Bundeswirtschaftsminister Geschätzt und getadelt: Peter Altmaier tritt ab

Der scheidende und der künftige Wirtschaftsminister haben bereits zusammengearbeitet, als Altmaier Bundesumweltminister und Habeck sein Pendant in Schleswig-Holstein war.
Berlin Peter Altmaier ist bekannt für seine Konstanz, auch bei der Wahl seiner Krawatte. Ob bei Veranstaltungen, im Bundestag oder in Talkshows: Auf den pinkfarbenen Schlips auf weißem Hemd, umrahmt vom schwarzen Sakko, war seit Jahren Verlass.
Und so zeigte allein die Farbe von Altmaiers Krawatte, diesmal trug er ein leichtes Rotorange, dass sein Auftritt am Montag kein gewöhnlicher war. Tatsächlich war es sein letzter als Bundesminister. Der 63-Jährige wird am Mittwoch das Wirtschaftsressort an Grünen-Chef Robert Habeck übergeben. Auch sein Bundestagsmandat hat er abgetreten, obwohl es nach der Wahl für einen Platz im Parlament gereicht hatte. Nach 27 Jahren im Berliner Politikbetrieb macht der Saarländer Schluss.
Altmaier zeigte bei seinem Abschied in Berlin am Montag keinen Gram. Im Gegenteil: Wie immer war er zu Scherzen aufgelegt.
2012, kurz nachdem sich Altmaier, seinerzeit Bundesumweltminister, und Habeck kennengelernt hatten, war es noch der damalige grüne Umweltminister aus Schleswig-Holstein, der Orange als Hemdfarbe trug. Die beiden waren unterwegs auf einer Wattwanderung. Altmaier und Habeck hatten dabei für Pressefotos in einem Strandkorb posiert. „Falls Sie es nicht unterscheiden können: Ich bin der, der auf der rechten Seite sitzt“, scherzte Altmaier nun. Und er fand lobende Worte für seinen parteifremden Nachfolger: „Ich traue Robert Habeck zu, dass er der Herausforderung dieses Amtes gerecht wird.“
Wertschätzung aller politischen Couleur
Das ist der eine Teil, mit dem der Saarländer in Erinnerung bleiben wird. Als Charakterkopf, der dennoch immer menschlich geblieben ist. Als einer, der den Hauruckstil beherrscht, den viele im politischen Berlin und gerade in der Union umzusetzen pflegen – der ihn aber nur dann einsetzte, wenn er es wirklich für nötig hielt. Ein Vertrauter aus dem Ministerium sagt, Altmaier sei einer der wenigen Politiker, denen es wirklich um die Menschen in diesem Land gehe.
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Der Verzicht auf das Bundestagsmandat, um neue Leute in der Union nach vorn zu lassen, brachte ihm die Wertschätzung aller politischen Couleur ein. Ökonominnen und Ökonomen berichten, dass Altmaier immer offen für Diskussionen sei.
Auch seine politische Arbeit in insgesamt drei Regierungsbündnissen von Angela Merkel hatte Altmaier zu einem nicht mehr wegzudenkenden Baustein im Machtapparat der scheidenden Kanzlerin gemacht. Nach seinen Anfängen als Umweltminister wurde er an ihrer Seite als Kanzleramtsminister einer ihrer engsten Vertrauten. Doch es sollte der Höhepunkt seiner Karriere gewesen sein.
Denn was folgte, war die vielleicht schwerste Zeit in der Politkarriere von Peter Altmeier. 2018 wurde er in der Großen Koalition Wirtschaftsminister. Es sollte eine Zeit werden, in der es für Altmaier nicht viel zu gewinnen gab.
Das lag einerseits an der Ausgangskonstellation: Das Bewusstsein über die Klimakrise wurde zumindest in der Großen Koalition erst in der Mitte der Legislatur so richtig klar. „Wir hätten ab 2018 viel konzentrierter vorgehen müssen“, gestand auch Altmaier bei seinem Abschied ein.
Klima- und Energiepolitik zu spät angegangen
Eine zu späte Erkenntnis, lasten ihm viele bis heute an. Legendär ist sein Auftritt bei einer Demo von „Fridays for Future“, als ihn die Protestierenden nicht zu Wort kommen ließen. „Ich habe das den jungen Leuten nie übel genommen“, erinnerte sich Altmaier.

