Corona-Pandemie Justizministerin Lambrecht ruft Bürger zum Impfen auf

„Wir sind bei Corona noch lange nicht über den Berg, das zeigen die stark ansteigenden Infektionen, die ganz überwiegend Ungeimpfte treffen.“
Berlin Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat alle Bürger in Deutschland eindringlich zu Corona-Impfungen aufgerufen. „Wir sind bei Corona noch lange nicht über den Berg, das zeigen die stark ansteigenden Infektionen, die ganz überwiegend Ungeimpfte treffen“, sagte Lambrecht dem Handelsblatt. „Deswegen ist jede Bürgerin, jeder Bürger dringend aufgefordert, sich jetzt impfen zu lassen.“
Nur so könne man sich vor dem Risiko einer schweren Erkrankung schützen, betonte die Ministerin. Der Impfstoff stehe in ausreichender Menge zur Verfügung, sei inzwischen millionenfach erprobt, wirksam und sehr sicher, wie alle Studien belegten. „Alle Argumente und Fakten sprechen für die Impfung.“
Zuvor hatte auch schon Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) alle Bürger, die sich noch nicht gegen das Coronavirus haben impfen lassen, dazu aufgerufen, dies nachzuholen. „Wir erleben im Moment eine Pandemie der Ungeimpften“, sagte Spahn am Mittwoch im Bundestag. Um sicher durch die vierte Corona-Welle zu kommen, brauche es noch eine höhere Impfquote.
„Bitte machen Sie mit“, appellierte der Minister an alle Ungeimpften. Ob man sich impfen lasse oder nicht, sei eine persönliche, freie Entscheidung. Wer sich impfen lasse, schütze sich selbst – aber eben auch diejenigen, die sich nicht impfen lassen könnten wie Kinder unter zwölf Jahren.
Der Präsident des Ifo-Institut, Clemens Fuest, stuft die derzeitigen Risiken für die deutsche Wirtschaft angesichts des Impffortschritts deutlich geringer ein. „Aus ökonomischer Sicht ist die Lage wegen der schon recht weit fortgeschrittenen Impfungen anders zu beurteilen als noch im Frühjahr dieses Jahres“, sagte Fuest dem Handelsblatt. Zweifellos gingen von den zunehmenden Corona-Infektionen noch immer „erhebliche wirtschaftliche Risiken“ aus, vor allem weil viele Menschen, auch Geimpfte, aus Sorgen vor Ansteckung ihr Verhalten entsprechend anpassten und beispielsweise Urlaubsreisen unterlassen oder Restaurants und Veranstaltungen meiden. „Diese ökonomischen Risiken sind aber deutlich geringer als in der Lage ohne Impfungen“, betonte Fuest.
Umstritten ist, inwieweit Ungeimpften Einschränkungen auferlegt werden sollen. Der Hamburger Senat hatte am Dienstag ein „2G-Optionsmodell“ beschlossen, das Freiheiten nur für Geimpfte und Genesene erlaubt.
Gastronomie, Clubs, Kneipen und Kultureinrichtungen in Hamburg können demnach ihre Kapazitäten von Samstag an nahezu wieder vollständig nutzen, sofern Ungeimpfte keinen Zutritt haben. Bereits seit Montag gilt in immer mehr Bundesländern „3G“: Zutritt zu vielen öffentlichen Innenräumen wird nur Geimpften, Genesenen oder Getesteten gewährt.
