Bundestagswahl Investoren warnen vor der FDP – Parteichef Lindner spricht von einem „Kompliment“
Berlin Dass Kapitalmarktstrategen mit Blick auf die Bundestagswahl eine mögliche Regierungsbeteiligung der FDP als Risiko einstufen, sieht die Partei gelassen. „Diese Warnung ist in Wahrheit ein Kompliment“, sagte Bundesparteichef Christian Lindner dem Handelsblatt. Es werde vermutet, dass die FDP sich stärker als andere für die Begrenzung der Schulden und für finanzielle Eigenverantwortung der Euro-Mitgliedstaaten einsetze. „Diese Erwartung ist richtig.“
Lindner erklärt die kritische Haltung der Investoren damit, dass viele von ihnen auf gemeinschaftliche Haftung in Europa setzten, weil sie beispielsweise bei italienischen Anleihen positioniert seien. Deutschland solle Renditen absichern. „Dieses Interesse ist aus Sicht einzelner Teilnehmer des Kapitalmarkts nachvollziehbar, aber das ist nicht im Interesse Deutschlands“, betonte der FDP-Vorsitzende.
Vielmehr müsse man auf nachhaltige Stabilität und Reformen setzen, um auch Inflationsrisiken zu begrenzen. „Die FDP ist Anwalt der Marktwirtschaft und nicht von Big Business“, sagte Lindner. Für Anhänger der Marktwirtschaft sei diese Debatte „geradezu eine Wahlempfehlung“.
Zu den Warnern zählt etwa der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock. Die FDP dürfte im Fall einer Regierungsbeteiligung stark auf einen ausgeglichenen Bundeshaushalt achten, die sogenannte schwarze Null, schätzt Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei Blackrock. Eine solche „konservative fiskalpolitische Haltung“ könne jedoch „zu Spannungen innerhalb der EU führen bei der Frage, ob eine Neuauflage der Austeritätspolitik angebracht wäre oder nicht“.
Nach Einschätzung von Elliot Hentov, der beim Vermögensverwalter State Street das Policy Research leitet, hätte die FDP in der Regierung das Problem, innerhalb der jeweiligen Koalition Profil zu zeigen, um nicht als Juniorpartner aufgerieben zu werden. „Und das kann sie am besten in der Europapolitik und in der Finanzpolitik tun.“
Investorenlob für die Grünen
Aus Sicht von internationalen Investoren wächst damit das Risiko, dass große, gemeinsame Finanzierungsprogramme auf Euro-Ebene gedrosselt oder nicht fortgeführt werden. „Die Investoren fühlen sich sicherer, wenn mehr gemeinsame Schulden gemacht werden, weil das den Zusammenhalt der Euro-Zone stärkt. Die wollen lieber noch mehr Anleihen aus Brüssel sehen“, erläuterte Hentov.

„Die FDP ist Anwalt der Marktwirtschaft und nicht von Big Business.“
Der FDP-Wirtschaftspolitiker Michael Theurer konterte die Äußerungen mit dem Hinweis, dass seine Partei Politik im Interesse der deutschen Bürgerinnen und Bürger und nicht für internationale Investmentfonds mache. Die Liberalen setzten sich für eine „seriöse“ Haushaltspolitik und in Europa gegen die Vergemeinschaftung von Schulden ein. Wenn dann Blackrock wieder einmal vor der Bundestagswahl gegen die FDP wettere, dann sei das „der marktwirtschaftliche Ritterschlag für die Freien Demokraten“.
