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Corona-Hilfen Insolvenzexperten kritisieren: Sanierungsfähige Unternehmen bekommen keine Überbrückungshilfe

Selbst wenn sie ein Sanierungsverfahren begonnen haben, bekommen insolvente Unternehmen keine Überbrückungshilfe III. Das behindert einen Neuanfang.
22.03.2021 - 16:06 Uhr Kommentieren
Anders als im regulären Insolvenzverfahren bleibt bei Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren die Kontrolle in den Händen der bisherigen Firmenlenker. Quelle: dpa
Geschäftsaufgabe

Anders als im regulären Insolvenzverfahren bleibt bei Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren die Kontrolle in den Händen der bisherigen Firmenlenker.

(Foto: dpa)

Berlin Die aktuelle Überbrückungshilfe III soll alle Unternehmen, Soloselbstständige und Freiberufler unterstützen, die von den Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung besonders stark betroffen sind. So verspricht es das Bundeswirtschaftsministerium in der Coronakrise.

Ein Blick ins Kleingedruckte zeigt allerdings: Die Bundesregierung schließt Unternehmen aus, die sich in einem Insolvenzverfahren befinden. Das betrifft auch Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren, die der Sanierung von Unternehmen dienen.

Aus Sicht von Restrukturierungsexperten ist das vollkommen widersinnig. Denn diese eingeleiteten Verfahren haben gerade den Erhalt der Unternehmen zum Ziel und nicht deren dauerhafte Auflösung.

„Dass Patienten, die es nicht überlebt haben und sich in der Pathologie befinden, keine Medizin erhalten, ist nachvollziehbar“, meint Lucas Flöther, Sprecher des Gravenbrucher Kreises, in dem die führenden deutschen Insolvenzverwalter und Restrukturierer Deutschlands zusammengeschlossen sind. „Es macht aber wenig Sinn, den Patienten auf der Intensivstation die erforderliche Medizin zu verweigern, mit dem Argument, dass sie auf der Intensivstation liegen.“

Anders als im regulären Insolvenzverfahren bleibt bei Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren die Kontrolle in den Händen der bisherigen Firmenlenker. Sie arbeiten einen Sanierungsplan aus, um das Unternehmen fortzuführen.

Diese Chance auf einen Neuanfang sieht die Überbrückungshilfe indes nicht vor. Unter „Sonderfälle“ heißt es: „Eine Auszahlung der Zuschüsse an Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt haben oder das Insolvenzverfahren angemeldet haben, ist ausgeschlossen.“

Regeln gleichen „Anstiftung zur Insolvenzverschleppung“

In der Praxis führt das zu „fatalen Folgen“ wie Insolvenzverwalter Flöther und seine Kollegen registrieren: Unternehmen, die sich schon im Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung oder im Schutzschirmverfahren befinden, aber trotz aller Maßnahmen staatliche Unterstützung brauchen, gehen leer aus.

„Wer beherzigt, dass frühzeitige Sanierungsschritte sinnvoll sind, wird bestraft“, kritisiert Flöther. Belohnt werde, wer einfach nur Überbrückungshilfe kassiere – und im Zweifel einen höheren Finanzierungsbedarf habe.

Der zweite typische Fall aus der Praxis: Unternehmen sehen Handlungsbedarf, weil es für sie erkennbar auch in der Post-Corona-Zeit nicht wie gewohnt weitergehen wird. „Reisebüros etwa wissen, dass sie Personal abbauen, Leasingverträge und Mietverhältnisse beenden müssen“, erklärt Flöther. Solche Unternehmen würden zwar gerne eine Sanierung in Eigenverwaltung beginnen, tun dies aber nicht, weil sie dann befürchten müssen, keine Überbrückungshilfe mehr zu erhalten.

„Um es überspitzt auszudrücken, gleichen die aktuellen Regelungen einer Anstiftung zur Insolvenzverschleppung“, sagt Flöther. Zugleich sinken die Sanierungschancen solcher Unternehmen demnach, weil sie zu lange mit eigentlich notwendigen Schritten warten.

Der Sprecher des Gravenbrucher Kreises fordert darum, dass beim Sonderfälle-Passus zur Überbrückungshilfe III zumindest ein Sanierungsverfahren ausgeklammert wird, das auf Fortführung des Unternehmens ausgerichtet ist.

Forderung neuer Regeln zur Sanierung von Unternehmen

Auch einige Bundesländer sind bereits aktiv geworden. So dringt der Hamburger Wirtschaftssenator auf eine Anpassung der Regelung. Und auch sein Amtskollege aus Sachsen-Anhalt ist schon beim Bundeswirtschaftsministerium vorstellig geworden.

„Der generelle und pauschale Ausschluss von Unternehmen aus der Überbrückungshilfe III, sofern sie sich in einem Verfahren nach der Insolvenzordnung befinden, ist problematisch“, sagte Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) dem Handelsblatt. Dies gefährde die Sanierung und damit den Erhalt von Unternehmen, die ohne die Corona-Pandemie eine positive Fortführungsprognose aufwiesen.

„Daher sollten Unternehmen, die sich in einem Verfahren der Sanierung in Eigenverwaltung, im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens oder mit bestätigtem Insolvenzplan befinden, auch berechtigt sein, die Überbrückungshilfe III in Anspruch zu nehmen“, forderte Willingmann. Dies entspräche der Restrukturierungs-Intention der Insolvenzordnung und stünde auch nicht in Widerspruch zu den Zielen der Hilfsprogramme während der Corona-bedingten Betriebseinschränkungen.

Das Bundeswirtschaftsministerium äußerte sich auf Anfrage skeptisch: „Eine Antragsberechtigung während eines laufenden Insolvenzverfahrens ist mit hohen Prüfanforderungen verbunden, da eine Fortführungsperspektive bestimmt werden müsste.“ Das wäre nur in Einzelfällen sinnvoll umzusetzen.

Das Ministerium sieht seinerseits die Bundesländer in der Pflicht und verweist auf den geplanten Härtefallfonds: Je nach Ausgestaltung durch die Länder könne dieser eine Möglichkeit bieten, „im Einzelfall Unternehmen in einem Insolvenzverfahren mit guter Fortführungsperspektive Unterstützung zu gewähren“.

Mehr: Viele Unternehmen verstehen die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht

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