Bundestagswahl „Verschiebebahnhof“ rund um Scheuer – Vertraute des Verkehrsministers suchen das Weite

Der Minister verbreitet öffentlich noch das Gefühl, im Amt bleiben zu wollen.
Berlin Markus Söder ist voll des Lobes für Verkehrsminister Andreas Scheuer. So sehr wie mindestens seit zwei Jahren nicht mehr, als der Europäische Gerichtshof das CSU-Projekt Ausländer-Maut stoppte und Panne um Panne folgte.
Am kommenden Montag wird der bayerische Ministerpräsident nicht darüber lamentieren, dass nur ein Schiedsverfahren rund um das Mautdesaster geblieben ist, dass der Steuerzahler mit Millionen für Anwälte und womöglich mit einem Schadensersatz von einer halben Milliarde Euro an die Auftragnehmer Kapsch und Eventim bezahlen darf. Söder wird am Montag eine halbe Milliarde Euro feiern. Eine andere.
Jene Summe hat der CSU-Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur aus Niederbayern seiner Landeshauptstadt gesichert, ohne Ausschreibung oder Standortverfahren. Das Geld fließt in ein Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft.
Pünktlich vor der Wahl wird Scheuer es mit Söder in München feierlich eröffnen und damit der Uni und umliegenden Forschungseinrichtungen über Jahre einen steten Geldsegen sichern. Und wer weiß, vielleicht verliert die CSU doch nicht drei der vier Direktwahlmandate der Stadt an die Grünen.
Während Scheuer also noch einmal feiert, setzen sich seine Mitarbeiter auf der Leitungsebene ab. Zwar verbreitet der Minister öffentlich noch das Gefühl, im Amt bleiben zu wollen. Doch gibt es weder außerhalb noch innerhalb des Hauses den Glauben, dass die CSU das Ministerium nach zwölf Jahren unter Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt und Scheuer weiter führen wird. Allein der Bahnbeauftragte im Hause, Enak Ferlemann von der CDU, erklärt nach zehn Jahren im Amt, es sei doch Zeit für einen CDU-Minister. Den gab es zuletzt unter Helmut Kohl.
Scheuer verliert wichtige Stütze
Scheuers Staatssekretärin, Tamara Zieschang, ist jedenfalls auf dem Sprung nach Magdeburg. Dort war das CDU-Mitglied bereits von 2012 an Staatssekretärin, erst für Wirtschaft, dann für Inneres, bevor sie 2019 ins Bundesverkehrsministerium wechselte.

Die 50-Jährige verantwortet im Ministerium die Bahn und sitzt auch im Aufsichtsrat des bundeseigenen Unternehmens DB AG.
Sie lebte weiter in der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt. Dort soll sie als Innenministerin Teil der ersten Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP werden, so diese nach den Mitgliederbefragungen von CDU und SPD zustande kommen sollte.
Mit Zieschang verliert Scheuer eine wichtige Stütze. Die 50-Jährige verantwortet im Ministerium die Bahn und sitzt auch im Aufsichtsrat des bundeseigenen Unternehmens DB AG. Auch für den Luftverkehr trägt sie Verantwortung und hat maßgeblich die Hilfen für die Deutsche Lufthansa und die Flughäfen mitverhandelt. Als Aufsichtsratsvorsitzende kontrolliert sie die bundeseigene Deutsche Flugsicherung.
Zudem gehört neben der Digital- auch die Grundsatzabteilung zu ihrem Portfolio. Sie wird geschätzt, gilt als kompetent und vertritt als promovierte Wirtschaftsjuristin ordnungspolitisch klare Positionen.
Zieschang ist der prominenteste Fall rund ums Stühlerücken im Ministerium. Die Operation Abendsonne zeichnete sich bereits vor Monaten ab, als etwa Scheuers einstiger Staatssekretär Gerhard Schulz als Chef des verstaatlichten Mautbetreibers Toll Collect eine Stelle für jene Referatsleiterin schuf, die für den Minister den politisch heiklen Maut-Untersuchungsausschuss managte.
Persönliche Mitarbeiter wechseln in Referate
Doch gibt es noch ganz andere Mitarbeiter im direkten Umfeld des Ministers, die das Weite suchen. Seine persönliche Referentin etwa übernimmt das Verbindungsreferat zu den Lobbyverbänden, sein Büroleiter hatte bereits zuvor das Referat Elektromobilität in der Grundsatzabteilung übernommen.
Die persönliche Referentin des Staatssekretärs Michael Güntner leitet das Referat zur Förderung des Breitbandausbaus. Der persönliche Referent des parlamentarischen Staatssekretärs Steffen Bilger zieht es vor, seit August die Verkehrsabteilung in der Deutschen Botschaft in Washington zu leiten.
Sein ehemaliger Kommunikationschef, den Scheuer 2019 auf eine B6-Stelle befördert hatte, ließ sich für dieses Jahr nach Ende seiner Probezeit beurlauben und wechselte fürs Erste zur Deutschen Bahn AG. Ende des Jahres kann er zurückkehren.
Nach der Bundestagswahl darf sich Scheuers Nachfolger fragen, auf welche Position er ihn unterbringt. Eine andere Sprecherin hat inzwischen die Leitung der Unterabteilung übernommen, ein Sprecher leitet künftig das Referat „Urbane Mobilität, Sofortprogramm Saubere Luft“.
Von einem „Verschiebebahnhof“ ist im Ministerium die Rede. „Wichtige Leute aus dem Leitungsbereich bringen sich in Sicherheit, solange sie sich die Stellen noch aussuchen können“, resümiert ein anderer. „Das alles in der Erwartung, dass es nach der Wahl keinen Minister Scheuer mehr gibt und eine neue grüne Leitung sie irgendwohin versetzen wird, wohin sie nicht wollen.“
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