Corona-Pandemie No-Go oder nötige Schutzmaßnahme: Streit über Abfrage von Impfstatus bei Mitarbeitern

Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will ein Ende der epidemischen Notlage. Nicht überall findet er dafür Zuspruch.
Berlin, Düsseldorf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat mit seinem Vorschlag, Arbeitgebern zumindest befristet die Abfrage des Impfstatus ihrer Beschäftigten zu ermöglichen, eine heftige Debatte ausgelöst. „Die Forderung nach Selbstauskunft über den eigenen Impfstatus ist ein No-Go“, sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
Bei allem Werben für eine höhere Impfquote müsse klar sein, dass Gesundheitsdaten der Beschäftigten dem Datenschutz unterlägen. Dagegen betonte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, Unternehmen bräuchten jetzt eine klare Ansage, dass sie den Impfstatus ihrer Beschäftigten erfragen dürfen, „um die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit aller ihrer beschäftigten Mitarbeiter sicherzustellen“.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und der CDU-Arbeitnehmerflügel unterstützen die Position der Arbeitgeber. Altmaier sagte am Dienstag in Berlin, an vielen Orten in Deutschland müssten die Bürgerinnen und Bürger Auskunft geben über ihren Status, um Zutritt zu erlangen etwa zu Restaurants. „Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass auch im betrieblichen Arbeitsprozess, dort, wo Auskünfte über den Impfstatus notwendig sind und sinnvoll sind, um die innerbetrieblichen Abläufe zu erleichtern, diese Auskünfte gegeben werden sollen.“ Er werde sich dafür in der Bundesregierung einsetzen.
Der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, kann zwar die Bedenken des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) nachvollziehen. „Gesundheitsdaten gehören zum Arbeitnehmerdatenschutz, sodass der Arbeitgeber auf die Impfung der Beschäftigten grundsätzlich keinen Zugriff haben darf“, sagte Bäumler dem Handelsblatt.
In der Corona-Pandemie betreffe die Impfung aber auch die anderen Beschäftigten in einem Unternehmen. „Deshalb sollte eine solche Abfrage auf die Pandemielage befristet ermöglicht werden“, sagte Bäumler. Der CDA-Vize hält eine gesetzliche Regelung für notwendig. Außerdem forderte Bäumler die Einbeziehung des Betriebsrats in die Entscheidung über die Impfabfrage.
Spahn hatte am Montag in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ gesagt, er sei gerade hin- und hergerissen, ob man das Gesetz ändern solle, damit Arbeitgeber zumindest für die nächsten sechs Monate nach dem Impfstatus fragen dürften. So werde es im Restaurant ja auch gemacht.
In dem von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegten Entwurf für die Verlängerung der Corona-Arbeitsschutzverordnung, über den das Handelsblatt bereits in der vergangenen Woche berichtet hat, ist vorgesehen, dass ein Arbeitgeber bei Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes einen ihm bekannten Impf- oder Genesenenstatus der Beschäftigen berücksichtigen kann.
„Ein Auskunftsrecht des Arbeitgebers über den Impf- oder Genesenenstatus der Beschäftigten ergibt sich aus dieser Bestimmung jedoch nicht“, heißt es in der Begründung für die Verordnung, die das Bundeskabinett an diesem Mittwoch verabschieden soll.
Arbeitsminister Heil betonte im Inforadio des RBB, dass ein Auskunftsrecht wegen der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten nicht gegeben sei. „Aber wenn Jens Spahn einen konkreten Gesetzesvorschlag für das Infektionsschutzgesetz macht, dann kann ich mir das angucken“, ergänzte der SPD-Politiker.
Das Gesundheitsministerium verwies auf Anfrage nur auf die Äußerungen von Ressortchef Spahn bei „Hart aber fair“. In den Regierungsfraktionen gibt es darüber hinaus offenbar Überlegungen, die in den Krankenhäusern geltende Auskunftspflicht für medizinisches Personal auf Pflegeheime auszudehnen.
