Corona-Pandemie Kanzleramt erhöht Druck auf Ungeimpfte – Kretschmann schließt Impfpflicht nicht aus

Ein Fan des Fußballvereins Dynamo Dresden lässt sich zum Start der neuen Saison vor dem Spiel impfen.
Berlin/Düsseldorf Steigende Infektionszahlen entzweien selbst das Unionslager: Kanzlerkandidat Armin Laschet hat den Vorstoß von Kanzleramtschef Helge Braun abgelehnt, Geimpften künftig mehr Rechte als Getesteten zu geben.
Er lehne sowohl eine Impfpflicht als auch indirekten Druck auf Ungeimpfte ab, sagt der CDU-Chef im ZDF-Sommerinterview. Bisher gelte die Regel, dass Geimpfte, Genesene und Getestete etwa bei Veranstaltungen gleichgestellt seien. „Dieses Prinzip ist gut“, sagt Laschet.
Braun hatte gewarnt, dass „die Zahl der Neuinfektionen noch schneller steigt als in den vorherigen Wellen. Das macht mir große Sorge.“ Sollte dies anhalten, müssten Ungeimpfte ihre Kontakte wieder reduzieren. „Das kann auch bedeuten, dass gewisse Angebote wie Restaurant-, Kino- und Stadionbesuche selbst für getestete Ungeimpfte nicht mehr möglich wären, weil das Restrisiko zu hoch ist“, sagte er der „Bild am Sonntag“.
Auch Grünen-Parteichef Robert Habeck sprach sich für mehr Freiheiten für Geimpfte aus. Für die, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen könnten, müsse es Ausnahmen geben.
Hintergrund ist, dass die Sieben-Tage-Inzidenz seit zweieinhalb Wochen wieder kontinuierlich steigt. Am Sonntagmorgen lag sie nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bei 13,8 Infektionen pro 100.000 Bürger in der letzten Woche. Die Gesundheitsämter hatten binnen eines Tages 1387 Corona-Neuinfektionen gemeldet – 95 mehr als vor einer Woche. Zuletzt waren 49 Prozent der Bevölkerung vollständig und 61 Prozent mindestens einmal geimpft.
FDP nennt direkte oder indirekte Impfpflicht verfassungswidrig
Sollte die Impfquote nicht deutlich steigen oder sich das Verhalten der Bürger ändern, könne es im September jeden Tag 100.000 Neuinfektionen und eine Inzidenz von 850 geben, warnte Braun. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn hatte vor einer Inzidenz von 800 im Oktober gewarnt.
Scharfer Protest gegen eine direkte oder indirekte Impfpflicht kommt von den Liberalen: „Ich halte die Pläne des Kanzleramtsministers für verfassungswidrig“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki dem Handelsblatt. „Eine Zuteilung von Grundrechten abhängig vom Impfstatus ist mit unserer Freiheitsordnung nicht in Einklang zu bringen.“ Sobald alle Erwachsenen ein Impfangebot erhalten hätten, „sind sämtliche Maßnahmen aufzuheben“, fordert Kubicki.
„Freiheit verteilt in Deutschland nicht der Kanzleramtsminister“, sagte FDP-Vizeparteichef Johannes Vogel. Statt Grundrechte einzuschränken, sei es die zentrale Aufgabe der Regierung, bei der Impfkampagne voranzukommen. „Dafür brauchen wir noch viel mehr Kreativität als bisher: Flächendeckende Walk-in-Impfmöglichkeiten vor Ort und für alle zugelassenen Altersgruppen. Oder Werbung und Aufklärung zur Impfung zum Beispiel mit der Wahlbenachrichtigung zur Bundestagswahl“, sagte Vogel dem Handelsblatt.
Ministerpräsident Kretschmann will Impfpflicht nicht ausschließen
Groß ist die Gegenwehr gegen eine von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ins Spiel gebrachte Impfpflicht. „Das wäre das Gegenteil der pathetischen Beteuerungen von Jens Spahn und Angela Merkel, die diese Pflicht für alle Zeit ausgeschlossen haben“, sagte Kubicki. Wer diesen Weg weiterschreite und die Rücknahme der Grundrechtseinschränkungen immer wieder an neue Voraussetzungen knüpft, werde spätestens von den Verfassungsgerichten gestoppt.
Kretschmann hatte gesagt, er könne eine Impfpflicht inzwischen nicht mehr „für alle Zeiten ausschließen – es ist möglich, dass Varianten auftreten, die das erforderlich machen“. Es könne gut sein, „dass wir irgendwann gewisse Bereiche nur noch für Geimpfte zulassen“, sagte er und nannte die Masern als Beispiel: „Da gibts auch eine Impfpflicht für die Kitas, weil Masern höchst ansteckend sind – Impfen ist Bürgerpflicht.“
Der Vize-Fraktionschef der SPD im Bundestag, Dirk Wiese, warnte allerdings vor verfrühten „Drohkulissen“. „Kretschmann und Braun treibt offenbar die Sorge an, dass die Impfkampagne nicht genügend Erfolg hat“, sagte er dem Handelsblatt. „Ich finde, wir sollten jetzt erst mal weiter unermüdlich dafür sorgen, dass sich so viele Menschen wie möglich impfen lassen, bevor wir Drohkulissen aufbauen, die zudem verfassungsrechtlich mindestens fragwürdig sind.“
Es gebe noch viele Impfwillige, die sich noch nicht impfen lassen konnten, aus welchen Gründen auch immer. „Das müssen wir mit Beharrlichkeit und Kreativität ändern.“ Als Beispiel nannte er die Aktion „Die Impfung zu den Menschen bringen“ in Dresden, wo Dynamo-Dresden-Fans am Samstag im Vorfeld des ersten Heimspiels der neuen Saison eingeladen waren, sich impfen zu lassen – ebenso die Besucher der Museumsnacht 2021.