Der Wirtschaftsminister kam nicht zu Wort.
Doch war die Situation ein Spiegelbild von Altmaiers Klima- und Energiepolitik: Manches wollte er nicht – und wenn er wollte, konnte er häufig nicht. Monatelang hatte er trotz diverser Interventionen von Experten und Verbänden an seiner Prognose für den zukünftigen Strombedarf festgehalten. Das war das Nicht-Wollen. Irgendwann knickte er aber doch ein.
Das Nicht-Können hatte vor allem mit seiner früheren Arbeitsstätte, dem Umweltministerium, zu tun. Mit dem von der SPD um Ministerin Svenja Schulze verantworteten Haus lag der Wirtschaftsminister im Dauerclinch. Dem Ausbau der erneuerbaren Energien stand das stets im Weg.
Die Ampel will nun die Klimathemen vom Umwelt- in das Wirtschaftsressort verschieben. Ein überfälliger Schritt, betonte Altmaier: „Wir hätten es beispielsweise so sehr viel leichter gehabt, bei der Windenergie voranzukommen.“
Von einem Scheitern in der Energie- und Klimapolitik will der Jurist aber nicht sprechen. Im Gegenteil: „Das Bundeswirtschaftsministerium ist wieder wer“, sagte Altmaier. Beobachter teilen diesen Eindruck nicht. Das Ministerium hatte in der abgelaufenen Regierungszeit einen schweren Stand, nicht nur in Sachen Klima und Energie.
Das Lieferkettengesetz, das Unternehmen Verantwortung für die Nachhaltigkeit ihrer Lieferanten überträgt, kam etwa aus dem Arbeitsministerium. Die Regelungen setzen die Wirtschaft unter Druck. Bei kaum einem Gesetz ist die Lobbyarbeit nach der Verabschiedung noch so stark wie bei diesem.

Peter Altmaier besucht das Stahlwerk von Thyssen-Krupp.
Das schiebt mancher Vertreter der wirtschaftlichen Spitzenverbände auch auf den Minister. Der hatte das Gesetz zwar zwischenzeitlich blockiert und so einen Kompromiss erzwungen, um die Folgen für die Unternehmen abzumildern. Gelungen ist ihm das aber nicht wirklich, meinen die Kritiker.
Und überhaupt, sagt ein Verbandschef, könne es nicht sein, „dass ein Minister es zulässt, dass dieses Thema nicht federführend aus dem Wirtschaftsressort bestimmt wird“.
Kommunikatives Fiasko bei der Industriestrategie
Was Altmaier hingegen wie kaum jemand in den vergangenen Jahrzehnten in die Hand nahm, war die Industriepolitik. Um die deutsche Industrie in Zukunft international konkurrenzfähig zu machen, müsse der Staat direkt eingreifen.
Doch auch sein wohl wichtigstes Projekt brachte Altmaier, der einer katholisch-konservativen Arbeiterfamilie entstammt, kaum Freunde. Das lag vor allem am kommunikativen Fiasko, das Altmaier auslöste. Vom Aufbau deutscher Champions in der Industrie war die Rede in seinem Strategiepapier. Damit kränkte er den Stolz vieler Deutscher auf ihren Mittelstand.
Wie es zu so einem Desaster kommen konnte, scheint angesichts des hochprofessionalisierten Apparats eines Bundesministeriums ein Rätsel, wird dort die Kommunikation doch üblicherweise doppelt und dreifach geprüft.
Doch die Antwort ist simpel: Es war ein Alleingang Altmaiers. Nachts im Flugzeug geschrieben, soll nicht einmal der für Industriepolitik zuständige Abteilungsleiter von den Plänen gewusst haben, erinnern sich Beamte aus dem Ministerium.

Nach der Übergabe an Habeck hat sich Altmaier erst einmal eine zweieinhalbmonatige Medienpause auferlegt.
Auch der scheidende Minister selbst räumt den Fehler inzwischen ein und spricht von einer „Tollpatschigkeit meinerseits“. Das klingt harmloser, als es ist. Denn das kommunikative Debakel führte zu einer Pauschalkritik an Altmaiers Arbeit, die ihm bis heute anhaftet.
Und für Parteikollege Friedrich Merz, der in dieser Zeit erheblich gegen Merkel und ihre Gefolgsleute stichelte, war das Vorgehen zudem ein gefundenes Fressen.
Altmaier betont nun zwar, die Strategie sei in Deutschland inzwischen über Parteigrenzen hinweg akzeptiert. Tatsächlich finden sich viele Elemente im Koalitionsvertrag der Ampelparteien wieder, doch gerade die FDP fremdelt noch immer mit dem wirtschaftspolitischen Instrument des starken Staates.
Klar aber ist: Altmaier hat ein Thema gesetzt. Er hat die Industriepolitik zurück auf das politische Parkett gebracht. Was die Ampel daraus macht, will Altmaier im Stillen verfolgen. Nach der Übergabe an Habeck hat sich der Saarländer erst einmal eine zweieinhalbmonatige Medienpause auferlegt. In die Tagespolitik will er sich auch danach nicht einmischen.
Wie der passionierte Büchersammler die neu gewonnene Zeit nutzen will, verriet er im Detail nicht. Lobbyist werde er jedenfalls nicht. So ein fundamentaler Seitenwechsel hätte auch nicht zur Konstanz eines Peter Altmaier gepasst.
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