Die Grünen schneiden in der Beurteilung der Investmentfirmen dagegen deutlich besser ab. Blackrock-Mann Lück erwartet, dass bei einer „starken“ Regierungsbeteiligung der Grünen eine Wiederauflage der Austeritätspolitik in der EU „vermutlich unwahrscheinlicher“ würde. Das würde auch das Risiko reduzieren, dass die Kapitalmärkte destabilisiert werden könnten, so Lück. „Gerade ausländische Investoren schauen darauf, in welche Richtung sich die Zukunft der Europäischen Union bewegt.“
Der Grünen-Finanzpolitiker Sven Giegold kann die Einschätzung aus ökonomischer Sicht nachvollziehen. „Inzwischen ist auch die Mehrzahl der Ökonomen in Deutschland der Meinung, dass wir vor allem mehr Investitionen brauchen und erst in zweiter Linie wieder die Haushalte ausgleichen müssen“, sagte Giegold dem Handelsblatt. Das größte Schuldenproblem Deutschlands sei nämlich die verrottende Infrastruktur sowie ein handlungsschwacher Staat und nicht die Höhe der Schuldenaufnahme, für die Deutschland immer noch Geld vom Kapitalmarkt bekomme.
Auch die Grünen-Wirtschaftspolitikerin Katharina Dröge pflichtet der Blackrock-Analyse bei. Die Haushaltspolitik der FDP sei wirtschaftspolitisch unvernünftig und spalte Europa. „Es wundert mich nicht, wenn Menschen, die rechnen können, das genau so bewerten“, sagte Dröge dem Handelsblatt. „Wir brauchen Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Digitalisierung statt eine Politik des Kaputtsparens.“
Giegold für harte Regulierung von Blackrock & Co.
Blackrock solle sich aber nicht zu früh freuen, ergänzte Giegold. Bisher sei deren Marktmacht von der Politik weitgehend kommentarlos hingenommen worden. „Eine grün geprägte Finanzmarktpolitik würde sie unter besondere Beobachtung stellen.“
Der Grünen-Europaabgeordnete plädiert für eine harte Regulierung von Investmentfirmen. „Was die großen Asset-Manager inzwischen an Marktanteilen haben, hat mit sozialer Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun. Blackrock, State Street und Vanguard sind eigentlich ein Fall für das Bundeskartellamt“, sagte Giegold.
Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen müsse der Fokus stärker auf diese Akteure gerichtet werden. „Diese Investmentunternehmen sind ja inzwischen in allen Dax-Konzernen große Anteilseigner, auch bei denen, die in Wettbewerb zueinanderstehen und voneinander abhängig sind“, gab Giegold zu bedenken. „Daraus können Interessenkonflikte entstehen, die den Wettbewerb stören und damit den jeweiligen Kunden schaden.“
Die Aussagen der Investoren zur FDP kommen indes nicht überraschend. Schon vor der letzten Bundestagswahl hatte etwa Blackrock-Experte Lück die Liberalen als Risiko für die Anleihemärkte eingestuft. Die FDP hatte sich seinerzeit in ihrem Wahlprogramm gegen eine „dauerhafte Transferunion zulasten der europäischen Steuerzahler“ gewandt. Lindner machte sich zudem mit Blick auf das schuldengeplagte Griechenland für einen „zeitweiligen“ Ausschluss des Mittelmeerlandes aus der Euro-Zone stark.
Lück gab damals zu bedenken, dass die „weiche Auslegung“ der EU-Schuldenregeln die Lage an den Anleihemärkten seit 2012 beruhigt habe. Wenn die deutsche Bundesregierung unter Beteiligung der FDP hier auf der strikten Einhaltung von Prinzipien beharre, könne die europäische Schuldenkrise zurückkehren.
In ihrem aktuellen Wahlprogramm positionieren sich die Liberalen so ähnlich wie vor vier Jahren – mit dem Unterschied, dass nicht Griechenland, sondern Corona im Fokus steht. Die FDP fordert, den zeitweise ausgesetzten Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU nach der Pandemie „wieder in vollem Umfang“ in Kraft zu setzen.
Die Begrenzung von Haushaltsdefiziten und Schuldenstand der öffentlichen Haushalte in den einzelnen Ländern (Maastricht-Kriterien) zählt für die FDP zu den Grundlagen der europäischen Finanzpolitik. In ihrem Programm macht sich die Partei außerdem für eine Reform des Paktes stark. Das Ziel ist, die Sanktionen für diejenigen Länder zu verschärfen, die dauerhaft gegen die Prinzipien der öffentlichen Haushaltsführung verstoßen.