Das zweite große Streitthema sind Impfungen für Jugendliche und Kinder. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder etwa fordert eine Impfkampagne in den Schulen. Er wisse, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) skeptisch sei bei der Impfung von Jugendlichen ab zwölf Jahren. Man könne aber nicht warten, bis die Stiko ihre Meinung ändere. Die Impfquote müsse auf jeden Fall steigen. FDP-Vize Kubicki lehnt solche Pläne ab: „Kinder und Jugendliche sind von der Pandemie fast gar nicht betroffen – dafür aber umso mehr von den Maßnahmen.“
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) fordert, „dass der Bund gemeinsam mit den medizinischen Experten und der Stiko eine Strategie für die Impfung von Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren entwickelt“. Die aktuellen Empfehlungen „verunsichern viele Eltern von Kindern zwischen 12 und 16. Wir brauchen da klare Empfehlungen“, sagte sie dem Handelsblatt.
Ihr Heimatland prescht schon vor: Dort ist eine Impfaktion für alle Schüler ab 16 Jahren in Vorbereitung. Zudem fordert Schwesig „einen neuen Corona-Wert“: Neben der Inzidenz sollte auch die Lage in den Krankenhäusern berücksichtigt werden. Dass die Inzidenz nicht mehr das alleinentscheidende Kriterium sein kann, ist mittlerweile nahezu Konsens. Unklar ist jedoch, welche konkreten Werte stattdessen beziehungsweise in Kombination damit zum entscheidenden Gradmesser für neue Restriktionen werden sollen.
Neue Regeln für Reiserückkehrer?
Angesichts der Unklarheit über die weitere Strategie der Pandemiebekämpfung zeichnet sich ab, dass das ursprünglich erst für Ende August geplante Treffen der Ministerpräsidenten und -präsidentinnen mit der Bundeskanzlerin früher kommt. Das fordert nicht nur Schwesig, auch Söder will eine Konferenz schon in dieser Woche und hat bereits ein Vorgespräch mit den Unions-Regierungschefs am Dienstag angebahnt. Angela Merkel hatte klargemacht, dass sie dafür offen sei.
Thema der Länderchefs und der Kanzlerin müssten auch neue Regeln für Reiserückkehrer sein – das verlangen immer mehr Politiker. „Meines Erachtens sollten schon bei der Rückkehr aus einem Risikogebiet zwei Tests und eine Quarantäne bis zum zweiten Test verpflichtend sein“, sagte Schwesig. „In vielen Bundesländern steht der Schulstart bevor. Wir müssen sehr aufpassen, dass die Zahlen mit dem Ferienende nicht nach oben schnellen“, warnte sie.
Söder fordert Quarantäne-Regelungen für Reiserückkehrer schon ab kommendem Sonntag. „Die neuen Regeln für Reiserückkehrer müssen vom 11. September auf den 1. August vorgezogen werden, denn eine Quarantäne-Verordnung erst nach den Ferien ergibt keinen Sinn“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Der Vize-Fraktionschef der Union im Bundestag Thorsten Frei warnte indes vor Aktionismus: „Ein Vorziehen der Ministerpräsidentenkonferenz macht nur dann Sinn, wenn sich die Länder auch auf konkrete gemeinsame Schritte verständigen können.“
Mehr: Alle wichtigen Information über das Coronavirus im Newsblog
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man könnte den Besuch eines Restaurants auch auf Gäste mit einem Body-Mass-Index unter 25 beschränken um gesundheitliche Langzeitschäden in der Bevölkerung zu verhindern … (Sarkasmus)
Wieder nur Aktionismus und hysterische Annahmen was alles so sein könnte.
Es werden immer noch keine konkreten Zahlen erhoben, die für die Risikoeinschätzung notwendig wären.
Immer noch werden positiv Getestete mit Infizierten gleichgesetzt.
Die Panikmache fußt immer noch auf die uninteressante Inzidenz, was angeblich Konsens ist aber trotzdem sind nur diese Zahlen im Gespräch.
Basis aller Beschränkungen sind, unser Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen. Dieses Risiko bestand nachweislich zu keiner Zeit. Entsprechende Meldungen haben sich als Fake herausgestellt.
Die Anzahl der "Infizierten" steigt wohl, aber die Einweisungen in Krankenhäuser nicht - wo ist also das Problem? Kinder und Jugendliche sind nicht Treiber der sog. Pandemie, sondern leiden darunter. Warum also eine Impfung von Menschen, die fast kein Risiko tragen und bei Durchimpfung der gefährdeten Menschen auch kein Problem darstellen.
Die sog. Herdenimmunität können wir auch durch Infektionen junger Menschen bekommen, die kein höheres Risiko tragen als bei Grippeerkrankungen.
Also - alle Beschränkungen aufheben, damit die Schäden nicht noch schlimmer werden. Die meisten sog. Long-Covid-Probleme sind psychischer Art.