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Bundestagswahl Aufholjagd der SPD könnte die Wahlkampfstrategie der Union durcheinanderbringen

Der Union bereitet SPD-Kanzlerkandidat Scholz zunehmend Sorgen. Der gibt sich selbstbewusst. Kanzlerkandidat Laschet hofft auf Hilfe von Angela Merkel.
15.08.2021 - 19:25 Uhr 1 Kommentar
Der Spitzenkandidat der Union ist in den Wahlkampf gestartet. Quelle: imago images/Chris Emil Janßen
Armin Laschet

Der Spitzenkandidat der Union ist in den Wahlkampf gestartet.

(Foto: imago images/Chris Emil Janßen)

Berlin Welchen Tipp würde Elon Musk, Pionier der Elektromobilität, Armin Laschet geben, der bisher im Wahlkampf so antriebslos und ohne Energie wirkt? Der Chef des amerikanischen Elektroautobauers Tesla muss über die Frage laut lachen. Er hat den Kanzlerkandidaten der Union gerade durch sein Werk im brandenburgischen Grünheide geführt, mit ihm über den Wirtschaftsstandort Deutschland gesprochen. „Er scheint ein großartiger Kerl zu sein“, sagt Musk.

Das Treffen mit Musk auf der Baustelle war für den Kanzlerkandidaten von CDU und CSU ein Wahlkampfgeschenk. Tesla ist für Laschet ein Symbol, das für vieles steht, was er in den Mittelpunkt seiner Kampagne rücken will: ein Unternehmen, das mit Klimaschutz Arbeitsplätze schafft, ein Chef, der die bürokratischen Prozesse im Land bemängelt, zugleich aber Deutschland fabelhaft findet.

Er unterstütze Laschet in seinem Vorhaben, bestehende Gesetze zu überdenken und zu fragen: „Bringen die überhaupt etwas?“, erklärte Musk am vergangenen Freitag. Für Laschet, der mit dem Mantra des „Modernisierungsjahrzehnts“ die Deutschen von sich überzeugen will, könnte so ein Termin den Schwung bringen, der ihm bislang fehlte.

Laschet ist endlich in den Wahlkampf gestartet. Im Tagesrhythmus tourt er nun durch die Republik: Am Mittwoch boxte er in Frankfurt in einem Boxverein, am Donnerstag besuchte er die Chipfabrik Global Foundries in Dresden. Dort machte er sich dafür stark, dass in Europa künftig 20 Prozent der weltweiten Chipproduktion stattfinden, derzeit sind es weniger als zehn Prozent. Es folgten Tesla und eine Rede zum Jahrestag des Mauerbaus.

In dieser Woche geht es an Nord- und Ostsee, nach Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Dort trifft Laschet ausgerechnet jenen Parteifreund, der ihn pünktlich zum Wahlkampfauftakt unter Druck gesetzt hatte: Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. „Wir werden unseren eigenen Ansprüchen derzeit nicht gerecht“, hatte das CDU-Präsidiumsmitglied im Interview mit dem Handelsblatt gesagt. „Der Anspruch der Union muss es sein, mindestens bei 30 Prozent zu liegen.“

Wahlkampfstart bei sinkenden Umfragewerten

Damit ist die aktuelle Lage beschrieben. Doch geht es nicht nur um die Umfragen für die Partei. Auch Laschets persönliche Beliebtheitswerte sind eingebrochen. Er liegt noch knapp vor Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock, aber weit abgeschlagen hinter SPD-Vizekanzler Olaf Scholz.

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Die Aufholjagd des Sozialdemokraten könnte die Wahlkampfstrategie der Union empfindlich durcheinanderbringen: Bisher war man im Konrad-Adenauer-Haus von einem Duell gegen Baerbock ausgegangen, der routinierte Ministerpräsident gegen die unerfahrene Parteichefin. Nun aber droht ein Duell eines Landespolitikers gegen einen Vizekanzler. Der erinnerte am Wochenende im Interview mit dem Wochenblatt „Spiegel“ selbstbewusst an die politische Regel: „Selbst auf Platz zwei kann man Kanzler werden.“

Die neue Konstellation bereitet CDU-Strategen in Kombination mit den schwachen Umfragewerten zunehmend Sorgen. Es besteht Gesprächsbedarf in der Partei. Bevor Laschet am Dienstagabend mit Parteifreund Günther in Sankt Peter Ording auftritt, will der CDU-Chef in Berlin den Bundesvorstand zur ersten Präsenzsitzung seit langer Zeit zusammentrommeln. „Die Leute sollen jetzt raus und Wahlkampf machen“, kam umgehend Kritik. Ein Beschluss lasse sich auch in digitaler Sitzung fassen.

