Corona-Pandemie Mehr Rechte für Geimpfte? Zweiklassengesellschaft ist in vielen Ländern Europas schon Realität

In Italien haben Gegner des sogenannten Grünen Passes gegen strengere Zutrittsregeln zu Restaurants und Bars als Reaktion auf die Corona-Pandemie protestiert.
Athen Die Angst vor der Delta-Welle und die fortschreitenden Impfkampagnen treiben auch die Debatte um die Privilegien für die Geimpften und Genesenen voran. Joe Biden – sonst eher zurückhaltend mit scharfer Rhetorik – sorgte neulich für eine handfeste Provokation.
Der US-Präsident sprach von einer „Pandemie der Ungeimpften“ und appellierte an die Bürgerinnen und Bürger: „Jede Spritze zählt.“ „Pandemie der Ungeimpften“ – da schwingt eine Schuldzuweisung mit an all jene, die sich weigern, den Ärmel hochzukrempeln.
Genau diese Debatte führen westliche Gesellschaften derzeit mit zunehmender Schärfe. Letztlich geht es um die Frage, welche Rechte Geimpfte haben werden und welche Rechte Ungeimpfte vorenthalten werden.
Ob gesetzliche Initiativen oder nicht, ob politisch intendiert oder nicht – längst ist die Zweiklassengesellschaft von Geimpften und Genesenen einerseits und Nicht-Geimpften andererseits Realität.
In all jenen Ländern, deren Impfquote jenseits der 50 Prozent liegt, findet ein oft schleichender Prozess statt, der den Geimpften Privilegien sichert – oder ihnen, je nach Sichtweise, Grundrechte zurückgibt. Meistens handelt es sich um westliche Länder. In den meisten asiatischen Staaten und vor allem natürlich in den Schwellen- und Entwicklungsländern sind die Impfkampagnen noch nicht so weit fortgeschritten, als dass es dort Debatten um die Privilegien der Geimpften geben könnte.
Italien: „Green Pass“ für Eintritt ins gesellschaftliche Leben
Ab diesem Freitag führt Italien einen verpflichtenden „Green Pass“ ein. Für fast alle Orte des öffentlichen Lebens braucht es dann mindestens eine Impfung, den Nachweis über eine Genesung oder einen Negativtest, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Die Zutrittsregeln gelten etwa für Theater, Konzerte, Museen, Schwimmbäder, Sportevents, Messen und die Innenräume der Gastronomie.
Im September könnten sie auch auf Schiffe, Fernzüge und Flugzeuge ausgeweitet werden – da ist sich die Regierung noch nicht einig. Am Donnerstag tagt dazu erneut das Kabinett und könnte auch eine Ausweitung des „Green Pass“ auf Lehrkräfte beschließen. Im September beginnt die Schule wieder, noch ist gut ein Fünftel der Lehrer nicht geimpft.
Für Kritiker wäre das eine Impfpflicht durch die Hintertür. Italien war schon im April eines der ersten Länder weltweit, das eine verpflichtende Impfung für das medizinische Personal eingeführt hatte. Dort tendiert die Impfquote heute Richtung 100 Prozent. Die meisten Italiener unterstützen den „Green Pass“, trotzdem protestierten in den vergangenen Wochen Tausende gegen die Zweiklassen-Gesellschaft.
Für Impfverweigerer könnte das Leben ziemlich teuer werden: 22 Euro kostet ein Coronatest in Italien.
Frankreich: Große Proteste gegen Zweiklassen-Gesellschaft
In vielen Bereichen des Alltags müssen die Franzosen künftig beweisen, dass sie vollständig geimpft oder genesen sind. Ebenfalls akzeptiert als Nachweis wird ein aktueller negativer Coronatest. Das Dokument, das zur Eintrittskarte in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens wird, ist der Gesundheitspass. Ihn gibt es entweder in Papierform oder digital als App auf dem Smartphone.
Bereits seit dem 21. Juli ist der Gesundheitspass bei allen Freizeit- und Kulturveranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern Pflicht. Das betrifft unter anderem Sportevents, Konzertsäle, Theater und Kinos. Ab voraussichtlich dem 9. August kommen weitere Bereiche hinzu: Dann muss der Gesundheitspass vorgezeigt werden, um Bars oder Restaurants zu besuchen.

Demonstration gegen die Impfpflicht für bestimmte Arbeitszweige.
Auch für Fahrten mit Fernzügen und Fernbussen wird der Nachweis erforderlich, ebenfalls bei Besuchen in Krankenhäusern und Altenheimen. Grundsätzlich soll der Corona-Passierschein für alle Franzosen ab zwölf Jahren gelten. Für Jugendliche unter 18 Jahren wurde die Frist allerdings auf Ende September verschoben.
Derzeit prüft das Verfassungsgericht das Gesetz. Regierungssprecher Gabriel Attal deutete an, dass die neuen Regeln zunächst nicht strikt umgesetzt würden.
Großbritannien: Kritik an der Impfpflicht durch die Hintertür
In Großbritannien bietet die App des nationalen Gesundheitsdienstes NHS seit einigen Tagen einen digitalen Covid-Pass. Es gibt vier Wege, um den Unbedenklichkeitsnachweis in Form eines QR-Codes zu bekommen: Impfung, negativer Test, überstandene Infektion oder Nachweis, dass man sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen kann.
Die Regierung überlegt, den Covid-Pass ab Oktober verpflichtend für den Eintritt in Nachtclubs und andere Veranstaltungsorte zu machen. Eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen, und es gibt erheblichen Widerstand in der konservativen Unterhausfraktion. Die Abgeordneten wollen eine Impfpflicht durch die Hintertür verhindern.
