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Bundestagswahl „Scholz hat den Chefarzt-Habitus“ – Lehren aus dem TV-Triell der Kanzlerkandidaten

Am Sonntagabend treffen die Kanzlerkandidaten erneut aufeinander. Drei Körpersprache-Experten analysieren ihre Schwachpunkte – und geben Ratschläge für das anstehende Triell.
11.09.2021 - 14:10 Uhr Kommentieren
Bei der Frage, welcher der Kanzlerkandidaten sich aktuell am besten präsentiert, sind sich alle Experten einig. Quelle: dpa
Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD)

Bei der Frage, welcher der Kanzlerkandidaten sich aktuell am besten präsentiert, sind sich alle Experten einig.

(Foto: dpa)

Berlin Jede Äußerung, jede Bewegung, jeder Blick zählt: Je näher der Wahlabend rückt, desto genauer beobachten die Wähler die Kanzlerkandidaten. Wer wirkt nervös, wer erreicht die Zuschauer? Am Sonntag findet das zweite TV-Triell zwischen den Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) statt. Hier haben die Zuschauer zum zweiten Mal die Chance, das Auftreten der Kandidaten zu vergleichen.

Nach den anhaltend schlechten Umfragewerten der CDU und dem steigenden Beliebtheitsgrad von Olaf Scholz wird mit Spannung erwartet, wie sich die Kandidaten zwei Wochen vor der Bundestagswahl präsentieren werden. Denn nach dem vergangenen TV-Triell bemängelten Beobachter teilweise das Auftreten der drei Politiker. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet musste sich etwa von mehreren Seiten die Kritik gefallen lassen, er sei überfordert gewesen, es habe ihm an Schlagkraft gefehlt.

Drei Körperspracheexperten verraten, wie die Kandidaten auf das Publikum wirken – und geben Ratschläge, wie das bevorstehende Triell für die Parteien ein Erfolg wird. „Für einen etwaigen Kanzler oder eine Kanzlerin ist eine ruhige Reaktion in Stresssituationen eine wichtige Eigenschaft“, erklärt Körperspracheexperte Ulrich Sollmann. Anhand der Körpersprache könne man bereits abschätzen, wie sich der Kandidat in stressigen Situationen in der Zukunft verhalten könnte.

Je höher der Stress, desto automatisierter liefen die Verhaltensmuster ab. „Man bekommt bereits den Eindruck: Wenn eine Krise kommt, wird die Person ähnlich reagieren.“ Um die Gunst der Bundesbürger müssten die drei Kandidaten noch kämpfen. „Jeder muss sich verbessern, um die Wähler zu überzeugen“, so Performance-Coach Michael Moesslang.

Bei der Frage, welcher der Kanzlerkandidaten sich aktuell am besten präsentiert, sind sich die Experten einig. „Scholz tritt am souveränsten auf“, sagt Moesslang. „Seine ruhige Stimme, die seltenen Gewichtsverlagerungen und authentischen Reaktionen auf Angriffe gegen seine Person heben ihn von Laschet und Baerbock ab.“ Ihm fehle jedoch stellenweise der nötige Ausdruck in Stimme und Gestik, was ihn vor allem am Ende des Duells habe müde erscheinen lassen.

Laschets Kontrahenten haben ihn „an der Leine“

Auch Körperspracheexperte Peter Modler bescheinigt dem Vizekanzler: „Scholz hat den Chefarzt-Habitus.“ Die anderen Kandidaten seien hektisch, der SPD-Kandidat bringe hingegen mit seiner konsequenten Ruhe eine Autorität ins Geschehen. „Und die glaubt man ihm – einfach wegen seiner Choreografie.“

Laut Experte Sollmann besitzt Scholz damit Eigenschaften, die ihm in der Zukunft durchaus nützen könnten: „Scholz sendet häufig das Signal aus, unter Stress ruhig zu bleiben. Für jemanden, der Kanzler werden will, ist das außerordentlich wichtig“, bestätigt der Coach. Während die anderen Kanzlerkandidaten miteinander diskutierten, habe der Vizekanzler ruhig zugeschaut – ohne sich daran zu beteiligen.

