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Christoph M. Schmidt im Interview Chef der Wirtschaftsweisen kritisiert Klimapläne: „Politik hat zu hohe Erwartungen geweckt“

Christoph M. Schmidt mahnt einen grundlegenden Kurswechsel in der Klimapolitik an. Er fürchtet, dass der CO2-Preis am Ende nur eine Nebenrolle spielt.
19.09.2019 - 04:01 Uhr Kommentieren
Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen bezeichnet die Debatte über Einzelmaßnahmen der GroKo für den Klimaschutz als „unglücklich“. Quelle: dpa
Christoph M. Schmidt

Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen bezeichnet die Debatte über Einzelmaßnahmen der GroKo für den Klimaschutz als „unglücklich“.

(Foto: dpa)

Berlin Ein CO2-Preis muss nach Überzeugung von Christoph M. Schmidt, Vorsitzender des Sachverständigenrates, „für eine erfolgreiche Energiewende das zentrale Leitinstrument sein“. Er hat die Sorge, dass der CO2-Preis in der aktuellen politischen Debatte „nur eine Nebenrolle spielen wird“.

Der Chef der Wirtschaftsweisen, zugleich Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI in Essen, hält die Debatte über Einzelmaßnahmen, die derzeit von der Großen Koalition im Klimaschutz geführt wird, für „unglücklich“. Die Politik sei „offenbar willens, eine Menge Mitnahmeeffekte hinzunehmen und Investitionen anzureizen, die auf lange Sicht sowieso erfolgen würden“. Weite Teile der Politik hätten die Idee der CO2-Bepreisung „nie vollkommen umarmt“.

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Am Freitag wird das Klimakabinett unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel ein umfassendes Paket zum Klimaschutz verabschieden. Der Sachverständigenrat unter Leitung von Schmidt hatte im Juli ein gemeinsam mit dem Klimaökonomen Ottmar Edenhofer erarbeitetes Gutachten zur CO2-Bepreisung vorgestellt, das die Bundesregierung in Auftrag gegeben hatte.

In dem Gutachten wird die CO2-Bepreisung in den Mittelpunkt der Klimaschutzpolitik gerückt. Das Gutachten war als Handlungsempfehlung für die Große Koalition gedacht. Im Zuge der politischen Debatte haben sich die Regierungsparteien allerdings in Teilen von den Vorschlägen der Wissenschaftler gelöst. Die Koalition will zwar einen CO2-Preis für die Sektoren Verkehr und Gebäude einführen, erwägt aber zusätzlich ein Bündel von Fördermaßnahmen.

Schmidt empfiehlt, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zu einem Teil zur Senkung der Stromsteuer auszugeben. Den anderen Teil „könnte man pauschal pro Kopf erstatten“, sagte Schmidt. Er kalkuliert dabei mit einem CO2-Preis von 35 Euro je Tonne.

Das komplette Interview lesen Sie hier: 

Die Koalitionsparteien diskutieren über viele Einzelmaßnahmen im Klimaschutz, der CO2-Preis rückt in den Hintergrund. Was bedeutet das mit Blick auf die Sitzung des Klimakabinetts am Freitag?
Ich bin der Überzeugung, dass der CO2-Preis für eine erfolgreiche Energiewende das zentrale Leitinstrument sein muss. Ich finde es erfreulich, dass diese Botschaft nun wenigstens ansatzweise in der Politik angekommen ist. Immerhin führen wir heute eine Diskussion, die wir vor einem Jahr so noch nicht geführt hätten. Es hat sich also schon sehr viel bewegt.

Aber im Moment wird mehr über Einzelmaßnahmen als über den CO2-Preis diskutiert.
Stimmt. Wenn von der Sitzung des Klimakabinetts das Signal ausgeht, dass ein Kurswechsel in der Klimaschutzpolitik eingeleitet ist, der diesem Thema viel mehr Gewicht verleiht, dann ist damit zwar sehr viel erreicht. Aber der Kurswechsel sollte schon grundlegend ausfallen, mit dem Preis im Mittelpunkt. Es wäre ohnehin naiv zu erwarten, am kommenden Freitag sei der Hebel schon final umgelegt und es gäbe künftig keine harten Entscheidungen mehr zu fällen. Dieser Prozess wird sich länger hinziehen. Da hat die Politik im Vorfeld zu hohe Erwartungen geweckt.

Aber es muss Sie doch stören, dass der CO2-Preis in der Debatte nur noch eine Nebenrolle spielt.
Tatsächlich sind die vielen Einzelmaßnahmen, die jetzt diskutiert werden, eher unglücklich. Wenn Sie aber beispielsweise das am Montag beschlossene CDU-Papier zum Klimaschutz nehmen, dann steht darin neben den vielen Einzelmaßnahmen immerhin auch, dass der Schritt in Richtung CO2-Bepreisung gehen soll. Im Gegensatz zur Wissenschaft haben weite Teile der Politik die Idee der CO2-Bepreisung bislang nie vollkommen umarmt. Wenn man das berücksichtigt, ist das doch ein ziemlicher Fortschritt. Aber damit ist die Sorge, dass der Preis nur eine Nebenrolle spielen wird, natürlich nicht ausgeräumt. 

