Claus Weselsky „Ich habe mir Achtung erarbeitet“

„Es geht hier nicht um den Ehrgeiz eines Einzelnen.“
Sein Zweitbüro beim Beamtenbund in Berlin ist karg möbliert. Die Wände sind kahl, die Bilder abgehängt. Nur ein paar Haken zeugen von früheren Zeiten. Auf dem Tisch: nichts Persönliches, dafür die Streikfibel des Beamtenbunds und ein Grundgesetz im schwarz-rot-goldenen Einband.
Der GDL-Chef mag es praktisch. Er ist hier zum Arbeiten. Bevor das Gespräch beginnt, führt er noch schnell ein Telefoninterview mit der „Wirtschaftswoche“ und klickt dabei unaufhörlich mit der Maus. „Ich hab mal ein paar Spammails gelöscht“, sagt er, nachdem er aufgelegt hat – und wartet auf die erste Frage.
Herr Weselsky, wie fühlt man sich als einer der meistgehassten Männer in Deutschland?
Der Vorsitzende einer Gewerkschaft sollte nicht bloß an Bord sein, wenn die Zeiten schön sind. Er muss auch vor die Kameras treten, wenn die Zeiten hart sind und der Wind etwas schärfer weht. Das tue ich, und da habe ich mir – auch in der Öffentlichkeit – eine gewisse Achtung erarbeitet.
Woran machen Sie das fest? Unser Eindruck ist ein anderer.
Wem haben wir denn zu verdanken, dass intensiv über das Tarifeinheitsgesetz debattiert wird und die Regierung da nicht einfach einen Durchmarsch machen kann? Der GDL und dem streikenden Zugpersonal.
Stört es Sie nicht, wenn die „Bild“ Sie wegen Ihres hartnäckigen Kampfes als „Bahnsinnigen“ beschimpft?
Die Titel, die ich mir im Laufe der Zeit eingeheimst habe, trage ich mit Fassung. Als diese Schlagzeile aufschlug und die „Bild“ die Telefonnummer meines Vorstandsbüros druckte, habe ich meine Sekretärin angewiesen, das Telefon auf das Vorstandsbüro von Herrn Dr. Grube umzuleiten...
... den Bahn-Chef. Ihr Vorgänger Manfred Schell wirft Ihnen vor, aus der GDL eine One-Man-Show gemacht zu haben.
Ich kommentiere nicht die Ausführungen eines alten Mannes, der ein hervorragender Vorsitzender war, aber sich seine Verdienste selbst kaputt gemacht hat. Er schadet dieser Organisation, nur um den Rauswurf meiner beiden Stellvertreter ungeschehen zu machen. Die sind aber in einem Compliance-Verfahren von unserer Organisation zu Recht entfernt worden.
Das Landgericht Frankfurt hat daszumindest bei einem Ihrer Stellvertreter anders gesehen …
Ja, und weiter? Das war die erste Instanz. Wir sind in der zweiten Instanz, die Verfahren sind eröffnet – also Ende.
Demnach ist die GDL keine One-Man-Show?
Es geht hier nicht um den Ehrgeiz eines Einzelnen, sondern ich operiere auf Basis einstimmiger Beschlüsse der Gremien. Und mit dem Rückhalt Tausender GDL-Mitglieder, die weder wanken noch wackeln.
Wie wichtig ist Ihnen Gerechtigkeit?
Was ist Gerechtigkeit an der Stelle? Dass Lokführer und Zugbegleiter verbesserte Arbeitsbedingungen und Schichtrhythmen bekommen, das ist mir wichtig. Ich lebe von den Mitgliedsbeiträgen meiner Kolleginnen und Kollegen – das gibt mir auch die nötige Unabhängigkeit.
Kämpfen Sie auch deshalb so verbissen für die Lokrangierführer, weil Sie in der DDR selber lange einer waren? Die Kollegen, die damals in die SED eingetreten sind, kamen schneller auf die schnellen Züge.
Ich halte viel davon, dass man als junger Lokführer seine ersten Sporen im Rangierbahnhof verdient, weil man sich damit ein Gefühl für die Fahrzeuge und die Verantwortung erarbeiten kann. Hier geht es doch darum, dass die Bahn einige Streckenlokführer für Personen- oder Güterzüge als Lokrangierführer bezeichnet, nur weil die zusätzlich mal eine Rangieraufgabe übernehmen oder im Anschlussgleis Wagen zusammenstellen. Eine solche Zweiklassengesellschaft ist mit uns nicht zu machen.
Wünschen Sie sich manchmal zurück auf die Lok?
Ich bin 1992 das letzte Mal aktiv allein gefahren, dann habe ich aufgehört, weil die Vorschriftenlage sich geändert und meine Arbeit als Personalrat und auch in der Gewerkschaft mich stark in Anspruch genommen hat. Aber es ist ein wunderschöner Beruf und bleibt es auch – trotz der Verunglimpfung und der harten Auseinandersetzung. Und ich bin dafür da, dass dieser Beruf auch in Zukunft attraktiv bleibt, hochqualifiziert bleibt und halbwegs verträgliche Arbeitsbedingungen hat.
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