CDU-Chef Armin Laschet hingegen besitze keinerlei innere Struktur, die ihm in einem stressigen Geschehen Sicherheit verleiht. „Er lehnte sich auf sein Pult – das kann er bei einer Landtagsrede machen, aber in einer solchen Situation zeigt es, dass er seine Emotionalität nicht verbergen kann, keinen stabilen Stand hat“, sagt Sollmann. „Den braucht er aber unter Stress.“ Es entstehe so der Eindruck, als hätten seine Kontrahenten ihn „an der Leine“, wenn sie ihre Statements platzieren.

Laschet bewege zudem zu häufig seine Beine und „tipple mit den Füßen“, erklärt Experte Modler. „Er wirkt häufig nervös.“ Der NRW-Ministerpräsident könne keinerlei Spannung aushalten. Auf der anderen Seite punkte er durch Betonung, indem er Schlüsselworten durch Blickkontakt und leicht erhobenen Zeigefinger Nachdruck verleiht. Zum Beispiel bei dem Satz: „Täuschen Sie den Wähler nicht.“

Auch Baerbock sei „rhetorisch sehr stark“, erklärt Experte Modler. „Ihre aggressiven Angriffe kommen bei Parteianhängern gut an.“ Denn die Konfrontation der Regierungsparteien werde der Funktion der Grünen als Aufbruchspartei gerecht. „Das ist die einzige Chance, die sie hat.“ Besonders gut gelingen der Grünen-Kandidatin etwa Metaphern, so der Experte.

Worte wie „wegducken“ oder Sätze, wie „unsere Kinder sitzen in der Kita und haben Angst davor, weggespült zu werden“ lösten unweigerlich Emotionen bei den Zuhörern aus. Auf Sympathisanten anderer Parteien wirke ihre schrille Stimme jedoch „aufdringlich“. Auch erschienen ihre Bewegungen „mitunter einstudiert“ und „wenig authentisch“.

Experte Sollmann bescheinigt der Grünen-Kandidatin im Gegensatz zu Armin Laschet zwar einen stabilen Stand – allerdings mache es ein wenig den Eindruck, als habe sie einen „Stock im Rücken“. Baerbock könnte an Überzeugungskraft gewinnen, wenn sie sich Bewegungsspielraum und Anpassungsfähigkeit erlaubt, aber nicht über gezwungenes Menscheln, „wie etwa durch das ständige Verwenden des Begriffs ,Kinder‘“, rät Sollmann.

„Ein Chef rennt nicht“

Für das anstehende Triell am Sonntag rät Experte Modler allen Kandidaten zu mehr Ruhe: „Lasst das sein mit euren schnellen Handbewegungen.“ Die Souveränität sei weitaus wichtiger, als etwa auf den genauen Gesichtsausdruck zu achten.

Ein weiterer Tipp: Eine langsame Gestik könnte zudem erhaben auf die anderen Kandidaten wirken. „Die Aufgeregtheit der anderen Seite steigert die eigene Souveränität – ein Chef rennt nicht.“
Irritiertes Kopfschütteln und resignierte Handbewegungen, wie die von Armin Laschet, seien zu vermeiden, so Modler. „Stattdessen sollten die Kandidaten eine offensive Handbewegung machen, wie etwa eine langsame Stoppbewegung mit erhobener Handfläche.“

Ebenfalls könnten die drei Politiker sich eine Rangklärung zum Vorteil machen. „Scholz könnte, wie Armin Laschet, viel mehr auf seinem Amt herumreiten und betonen, dass er der Vizekanzler der Bundesrepublik ist!“ Im Gegensatz zu Scholz habe Laschet oft seine Regierungserfahrung aus Nordrhein-Westfalen thematisiert. Diese Möglichkeit hat Annalena Baerbock nicht, hat sie doch kein vergleichbares Amt inne, über das sie ihre Gegner einschüchtern könnte.