Gibt es unter den vielen Einzelmaßnahmen, die vorgeschlagen werden, nicht auch solche, die Sie begrüßen?
Ich habe große Vorbehalte. Die Politik ist offenbar willens, eine Menge Mitnahmeeffekte hinzunehmen und Investitionen anzureizen, die auf lange Sicht sowieso erfolgen würden. Das saugt einen Teil des Effektes der Kosteneinsparung, den eine CO2-Bepreisung entfalten wird, wieder auf. Es ist falsch zu unterstellen, die Menschen würden nicht auf die Signale reagieren, die von einem auf Dauer eingerichteten CO2-Preis ausgehen. 

Dazu muss der CO2-Preis zumindest ein bisschen wehtun. Hat die Große Koalition den Mut, einen entsprechenden CO2-Preis festzulegen?
Wir brauchen ein glaubwürdiges Preissignal. Allerdings sollte man den Preis zu Beginn nicht zu hoch setzen, das würde die Akzeptanz gefährden. 

Im Moment deutet viel darauf hin, dass es statt einer CO2-Steuer einen nationalen Emissionshandel für die Sektoren Verkehr und Gebäude mit Preisober- und Preisuntergrenzen geben wird. Was halten Sie davon?
Ein Hybridsystem mit Preiskorridor ist als Einstieg richtig. Die Politik muss allerdings bereit sein, den Korridor im Zeitablauf anzupassen und dies auch von Anfang an klar kommunizieren. 

Wo ist da überhaupt ein Unterschied zu einer CO2-Steuer?
Der Unterschied ist zu Beginn gering. Der Vorteil des nationalen Emissionshandelssystems ist, dass man damit den Einstieg für die Ausweitung des europäischen Emissionshandelssystems hinbekommt. Das Ziel muss sein, am Ende alle Emissionen über den europäischen Emissionshandel zu bepreisen. Wahrscheinlich wird das erst ab 2030 funktionieren, aber es wäre erstrebenswert, das schneller hinzubekommen. Die Weichenstellung in diese Richtung sollte jedenfalls möglichst früh erfolgen.

Wäre eine CO2-Steuer nicht schneller implementierbar?
Man darf sich nicht der Illusion hingeben, es gäbe eine Lösung, die man von jetzt auf gleich umsetzen könne. Natürlich wird die Einführung des nationalen Emissionshandels etwas länger dauern. Aber Zeit ist dabei nicht der entscheidende Faktor. Wichtig ist ein glaubwürdiges Koordinationssignal. Wenn es Ende nächsten Jahres wird, ehe ein letztlich zielführendes System läuft, dann ist das in Ordnung.

Die Große Koalition ist mit dem Versprechen angetreten, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung den Bürgern zurückzugeben. Wie soll das gehen?
Wenn wir von einem CO2-Preis von 35 Euro in den Sektoren Verkehr und Gebäude ausgehen, belaufen sich die jährlichen Einnahmen auf rund elf Milliarden Euro. Davon würden sechs Milliarden Euro ausreichen, um die Stromsteuer von derzeit 2,05 Cent je Kilowattstunde auf das europarechtlich zulässige Mindestniveau abzusenken. Den Rest könnte man pauschal pro Kopf erstatten.

Ist der administrative Aufwand für eine Pro-Kopf-Erstattung nicht viel zu hoch?
Die Erstattung ist natürlich recht aufwendig. Es scheint mir allerdings ein Gebot der Transparenz zu sein, so zu verfahren. Das wäre ein Signal der Glaubwürdigkeit an die Bürgerinnen und Bürger, denn die Politik hat das frühzeitig so in Aussicht gestellt.

Sollte man das Geld nicht nutzen, um die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu senken?
Es gibt in der Tat viele gute Gründe, die Fehlsteuerung bei Steuern und Abgaben, die den Strompreis belasten, zu korrigieren. Eine Absenkung der EEG-Umlage wäre daher ebenfalls sinnvoll. Stromgetriebene Anwendungen sind im Moment zu teuer.

In der Großen Koalition ist derzeit viel von „sozialen Haltelinien“ die Rede. Damit ist beispielsweise eine Erhöhung der Pendlerpauschale gemeint. Was halten Sie davon?
Völlige Einzelfallgerechtigkeit wird man nicht herstellen können. Man darf die Lenkungswirkung des CO2-Preises nicht gleich wieder komplett aushebeln. Eine Erhöhung der Pendlerpauschale scheint mir beispielsweise keine sinnvolle Lösung zu sein. Im Falle sozialer Härten gibt es die bewährten Instrumente der Sozialpolitik. Darauf sollte man sich besinnen.

Was halten Sie von den verschiedenen Vorschlägen zur Finanzierung von Investitionen in klimafreundliche Infrastruktur?
Da werden Modelle diskutiert, die die Finanzierung nur verteuern würden. Warum sollte der Staat, der sich zu Negativzinsen finanzieren kann, Anlegern zwei Prozent Zinsen zahlen? Das begünstigt nur diese Anleger, tragen muss die Kosten dann die Allgemeinheit. Bei rasch angestrebten zusätzlichen Investitionen in die Infrastruktur wäre ich ohnehin zurückhaltend. Die Bauindustrie ist doch ziemlich ausgelastet.
Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.

Mehr: Vom Bürger bis zur Kanzlerin: Jeder will der Umwelt helfen. Heraus kommt jedoch eine unnötig teure Klimapolitik, die auf Emotionen statt Fakten setzt.

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