uhr Kommentieren
Die drei Ampel-Parteien haben sich auf zehn Punkte geeinigt, doch die Finanzierung ist bislang ungeklärt. Quelle: AP
Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Christian Lindner

Die drei Ampel-Parteien haben sich auf zehn Punkte geeinigt, doch die Finanzierung ist bislang ungeklärt.

(Foto: AP)

Berlin Mit Blick auf eine mögliche Ampel-Koalition kommt aus der SPD-Linken jetzt ein Vorstoß zur Finanzierung der angestrebten Vorhaben. „Die Ampel sollte sich auf die Einrichtung einer öffentlichen Investitionsgesellschaft verständigen, welche diese Investitionen schuldenbremsenkonform durchführen könnte“, sagte Dierk Hirschel, Mitglied im Vorstand des SPD-Forums Demokratische Linke 21 und Verdi-Chefökonom, dem Handelsblatt. „Hier entscheidet sich, ob eine Ampel-Koalition ein Modernisierungsjahrzehnt einläuten kann oder nicht.“

Hirschel nannte zusätzliche öffentliche Investitionen in Klimaschutz, Bildung, Gesundheit, bezahlbaren Wohnraum und Verkehr zentral für die Zukunft Deutschlands. Aus gewerkschaftlicher Sicht seien dafür jedes Jahr zusätzlich 50 Milliarden Euro nötig. Die Schuldenbremse verhindere aber, dass die Investitionen über Kredite finanziert werden. sagte der Gewerkschafter.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner sprach von „klugen Vorschlägen“. Zugleich betonte er: „Koalitionsverhandlungen führt man nicht öffentlich, wenn man möchte, dass sie erfolgreich sind.“ Es bezweifle aber niemand, „dass wir dringend Zukunftsinvestitionen brauchen - in Klimaneutralität, Bildung und Forschung, Digitalisierung und Infrastruktur, sagte Stegner dem Handelsblatt.

In den anstehenden Koalitionsverhandlungen dürfte die Finanzierbarkeit der geplanten Zukunftsinvestitionen ein zentraler Knackpunkt werden. Diese sollen ohne Steuererhöhungen gelingen. An etlichen Stellen sind sogar Entlastungen vorgesehen, etwa durch günstige Abschreibungsbedingungen für Unternehmen.

Naheliegende Finanzierungsmöglichkeiten waren mit den Liberalen nicht zu machen. Sie hatten durchgesetzt, dass die Steuern nicht angehoben werden und die Schuldenbremse nicht aufgeweicht wird. „Wir werden im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse die nötigen Zukunftsinvestitionen gewährleisten“, heißt es jetzt lediglich im Sondierungspapier von SPD, FDP und Grünen. Und: „Wir werden keine neuen Substanzsteuern einführen.“ Die Einkommens-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer sollen nicht erhöht werden.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zeigte sich dennoch zuversichtlich. „Wir haben lange über Finanzen diskutiert, und wir gehen stark davon aus, dass am Ende alles finanzierbar sein wird“, sagte Dreyer dem Handelsblatt.

Ökonomen offen für Umgehung der Schuldenbremse

Die SPD-Politikerin gab zudem zu bedenken, dass es neben allen notwendigen staatlichen Investitionen darum gehe, private Investitionen zu mobilisieren. „Damit Unternehmen verstärkt in die Zukunft investieren, müssen wir die Rahmenbedingungen verbessern“, sagte sie. „Da spielen schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren genauso eine wichtige Rolle wie bessere Abschreibungsbedingungen.“

Alternativ könnten staatliche Investitionen auch über Kredite finanziert werden, ohne die im Grundgesetz für den Bund etablierte Schuldenbremse infrage zu stellen. Ökonomen befürworten die Gründung staatlicher Investitionsgesellschaften, die abseits der Schuldenbremse Schulden aufnehmen dürfen, über die der Staat dann höhere Investitionen finanziert.

Zwar wollen die Ampel-Partner Finanzmittel mobilisieren, indem klimaschädliche Subventionen und andere verzichtbare Staatsausgaben gestrichen werden. „Aber das wird absehbar nicht reichen“, sagte der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum. „Deswegen wird die Koalition die Flexibilität der Schuldenbremse maximal nutzen müssen.“

2022, wenn die Schuldenbremse noch ausgesetzt ist, werde die Ampel wohl eine große Rücklage anfüllen, die in den Folgejahren abgeschmolzen werde. Gleichzeitig werde sie, wo immer möglich, öffentliche Investitionen in Zweckgesellschaften auslagern, die neben der Schuldenbremse operieren, erläuterte Südekum.

„FDP bleibt ein soziales Sicherheitsrisiko für Arbeitnehmer“

Der Teufel bei den Finanzen stecke im Detail, sagte auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. „Denn es muss geklärt werden, wie deutlich mehr Zukunftsinvestitionen ohne Steuererhöhungen und unter Einhaltung der Schuldenbremse gelingen sollen“, sagte Fratzscher.

Zu klären sei auch die Frage, wie die Rahmenbedingungen für private Investitionen gestärkt werden können. „In den Koalitionsverhandlungen wird es darum gehen, diese Versprechen zu konkretisieren und faule Kompromisse zu vermeiden“, erklärt der DIW-Chef.

Kritisch zu den finanzpolitischen Aspekten des Papiers äußerte sich auch Jessica Rosenthal, Bundesvorsitzende der Jusos - der Jugendorganisation der SPD. „Was wir nicht verstehen können, ist, wie die Investitionen am Ende bezahlt werden sollen und warum die Umverteilungsaspekte, die für uns wichtig sind, dort nicht vorkommen“, sagte sie dem Nachrichtensender Phoenix.

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Der SPD-Linke Hirschel hielt der FDP vor, durch ihre „steuerpolitische Reichtumspflege“ dringend notwendige Steuermehreinnahmen zu blockieren, die für eine bessere Pflege, mehr Lehrer und eine gute Verwaltung eingesetzt werden könnten. „Deswegen sind die Liberalen die soziale Fortschrittsbremse in der Ampel“, sagte der frühere Kandidat für den SPD-Bundesvorsitz.

Als „hochproblematisch“ bezeichnete Hirschel die von der FDP geforderte Ausweitung der Mini- und Midijobgrenzen. „Die Förderung dieser prekären Jobs zerstört reguläre sozialversicherte Arbeitsplätze“, sagte der Gewerkschafter. Kritisch sei zudem „die beabsichtigte Aushöhlung des Arbeitszeitgesetzes durch so genannte Experimentierräume“.

Für „völlig inakzeptabel“ hält Hirschel überdies den angekündigten Einstieg in eine Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente. Das Umlageverfahren sei krisenfest, betonte er. „Die gesetzliche Rente darf durch Lindner & Co nicht weiter beschädigt werden“, warnte er. „Die FDP bleibt ein soziales Sicherheitsrisiko für Arbeitnehmer.“

Der Verdi-Chefökonom sieht aber auch positive Aspekte. „Ein großer Erfolg ist die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro im ersten Regierungsjahr“, sagte Hirschel. Dadurch würde der Lohn von zehn Millionen Beschäftigten um ein Viertel steigen. Auch die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent und der Ausschluss eines höheren Renteneintrittsalters seien aus Arbeitnehmersicht positiv zu bewerten. „Hier hat sich die SPD durchgesetzt.“

Mehr: Das gemeinsame Papier zum Ergebnis der Ampel-Sondierungen im Original

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