Christoph M. Schmidt Chef der Wirtschaftsweisen warnt: „Ohne CO2-Preis wird es teurer“
Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph M. Schmidt, rechnet mit Entlastungen für die meisten Bürger, wenn die Politik einen CO2-Preis einführt. Der Ökonom appelliert an die Bundesregierung, zeitgleich mit der Einführung eines CO2-Preises die Reform des Europäischen Emissionshandelssystems voranzutreiben.
Im Interview mit dem Handelsblatt sagte Schmidt: „Je niedriger man bei der CO2-Steuer den CO2-Preis zu Beginn ansetzt, umso stärker muss er in den Folgejahren steigen.“ Für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb mit Unternehmen aus Ländern ohne CO2-Preis stehen, braucht es nach seiner Überzeugung einen Ausgleich.
Zugleich warnt Schmidt: „Klimapolitik ohne CO2-Preis ist teurer.“ Wenn man die verbindlichen Reduktionsziele der EU auf anderem Wege erreichen wolle, bleibe einem „nur noch die Möglichkeit, bestimmte Technologien zu verbieten“.
Lesen Sie hier das komplette Interview:
Ein CO2-Preis, der etwas bewirken soll, muss zumindest ein bisschen wehtun. Über welche Preise reden wir?
Vieles spricht dafür, sich beim Einstieg in die CO2-Bepreisung über eine CO2-Steuer grob an den aktuellen Zertifikatepreisen des Europäischen Emissionshandelssystems zu orientieren. Wir reden also über einen Preis, der in der Größenordnung von 25 bis 50 Euro je Tonne CO2 beginnt und sich dann im Laufe der Jahre weiter nach oben entwickelt. Dabei gilt: Je niedriger man bei der CO2-Steuer den CO2-Preis zu Beginn ansetzt, umso stärker muss er in den Folgejahren steigen. Beim Einstieg in die CO2-Bepreisung über einen separaten Emissionshandel entfällt dieses Entscheidungsproblem natürlich, denn dort ergibt sich der Preis endogen durch den Zertifikatehandel.
Die Einnahmen sollen an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen. In welcher Form soll das geschehen?
Es kann beispielsweise einmal jährlich eine Rückerstattung für jeden Einwohner geben. Allerdings wäre der administrative Aufwand nicht unerheblich. Darum spricht viel dafür, die Einnahmen zu nutzen, um beispielsweise die Stromsteuer auf den europarechtlich zulässigen Mindestsatz zu reduzieren.
Die Stromsteuer beträgt 2,05 Cent je Kilowattstunde bei einem durchschnittlichen Haushaltskunden-Strompreis von 30 Cent. Die Effekte sind also sehr überschaubar.
Die Stromsteuer setzt aber auch eindeutig die falsche Lenkungswirkung. Das spricht dafür, sie so weit wie möglich zu reduzieren. Administrativ ist das leicht und schnell umsetzbar.
Es gibt ja noch eine Reihe von Steuern im Energiebereich, etwa die Mineralölsteuer oder die Steuer auf Heizöl. Wie passen diese Steuern mit einem CO2-Preis zusammen?
Natürlich muss die Politik an diese Steuern rangehen. Es gibt erheblichen Harmonisierungsbedarf. Dabei geht es nicht nur um die Steuersätze. Das gesamte Geflecht der Steuern im Energiebereich gehört auf den Prüfstand. Es spricht zum Beispiel viel dafür, die Mineralölsteuer zumindest zum Teil durch eine nutzungsabhängige Maut zu ersetzen.
In dem Gutachten ist von der „historischen Chance“ die Rede, die deutsche Klimapolitik umzustellen. Was meinen Sie damit?
Die Bepreisung von CO2 muss ins Zentrum rücken. Das ist eine Richtungsentscheidung. Wir raten der Politik, auf viele kleinteilige Maßnahmen im Klimaschutz zu verzichten. Nationale und sektorale Ziele sind ineffizient. All das muss schrittweise abgebaut werden.
Sie halten den CO2-Preis für eine Übergangslösung. Wie muss es mit dem Emissionshandel weitergehen?
Die Übergangslösung besteht in der separaten CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Gebäude. Am Ende der Entwicklung muss ein integriertes Emissionshandelssystem stehen, das alle Sektoren erfasst und damit einen einheitlichen CO2-Preis etabliert. Ich kann nur raten, die entsprechenden Reformprozesse auf europäischer Ebene so schnell wie möglich anzustoßen. Je früher man in diese Richtung geht, desto besser ist es.
Sehen Sie nicht die Gefahr, dass der sozial schwache Fernpendler, der in einer schlecht gedämmten Wohnung lebt, am Ende beim CO2-Preis draufzahlt?
Die Kernbotschaft ist: Die breite Masse der Bürger, insbesondere die unteren Einkommensschichten, werden durch einen CO2-Preis in Kombination mit den von uns empfohlenen Ausgleichsmaßnahmen entlastet. Aber man darf natürlich nicht nur den Durchschnitt betrachten. Am Ende wird es Härtefälle geben, um die sich die Politik kümmern muss. Wir gehen davon aus, dass die Zahl dieser Härtefälle im einstelligen Prozentbereich liegt. Da reicht dann unter Umständen die jährliche Rückerstattung nicht aus.
Was ist in diesen Fällen zu tun?
Da helfen die Instrumente der Sozialpolitik, etwa eine Anpassung des Wohngeldes.

Übergabe des Sondergutachtens zu CO2-Bepreisung.
Gibt es zur Erreichung der Klimaschutzziele nicht kostengünstigere Wege als einen CO2-Preis?
Klimapolitik ohne CO2-Preis ist teurer. Wenn man die verbindlichen Reduktionsziele der EU auf anderem Wege erreichen will, bleibt einem letztlich nur noch die Möglichkeit, bestimmte Technologien zu verbieten. Es wäre sicher nicht effizienter und schon gar nicht sozial ausgewogener, irgendwann Autos mit Verbrennungsmotoren zu verbieten.
In der öffentlichen Debatte geht es viel um den einzelnen Bürger. Welche Belastungen wird die Wirtschaft zu schultern haben?
Unternehmen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen, werden die Kosten an ihre Kunden durchreichen. Aber natürlich haben nicht alle Unternehmen diese Überwälzungsmöglichkeiten. Gerade die Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb mit Unternehmen aus Ländern ohne CO2-Preis stehen, brauchen einen Ausgleich. Da kann man sich an den Kompensationsmöglichkeiten orientieren, die schon im Emissionshandel bestehen.
Am Ende steht ja das Ziel einer klimaneutralen Volkswirtschaft bis 2050. Für wie realistisch halten Sie die Erreichung dieses Ziels?
Es lässt sich heute noch nicht genau sagen, auf welchem Wege sich dieses Ziel erreichen lässt. Da bestimmte Prozesse, etwa die Stahlproduktion, immer mit CO2-Emissionen verbunden sein werden, wird es am Ende nicht ohne negative Emissionen gehen. Das heißt, wir werden Technologien nutzen müssen, die das CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernen.
Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.
Mehr: Lesen Sie hier drei Wege, wie Bürger CO2-Geld zurückbekommen könnten.
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