Lambrecht hält es für rechtlich zulässig, wenn etwa Restaurants selbst entscheiden, nur für Geimpfte und Genesene zu öffnen. Die Vertragsfreiheit ermögliche es privaten Anbietern, „hier weiter zu gehen und Angebote nur für bestimmte Personengruppen wie Geimpfte und Genesene zu machen“, sagte die Ministerin. „Hiermit können sie einen deutlich besseren Schutz ihrer Gäste und Mitarbeiter erreichen.“
Bundestag verlängert Corona-Sonderlage
Zugleich verteidigte die Ministerin die seit Montag geltende „3G-Regel“. „Das ist eine faire und verhältnismäßige Regelung, da sie auch Ungeimpften grundsätzlich weiter den Zugang ermöglicht – unter der Voraussetzung, dass sie einen negativen Test vorlegen“, sagte die SPD-Politikerin. „Weiter gehende staatliche Einschränkungen für Ungeimpfte halte ich in der aktuellen Situation für schwer zu rechtfertigen.“
Wer sich aber gegen eine Impfung entscheide, müsse die Konsequenzen tragen, sagte Lambrecht weiter. Um andere nicht zu gefährden, müssten sich Ungeimpfte in vielen Situationen testen lassen, solange das Infektionsgeschehen nicht abklingt. Für richtig hält die Ministerin außerdem, dass die Allgemeinheit bei Personen, die geimpft werden können, ab dem 11. Oktober nicht mehr für die Testkosten aufkommt.
Der Mittelstandsverbund ZGV kritisierte die Entscheidung, dass Corona-Schnelltests künftig kostenpflichtig sein sollen. „Mit dem finanziellen Rückzug aus dem Schnelltest dürfte auch der Pandemieverlauf über das Testen kaum noch nachvollziehbar sein“, sagte Verbands-Hauptgeschäftsführer Ludwig Veltmann dem Handelsblatt. Veltmann warf der Bundesregierung „aktionistisches“ Handeln vor, weil sie die Möglichkeiten der Nachverfolgung aus der Hand gebe. „Auch Geimpfte sind Virenträger, das lässt sich aber so gut wie gar nicht nachverfolgen.“
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält derweil bei starkem Infektionsgeschehen weiter gehende Einschränkungen für Ungeimpfte für notwendig. „Wenn die Fallzahlen weiter so rapide steigen, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, dann wird es notwendig werden, die Regeln für Ungeimpfte zu verschärfen“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Dazu zählt dann auch eine möglichst konsequente 2G-Regel, zumindest in den Bereichen, wo ein sehr hohes Risiko besteht.“
Der Bundestag hat unterdessen am Mittwochabend die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ vorerst für weitere drei Monate verlängert. Für den von der Koalition eingebrachten Antrag zur Verlängerung votierten 325 Abgeordnete. Dagegen stimmten 253 Parlamentarier, fünf enthielten sich. Die Sonderlage gilt damit vorerst bis Ende November.
Kritik an Grundrechtseinschränkungen
Ohne erneute Bestätigung des Parlaments läuft sie nach drei Monaten aus. Auf der festgestellten Lage basieren unter anderem Länder-Verordnungen zu Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen. Der Bund kann zudem bestimmte Verordnungen wie zur Impfstoffbeschaffung ohne Zustimmung des Bundesrats erlassen.
Gesundheitsminister Spahn sagte: „Die Pandemie ist leider noch nicht vorbei.“ Es gehe darum, dass die Länder und Behörden vor Ort eine Rechtsgrundlage für Maßnahmen wie Maskentragen in Bussen und Bahnen bräuchten, so lange es noch eine so hohe Zahl Ungeimpfter gebe. Ziel bleibe, eine Überlastung des Gesundheitswesens weiter zu vermeiden.
Der Bundestag hatte die Sonderlage erstmals im März 2020 festgestellt und dies zuletzt am 11. Juni bestätigt. Aus der Opposition kam teils scharfe Kritik.
FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus warnte vor einer „Fortführung der automatischen und undifferenzierten Grundrechtseingriffe“. Von einer Überlastung des Gesundheitswesens sei man dank des Impffortschritts weit entfernt. AfD-Chef Tino Chrupalla sagte, unter den gegebenen Umständen bestehe keine Notwendigkeit, die Grundrechte weiter einzuschränken.
Mehr: Zugangsverbote für Ungeimpfte: Was für die 2G-Regel spricht – und was dagegen
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
„Alle Argumente und Fakten sprechen für die Impfung.“
Aha, ich korrigiere „Alle Argumente und Fakten, die ich beachte sprechen für die Impfung.“
https://www.achgut.com/artikel/impfen_ja_oder_nein_ein_gespraech_mit_dr.jochen_ziegler - erst lesen und nicht direkt losmeckern, weil Henry Broder in der Redaktion sitzt.