Doch Laschet plant mehr, so etwas wie einen Aufschlag. Was genau er verkünden wird, hielten seine Vertrauten bis zuletzt geheim. Die Erwartungshaltung in den eigenen Reihen aber wächst: Laschet muss in die Offensive kommen. Er muss die Partei motivieren, damit die Helfer engagiert für den Wahlsieg und damit für ihren Kanzlerkandidaten kämpfen.

Kein Wunder, dass in Laschets Terminkalender Besuche bei etlichen Landesverbänden der Nachwuchsorganisation, der Jungen Union, stehen: Sie sind die wichtigsten Aktivisten, wenn es um Wählerstimmen geht. „Bei 23 Prozent läuten alle Alarmglocken“, raunen die erfahrenen Wahlkämpfer.

Risikofaktor Olaf Scholz

Bei der Sitzung des Bundesvorstands wird auch die Frage diskutiert werden, wer eigentlich der direkte Rivale von Laschet im Rennen um das Kanzleramt ist. Bisher war es Baerbock von den Grünen. Doch halten es die Strategen in der Union inzwischen für ausgeschlossen, dass sie nach der Pannenserie – angefangen bei den Unkorrektheiten im Lebenslauf und Plagiaten in ihrem Kanzlerinnenbewerbungsbuch, dem Parteiausschlussverfahren gegen den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer bis zur Panne um das Aus der Saar-Grünen bei der Bundestagswahl – die Partei noch einmal über 20 Prozent hochziehen kann. Dies zeigt sich auch daran, dass vor allem der Co-Vorsitzende Robert Habeck längst die Führung – zumindest bei öffentlichen Auftritten – übernommen hat.

Der SPD-Kanzlerkandidat bereitet der CDU zunehmen Sorgen. Quelle: dpa
Olaf Scholz

Der SPD-Kanzlerkandidat bereitet der CDU zunehmen Sorgen.

(Foto: dpa)

Und so rückt Olaf Scholz ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Er wird als regelrechtes „Risiko“ betrachtet. In der Hochwasserkatastrophe konnte er als Vizekanzler und Bundesfinanzminister punkten, der einen milliardenschweren Wiederaufbaufonds einrichtet. Laschet war da nur der Landesvater, der mit dem Bundespolitiker gemeinsam die Katastrophengebiete besuchte

„Scholz fährt die gnadenlose Strategie, bloß keine Themen zu setzen, sondern unter dem Radar zu bleiben und die Wähler von Angela Merkel qua Amt als ihr Finanzminister einzusammeln“, sagt ein Unionspolitiker. Die Umfragen zeigten, dass dies aufgehe. „Ich mache mir große Sorgen.“

Die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind abgetaucht und halten sich nicht ohne Grund in diesen Wochen bedeckt. SPD steht jetzt für „Scholz packt das an“; der Wahlkampf ist komplett auf den Vizekanzler ausgerichtet.

Scholz hält, seit er vor einem Jahr zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde, stur an seinem Plan fest: durch fleißige, solide Regierungsarbeit in Erscheinung treten. Wenn Merkel abtritt, so die Überlegung seiner Strategen, kann Scholz mit dem Bonus des Vizekanzlers Wähler für sich gewinnen.

Scholz zieht langsam die SPD nach oben

Lange Zeit schien die Strategie nicht aufzugehen. Zwar war der Bundesfinanzminister einer der beliebtesten Politiker, mit den Fehlern von Baerbock und Laschet setzte er sich immer weiter ab, doch seine Partei dümpelte trotzdem bei 15 bis 17 Prozent. Nun aber zeigt sich auch erstmals für die SPD ein Aufwärtstrend, bei 19 Prozent liegt sie jetzt in Umfragen und damit erstmals gleichauf mit den Grünen.

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Für eine Volkspartei ist das zwar ein miserables Ergebnis. Doch der Plan von Scholz und seinen Getreuen lautete von Beginn an: Bei dieser Wahl kann ein Kandidat mit etwas mehr als 20 Prozent der Stimmen Kanzler werden. Scholz würde dann versuchen, ein Bündnis mit Grünen und FDP zu schmieden. „Es gibt eine lange sozialliberale Tradition in Deutschland“, erinnerte Scholz im „Spiegel“.

Kein Wunder, dass sich Laschet am Montag in den CDU-Gremien hinter verschlossenen Türen auch seinen Kritikern stellen muss. Wie konnte der einst so komfortable Vorsprung der Union so schnell schmelzen, lautet die Frage.

Noch im Januar hatte Laschet doch 35 plus x der Stimmen im Visier. „Wenn wir Kurs halten, können wir das Ergebnis auch bei der nächsten Bundestagswahl erreichen“, sagte Laschet seinerzeit dem Handelsblatt und buhlte wie nun auch Scholz um die Liberalen, mit denen er solide in Nordrhein-Westfalen regiert.

