Bundestagswahl Bitkom-Präsident will „entscheidungsfreudigen“ Digitalminister im Bund

Gerade deutsche Behörden sind noch nicht digital genug.
Berlin Spitzenpolitiker aus Koalition und Opposition waren sich auf dem ersten GovTech-Gipfel des Handelsblatts einig: Die Digitalpolitik müsse grundlegend neu ausgerichtet werden, um den Rückstand etwa bei der Digitalisierung der staatlichen Verwaltung wettzumachen.
Grünen-Chef Robert Habeck machte sich dafür stark, einem Ministerium die „Federführung und damit auch die Zugriffsmöglichkeiten auf andere Häuser“ zu geben. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sieht das Thema Digitalisierung als „Chefsache“, das im Kanzleramt gebündelt werden solle. Und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) ist wie der FDP-Chef Christian Lindner der Überzeugung, dass es ein Digitalministerium geben müsse.
Die digitale Wirtschaft wartet schon lange darauf, dass die momentane Verteilung digitalpolitischer Verantwortlichkeiten auf verschiedene Bundesministerien endlich beendet wird. „Hierzu braucht es ein eigenes, starkes Ressort, das sich voll und ganz der Digitalisierung verschreibt und die entsprechenden Aktivitäten der Bundesregierung leitet und koordiniert“, sagte der Präsident des IT-Verbands Bitkom, Achim Berg, dem Handelsblatt.
„Das geht nur, wenn das Digitalministerium mit umfassenden Rechten und Ressourcen ausgestattet wird.“ Nicht zuletzt brauche es an der Spitze dieses Ressorts „eine starke, kompetente und entscheidungsfreudige Persönlichkeit“.
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Bundesverbands Deutsche Startups, Christian Miele. „Die Schaffung eines Digitalministeriums ist längst überfällig. Wichtig ist dabei, nicht einfach neue Schilder vor ein Ministerium zu hängen“, sagte Miele dem Handelsblatt. „Wir brauchen ein mit umfangreichen Kompetenzen ausgestattetes, schlagkräftiges Ministerium, das der grundlegenden Bedeutung der Digitalisierung für Wirtschaft und Gesellschaft gerecht wird.“
Forderungen nach einem eigenständigen Digitalministerium im Bund gibt es immer wieder. Bislang existiert kein eigenes Ministerium, aber das Amt einer Staatsministerin für Digitalisierung im Kanzleramt, das mit der CSU-Politikerin Dorothee Bär besetzt ist. Auch diese hatte ein Digitalministerium im Januar als sinnvoll bezeichnet.
Bitkom-Präsident fordert „Digitalvorbehalt“
Bitkom-Präsident Berg betonte, wichtig sei, dass ein neues Ministerium bei digitalpolitischen Kernprojekten „komplett die Federführung“ übernehmen könne. Dafür sei unter anderem ein „Digitalvorbehalt“ notwendig.
„Das heißt: Analog zum Finanzvorbehalt müssen politische Vorhaben auf ihre Digitalisierungswirkung hin überprüft und im Bedarfsfall angepasst werden.“ Das Digitalministerium sollte aus Sicht Bergs zudem für den Breitbandausbau, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, innovative Technologieprojekte und die Leitung des Digitalkabinetts zuständig sein
Der Vorstandschef des Internetverbands Eco, Oliver Süme, fordert ein Digitalministerium, das sich künftig um „zentrale Fragestellungen“ kümmert wie dem Umgang mit Daten, Diensten und Netzen. „Hierzu brauchen wir eine Neuorganisation auf Regierungsebene“, sagte Süme dem Handelsblatt.
„Wir verlieren uns seit Jahren in Abstimmungsschleifen und Ressortstreitigkeiten, anstatt uns auf die wirklich wichtigen Linien zu konzentrieren“, kritisierte er. Akut notwendige digitale Großprojekte wie der Ausbau digitaler Bildungsangebote, die Digitalisierung der Verwaltung, der Einsatz von KI-Anwendungen oder der Infrastrukturausbau dürften nicht nebenbei behandelt werden.
Auch Marco Junk, Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW), sieht Handlungsbedarf. „Die Einrichtung eines Digitalministeriums ist die Gretchenfrage einer zukunftsgewandten Bundesregierung“, sagte Junk dem Handelsblatt.
„An ihr wird sich zeigen, ob die künftige Bundesregierung die Notwendigkeit und Chancen der Digitalisierung endlich erkannt hat, statt mit Beiräten jedem Ressort ein wenig Digitalkompetenz anzudichten.“
Der Handlungsdruck auf die Politik in Sachen Digitalisierung steigt von Jahr zu Jahr. In Rankings belegt Deutschland regelmäßig hintere Plätze. In dem von der EU im Jahr 2020 veröffentlichten „Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft“ (DESI) rangiert die Bundesrepublik beim Thema E-Government unter allen 28 EU-Staaten nur auf Platz 21.
Mehr: Das Wahlkampfversprechen von Laschet, Scholz und Habeck: Digitale Verwaltung, moderner Staat
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