Corona-Pandemie Auch die Rechtspflege muss runterfahren: Gerichte beschränken Zugang auf ein Minimum

Einige Gerichte verhandeln nur noch dringende Fälle.
Düsseldorf Ein bizarres Bild bot sich Prozessbeteiligten vergangene Tage im Hagener Amtsgericht. Ein Richter ordnete wegen des grassierenden Coronavirus für seine Verfahren eine Atemschutzmaskenpflicht an. Er selbst habe Beobachtern zufolge das Verfahren mit Handschuhen und Schutzmaske geführt.
Der Fall zeigt: Auch in der deutschen Justiz beschäftigt man sich mit Schutzmaßnahmen gegen die sich ausweitende Corona-Pandemie. Die Lungenkrankheit Covid-19 führt zu einer Verlangsamung in der Rechtspflege.
Einige Gerichte verhandeln nur noch dringende Fälle wie Haftsachen und generelle Eilentscheidungen, nutzen Videokonferenzen für Anhörungen und schränken den Publikumsverkehr stark ein.
Das bestätigt Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds. „Die Justizverwaltungen und Gerichte treffen die erforderlichen Maßnahmen, um den Zugang zu den Gerichten auf das notwendige Minimum zu beschränken und die Justiz für dringende Aufgaben arbeitsfähig zu erhalten.“
Tatsächlich reagieren in ganz Deutschland die Gerichte auf die noch nie dagewesene Situation. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe folgt der Empfehlung, soziale Kontakte stark zu reduzieren.
Ausgebremste Rechtspflege
Die Vorsitzenden Richter heben beispielsweise Verfahrenstermine zu mündlichen und damit öffentlichen Verhandlungen auf, soweit es keine Eilbedürftigkeit oder anderweite Gründe für zeitnahe Entscheidungen gibt. So wird der Publikumsverkehr zwar eingeschränkt, die Öffentlichkeit aber nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich ist ein Ausschluss der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen nur in Ausnahmefällen gestattet.
Eine der bisher am weitesten reichenden Maßnahmen hat nun das Landgericht Bonn getroffen, an dem heute im ersten deutschen Strafverfahren um Cum-Ex-Aktiengeschäfte das Urteil fallen soll.
Seit 13 Uhr wird der Geschäftsbetrieb am Landgericht Bonn und an allen Amtsgerichten des Gerichtsbezirks auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt. Sitzungen werden nur dann durchgeführt, wenn sie keinen Aufschub dulden.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt lässt aktuell keine Besuchergruppen zu. Nur Einzelpersonen können den Terminen beisitzen. In der Verwaltung des BAG arbeitet zudem weniger Personal, weil unter anderem Schulen und Kindergärten geschlossen sind.
Ähnlich geht es mittlerweile auch an zahlreichen Oberlandesgerichten zu, etwa in Köln oder Düsseldorf. Das Oberlandesgericht Köln stellte aber klar, dass die Justiz „als tragende Säule des Rechtsstaats“ auch in der Corona-Krise nicht die Arbeit einstelle. Zur Reduzierung des Ansteckungsrisikos werde man sich aber auf die Kernaufgaben konzentrieren.
Da die Zivilprozessordnung in bestimmten Fällen ein schriftliches Verfahren oder Video-Kommunikation zulasse, würden solchen Möglichkeiten verstärkt zum Einsatz kommen. Vollständige Gerichtsschließungen seien aber nicht denkbar, betont auch der Sprecher des NRW-Justizministeriums Ralf Herrenbrück.
„Haftentscheidungen müssen natürlich weiter möglich sein“, sagte Herrenbrück gegenüber dem Handelsblatt. „Aber die Erteilung eines Erbscheins kann dann zum Beispiel schon mal vier Wochen warten.“
Großzügiger Umgang mit Fristen
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) appellierte zugleich an die Gerichte, größtmögliche Flexibilität an den Tag zu legen. „Ich bitte alle Gerichte, bereits anberaumte Termine, die nicht eilbedürftig sind, in Abstimmung mit den Parteivertreterinnen und Parteivertretern aufzuheben und auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen”, betonte BRAK-Präsident Ulrich Wessels.
Fristen sollten unter Berücksichtigung der aktuellen Situation möglichst großzügig gesetzt, Fristverlängerungsanträge wohlwollend behandelt werden.
Auch das Bundesjustizministerium sieht Handlungsbedarf. Es arbeitet derzeit an einer gesetzlichen Regelung, die es Strafgerichten ermöglichen soll, Hauptverhandlungen aufgrund der Corona-Pandemie länger als bisher unterbrechen zu dürfen.
Konkret soll eine Pause für maximal drei Monate und zehn Tage erlaubt sein. Bisher dürfen Hauptverhandlungen in Strafverfahren lediglich bis zu drei Wochen unterbrochen werden und wenn sie länger als zehn Verhandlungstage angedauert haben, bis zu einem Monat.
Durch die neue Regelung wolle man verhindern, dass viele Verhandlungen platzen und neu begonnen werden müssen, erklärte das Ministerium. Voraussetzung sei, dass die Hauptverhandlung wegen des Infektionsschutzes nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könne – zum Beispiel, weil ältere Menschen aus der Risikogruppe beteiligt sind.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.