Der Spitzenkandidat der Union lässt sich vom THW das technische Gerät zeigen. Quelle: imago images/Chris Emil Janßen
Armin Laschet in Torgau

Der Spitzenkandidat der Union lässt sich vom THW das technische Gerät zeigen.

(Foto: imago images/Chris Emil Janßen)

Am Donnerstag, bei seinem Abstecher ins nordsächsische Torgau, rechtfertigte sich Laschet für die schwierige Lage. Er hatte sich gerade vom Technischen Hilfswerk am Elbufer das technische Gerät zeigen lassen, um die Bedeutung des Hochwasserschutzes zu betonen. „Ich weiß, dass manche ungeduldig geworden sind“, sagte er nach einer kleinen Mittagspause bei sächsischer Bratwurst Thüringer Art und Mineralwasser. Der Wahlkampfauftakt sei „der 21. August“.

Und natürlich habe er nach der Hochwasserkatastrophe im Rheinland anderes zu tun gehabt, als Wahlkampf in der Republik zu führen. Er sei als Ministerpräsident gefragt und gefordert gewesen. „Die Schwerpunkte werden kommen – so war es immer geplant“, beruhigte er.

Natürlich kennt Laschet die Umfragen, kommentieren aber will er sie nicht. „Ich will sie ändern und darauf aufmerksam machen, was auf dem Spiel steht“, sagte er in Torgau. Er wolle durch „Kampf“ aufholen, fair im Ringen um Themen. Es sei nie ein „Anti-Personen-Wahlkampf“ geplant gewesen. „Wir werben für unsere Ideen.“

Deshalb hält er auch stoisch an seiner Taktik fest, ganz gleich, wer im Rennen um das Kanzleramt der Rivale ist: Baerbock oder Scholz. „Bei dieser Strategie bleibt es“, sagt Laschet auch in Richtung der Besorgten und Zweifler. Schließlich müssten alle Kandidaten nach der Wahl „auch wieder als Demokraten zusammensitzen“.

Laschet hat inhaltliche Stockfehler gemacht

In der Tat fordern Parteigranden, Themen in den Fokus zu rücken. „Der Wahlkampf konzentriert sich bisher auf kleine Fehler der Spitzenkandidaten. Das überzeugt niemanden“, sagte etwa Ministerpräsident Günther. Es müsse jetzt um Themen gehen, die den Menschen wichtig seien. Arbeitsplätze, Klimaschutz, Rente, Steuerpolitik.

Allerdings hat Laschet bereits inhaltliche Stockfehler gemacht: Freitag ließ er sich ausgerechnet von Musk die Butter vom Brot nehmen, als er über Technologieoffenheit redete und dies mit der Frage auf Englisch zusammenfasste, was die Zukunft beim Automobil sei – Wasserstoff oder Elektro. „Es ist absolut elektrisch“, sagte Musk natürlich verbunden mit einem herzhaften Lachen. Laschet hingegen wollte darauf hinweisen, dass die Technologiefrage noch nicht abschließend geklärt sei. Auch in der Steuerpolitik geht es in der Union hin und her, seinen als Deutschlandfonds betitelten Investitionsfonds hat er längst begraben.

Noch bleiben sechs Wochen, um aus dem Umfragetief zu kommen. Offenkundig aber ist der Glaube gering, dass die Wähler sich für die CDU mit dem Argument entscheiden: Ich mag zwar die Partei nicht, aber vom Kandidaten bin ich überzeugt und mache deshalb mein Kreuz bei der CDU. So war es bei den vergangenen Bundestagswahlen immer wieder mit Angela Merkel.

Entsprechend rückt die Frage ins Zentrum, ob sich Merkel wie bisher aus allem heraushalten will und so keinen öffentlichkeitswirksamen Einfluss auf ihre Nachfolge nimmt. Am Samstag zumindest wollen Laschet und CSU-Chef Markus Söder, der bisher mehr Last als Hilfe in Laschets Wahlkampf ist, im Berliner Tempodrom mit großem Tamtam die heiße Wahlkampfphase einläuten.

Angela Merkel wird auch auftreten. Kann sie ihrer Partei noch einmal helfen? Viele in der Union hoffen es angesichts der Probleme mit dem eigenen Kandidaten.

Mehr: Armin Laschet trifft Tesla-Chef – „Viel über Beschleunigung geredet“

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1 Kommentar zu "Bundestagswahl: Aufholjagd der SPD könnte die Wahlkampfstrategie der Union durcheinanderbringen"

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  • Die Zeiten sind schwierig geworden. Eine Krise jagt die nächste. Nach der bleiernen Merkelzeit sollte die Union jemand präsentieren, der das Land wirklich führen kann und nicht nur in weiter so Kategorien denkt. Herr Laschet sollte von sich aus zurück ziehen.

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