Erste Nachtclubs haben angekündigt, den Covid-Pass am Eingang zu verlangen. Einige Fußballclubs, darunter der FC Chelsea, lassen nur Geimpfte und Getestete ins Stadion. Da überall auch Schnelltests akzeptiert werden, die jeder zu Hause machen kann, haben Ungeimpfte im öffentlichen Leben aber bislang keine Nachteile.
Erste Unternehmen hingegen haben eine Impfpflicht eingeführt. So hat der Chef der Londoner Sanitärfirma Pimlico Plumbers seinen 400 Mitarbeitern mit Entlassung gedroht, wenn sie nicht bis Jahresende geimpft sind. Auch das Verlagshaus Bloomsbury verlangt die Impfung vor der Rückkehr ins Büro.
Die meisten Unternehmen halten jedoch nichts von einer Impfpflicht, weil sie rechtlich fragwürdig ist. Auch die Regierung ist gegen eine Impfpflicht, mit Ausnahme der Pflegeberufe: Ab November wird die Covid-Impfung eine der Voraussetzungen für den Job sein.
Griechenland: Strenge Kontrollen auch für Touristen
Auch in Griechenland brechen für Nichtgeimpfte schwere Zeiten an: Innenbereiche der Gastronomie, Kinos und Theater stehen nur noch Besuchern offen, die innerhalb der vergangenen sechs Monate von Covid-19 genesen sind oder eine mindestens 14 Tage zuvor abgeschlossene Impfung nachweisen können.
Der Nachweis erfolgt mit einem QR-Code der staatlichen Gesundheitsbehörde. Möglich wird das durch das zentrale Impfregister in Griechenland, das in Echtzeit alle Daten speichert und digitale Impfbescheinigungen erstellt. Mit einer App, die das griechische Ministerium für Digitalisierung zum Herunterladen bereitstellt, können die QR-Codes per Smartphone-Kamera ausgelesen und auf ihre Echtheit geprüft werden. Das ermöglicht eine schnelle Kontrolle am Eingang von Restaurants, Kinos und Theatern.
Ab Mitte August gilt eine Impfpflicht für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen und in den Pflegeeinrichtungen. Wer sich nicht impfen lässt, wird in unbezahlten Urlaub geschickt. Über eine Impfpflicht für Lehrerinnen und Lehrer sowie Beschäftigte in der Gastronomie ist noch nicht entschieden.
Die Regierung hat aber bereits angekündigt, dass Nichtgeimpfte in den Lehrberufen ab September, wenn die Sommerferien zu Ende gehen, sich alle drei Tage testen lassen müssen – auf eigene Kosten. Eine ähnliche Regelung könnte es in der Gastronomie geben.
Schon jetzt gilt die Testpflicht für alle Einheimischen und Touristen, die per Schiff oder Flugzeug vom Festland zu einer der griechischen Inseln reisen wollen oder von dort zurückkehren. Gefordert wird eine Laborbescheinigung über einen negativen PCR- oder Antigen-Schnelltest. Die Zertifikate werden genau geprüft.
Der für die Handelsmarine zuständige Minister Giannis Plakiotakis sagte am Dienstag, dass seit Einführung der Testpflicht Mitte Juli in den Häfen bereits über 12.000 Reisende zurückgewiesen wurden, weil sie keinen Nachweis hatten. Geimpfte und Genesene sind von der Testpflicht befreit.
USA: Firmen schaffen Fakten
Die Corona-Lage in den USA verschlechtert sich zunehmend. Die Zahl der Infektionen hat sich binnen vier Wochen verzehnfacht, mancherorts füllen sich wieder die Intensivstationen. Zwar haben bereits 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung mindestens eine Dosis der Impfstoffe erhalten. Aber nur 49,7 Prozent der Erwachsenen sind vollständig geimpft.
Fakt ist: Die Geimpften genießen bereits jetzt Privilegien. New York schrieb am Dienstag Restaurants, Bars, Fitnessstudios und anderen Einrichtungen vor, Impfausweise der Kunden zu kontrollieren. Es ist die erste Stadt in den USA, die das anordnet, nachdem New York zum frühen Epizentrum der Pandemie geworden war. „Wenn Sie voll am gesellschaftlichen Leben teilnehmen wollen, dann müssen Sie sich impfen lassen“, stellte New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio klar.
Immer mehr Unternehmen zwingen ihre Mitarbeiter ebenfalls, sich impfen zu lassen. So hat Walmart, der größte private Arbeitgeber der USA, mitgeteilt, dass für die Mitarbeiter in der Zentrale in Bentonville im US-Bundesstaat Arkansas eine Impfpflicht gilt.
Der New Yorker Immobilienentwickler Related will Mitarbeiter entlassen, die sich nicht bis Ende August mindestens eine Impfung geben lassen. Der Vermögensverwalter Vanguard versucht es unterdessen mit monetären Anreizen und zahlt geimpften Mitarbeitern 1000 Dollar. Gleiches gilt für alle neu Eingestellten.
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Was soll dieses Gejammere?
Ungeimpft zu sein ist doch in Europa kein Schicksal mehr (abgesehen von Kindern und wenigen Personen, die sich leider nicht impfen lassen können). Jeder kann doch in diesem Fall selber entscheiden, zu welcher "Klasse" er gehören will.
Geimpfte tragen doch schon ein Zeichen, sie lächeln