Mehr: Wie wählt Deutschland? Investoren sehen FDP als mögliches Risiko
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@ Josef Berchtold
"Die EZB ist an der Wohnungsnot nicht schuldig, wie gegenteilig populistisch behauptet wird"
Zentralplanwirtschaftliches Zinsdiktat der EZB zur "Retung" eigentlich bankrotter Schuldner mit künstlich niedrigen Zinsen führt u.a. auch zu Asset-Preisinflation bei Immobilien mit Mangel an bezahlbarem Wohnraum gerade in stark nachgefragten Städten. Zudem können die Erstempfänger des frisch gedruckten ZB-Geldes (und das sind etwa auch Immobilienfonds) noch günstigen Wohnraum erwerben, während dieses neu geschaffene Geld zuletzt erst bei den kleinen Bürgern (mit schlechterer Bonität) ankommt, und diese dann die bereits gestiegenen Preise bezahlen müssen (Cantillon-Effekt). "Abhilfe" schafft hier nur die Dauerabwertung des EUR (mit niedrigeren Zinsen) gegenüber dem USD mit höheren Zinsen, wobei die Immo-Preise im EUR-Raum dann per Wechselkursverlust gegenüber US-Immobilien zurückgehen.
"Angeblich glaubt Lindern noch an Gott=Illusion. Gläubige sind eine gefährliche Spezies, wenn sie ihren Glauben brutal über die Realität brechen wollen"
Woanders gibt es als Ersatzreligion die Klima-Kirche. Diese Kirche ist genauso intolerant gegenüber Nichtgläubigen / Ketzern wie z.B. die christliche Kirche im Mittelalter. Desweiteren gibt es bei dieser Religion genauso Ablasshandel für "Sünden" (-> Freikaufen / Gewissenserleichterung etwa durch C02-Zertifikate) wie im Mittelalter.
Glaube ist zudem etwas rein Persönliches. Kirche (also auch die Klima-Kirche) ist jedoch eine Institution mit Machtinstrumenten zur (Zwangs-)Missionierung / Indoktrination / Bestrafung von Andersgläubigen.
Was mich mit Lindner, trotz aller Kritik verbindet: Maßanzüge.
Die FDP steht für unsolide Wirtschafts-Politik und indirekt für unsolide Finanz-Politik. Was wurde denn angerichtet, in der Wohnungsbau-Politik. Die Nachfrage übersteigt das Angebot und führt zu Blasenbildung aus reiner Wohnungsnot. Die EZB ist an der Wohnungsnot nicht schuldig, wie gegenteilig populistisch behauptet wird. Was hat die EZB damit zu tun, dass es nicht genügend bezahlbare Wohnungen gibt, für Familien? Angeblich glaubt Lindern noch an Gott=Illusion. Gläubige sind eine gefährliche Spezies, wenn sie ihren Glauben brutal über die Realität brechen wollen. Dabei kommen Gottes-Staaten heraus mit Gottheiten von Schuldengrenze und Schwarzer Null. Soll Deutschland der letzte Wagen am langsamsten Zug bezüglich Infrastruktur sein?
„Die Investoren fühlen sich sicherer, wenn mehr gemeinsame Schulden gemacht werden, weil das den Zusammenhalt der Euro-Zone stärkt. Die wollen lieber noch mehr Anleihen aus Brüssel sehen“
..... und die Deutschen sollen deren Rendite absichern!??? Nein, wirklich nicht, das sind keine Investoren, das sind Spekulanten!
Außerdem schwächt die ständige Überforderung Deutschlands den Zusammenhalt innerhalb Deutschlands und Europas - Jung gegen Alt, Land gegen Stadt, Bürger gegen Politiker - es wird eben KEINE PRAGMATISCHE POLITIK betrieben, wie sie die FDP dankenswerter weise fordert!
Einfach immer nur schlechtem Geld weiter gutes Geld hinterher werfen ist dämlich!
Da hat der Lindner ausnahmsweise einmal vollkommen recht.
Einem "Investor" wie Elon Musk etwa ist es vollkommen gleichgültig, ob die Deutschen auch zukünftig bezahlbaren Strom haben, solange die umverteilerische Subventionsknete vom Staat an ihn fließt.