Ihr rät Modler: „Baerbock muss schauen, dass sie dieses Terrain schnell verlässt, wenn die andere Seite damit anfängt.“ Stattdessen könnte die Grünen-Kandidatin dazu übergehen, wirksamen Basic Talk einzubringen. So würde etwa ein beliebter Satz wie „das haben Sie bereits vor fünf Jahren gesagt“ das Gegenüber aus dem Konzept bringen und lähmen.

Zur Vorbereitung auf das Triell sollten die Kandidaten ihre geplanten Gesprächsinhalte laut vor sich her sprechen, schlägt Modler vor. Auch Sprachaufnahmen können helfen, die eigene Geschwindigkeit zu analysieren. „Macht Pausen“, mahnt der Experte. „Pausen sind es, die Autorität verleihen.“

Zudem sollten sich Laschet und Baerbock darauf vorbereiten, ihre Gestik drastisch zu verlangsamen. „Da hilft ein kritischer Beobachter, der einem sagt: Halbiere mal deine Geschwindigkeit. Auch wenn man sich dabei merkwürdig vorkommt – auf das Publikum wirkt dies immer positiver.“

Auch Sollmann rät der Grünen-Kandidatin zu mehr Ruhe: „Annalena Baerbock würde ich raten durchzuatmen. Sie muss sich trauen, auch Sprechpausen einzulegen.“ Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sie sich in ihren vielen Argumenten verfange und die Zuhörer nicht folgen können. „Es reichen oft auch zwei Argumente, statt ganzer fünf.“

Als Vorbereitung auf die Veranstaltung wären beispielsweise Atemübungen ratsam. „Baerbock sollte sich vor dem Triell zurücklehnen und nicht an ihre Argumente denken“, erklärt Sollmann. Statt diese unmittelbar hintereinander aufzureihen, rät der Experte der Kandidatin, mehr in Konfrontation mit den Kontrahenten zu gehen.

Unter Stress hat Scholz einen Schwachpunkt

Moesslang empfiehlt Rednern drei Dinge: Eine aufrechte Haltung mit geradem Rücken und einen festen Stand – das vermittelt Führungskompetenz. Blickkontakte und „ein Lächeln dazu“ wirkten zudem menschlich und erweckten Sympathie.

Gestik und Mimik sorgten für Lebendigkeit. „Davon kann man gar nicht zu viel bieten“, sagt er. Denn bei Erwachsenen könne man nur schwer unterscheiden, wann jemand lüge oder die Wahrheit sage. „Je mehr Gesten die Zuschauer erleben, desto mehr kaufen sie dem Kandidaten seine Aussagen ab.“

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz habe laut Sollmann unter Stress einen Schwachpunkt: „Er wird zu ruhig und könnte den lebendigen Kontakt zu seinem Gegenüber verlieren.“ Zwar sei dem SPD-Politiker dies während des vergangenen Triells nicht passiert. Um nicht in seiner Professionalität stecken zu bleiben, müsse er jedoch vorbeugen: „Scholz muss überlegen: Was sind die roten Linien in der Kommunikation, bei denen er abgekoppelt werden könnte?“ Sein typisches leichtes Schmunzeln solle er beibehalten – das bringt Leichtigkeit. Wie auch Kanzlerin Angela Merkel habe Scholz einen situativen Humor, den er außerdem gut zur Geltung bringen könnte.

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet müsse vor allem auf seinen Stresspegel aufpassen. „Als Coach würde ich diesen starken Stress ansprechen“, so Sollmann. Armin Laschet solle seine eigenen Ressourcen und die persönliche Erfahrung mit Stressbewältigung dazu nutzen, seine Nervosität abzumildern. Er könne sich zudem ein Beispiel am Sicherheitsgefühl nehmen, das SPD-Kandidat Scholz ausstrahlt. „Nicht hinter jeder Ecke steckt ein rotes Ungeheuer“, rät Sollmann dem CDU-Kanzlerkandidaten.

Mehr: Söder warnt vor Inflation und Euro-Bonds: „Scholz will all das machen, was Merkel verhindert hat“

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