Datenschützer: Impfstatusabfrage nur in begrenzten Fällen möglich
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall kritisiert, dass in dem vorgelegten Entwurf des Arbeitsministeriums keine Klarstellung für alle Arbeitnehmer vorgenommen wurde. „Das ist nicht nachvollziehbar“, heißt es in der Stellungnahme zur Verlängerung der Verordnung. Die in der Corona-Arbeitsschutzverordnung enthaltenen Ausnahmeregelungen für Geimpfte und Genesene erwiesen sich so als „völlig praxisuntauglich und sind reine Makulatur“.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber rief die Bundesregierung zum Handeln auf. „Wir brauchen eine bundeseinheitliche Regelung, ob und inwieweit Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber den Impf- und Teststatus ihrer Beschäftigten erfragen dürfen“, sagte Kelber dem Handelsblatt. „Der Verordnungsgeber ist jetzt in der Pflicht, hier schnell eine Lösung zu finden, die keinen weiteren Flickenteppich erzeugt.“
Je nachdem, ob man sich für 2G (geimpft, genesen) oder 3G (geimpft, genesen, getestet) entscheide, rät Kelber zu datenschutzfreundlichen Regeln. Denn die Arbeitgeber müssten nicht wissen, welchen konkreten Status ihre Beschäftigten haben. „Dazu sind wir bereits in der Beratung mit den entsprechenden Ministerien“, sagte Kelber.
Nach geltendem Recht ist es bisher nur in eng begrenzten Fällen möglich, dass Arbeitgeber Mitarbeiter nach ihrem Corona-Impfstatus fragen dürfen. Der Impfstatus sei eine besonders geschützte, sensible und sehr private Information, sagte Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragter Stefan Brink dem Handelsblatt.

Der Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit in Baden-Württemberg findet, dass Gesundheitsdaten für jeden Arbeitgeber „tabu“ seien.
„Nur in ganz wenigen Berufen der Gesundheitsbranche, wo Beschäftigte notwendig mit Personen in engen Kontakt kommen, die sich vor Corona nicht wirksam selbst schützen können, sieht unser Infektionsschutzgesetz eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor und erlaubt dem Arbeitgeber die Frage nach dem Impfstatus.“ Dies jetzt undifferenziert auszuweiten, wäre ein „massiver Tabubruch“, mahnte Brink.
Brink gab zu bedenken, dass Gesundheitsdaten für jeden Arbeitgeber „tabu“ seien. „Er darf weder fragen noch wissen, unter welchen Krankheiten ein Beschäftigter leidet, auch nicht, ob er geimpft ist oder nicht.“ Es bleibe zudem völlig unklar, was Arbeitgeber mit dieser „höchstpersönlichen Information“ anfangen wollten.
Brink sieht im Fall einer Abfrage des Mitarbeiter-Impfstatus vielmehr die Gefahr, dass Arbeitgeber auf diese Weise Druck auf Nicht-Geimpfte ausübten. Dies widerspreche aber der freien Entscheidung eines jeden, über eine Impfung selbst zu entscheiden.
Keine Privilegien für Geimpfte bei der Arbeit
„Wenn man mit der Impfquote in Deutschland unzufrieden ist, dann sollte man besser über eine Impfpflicht nachdenken, anstatt den Druck auf Ungeimpfte über den Arbeitgeber zu erhöhen“, sagte der Datenschützer. Abgesehen davon verbiete derzeit die Arbeitsschutzverordnung „eindeutig“, zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften im Betrieb zu unterscheiden.
Geimpfte dürften nicht von der Pflicht zum Maskentragen befreit werden, auch an Abstandsgebote und Hygienepflichten müssten sich alle Beschäftigten in gleicher Weise halten. Die schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Marit Hansen sieht die Politik am Zug, für Klarheit zu sorgen, wenn 2G- oder 3G-Regeln am Arbeitsplatz oder für bestimmte berufliche Einsatzbereiche gelten sollen. „Dann brauchen wir eine gesetzliche Klarstellung, für welche Zwecke Arbeitgeber solche Daten von ihren Beschäftigten erfragen und verarbeiten dürfen und wann die Daten zu löschen sind.“
Darauf weist auch der Hamburger Datenschützer Ulrich Kühn hin. „Wenn die Abfragebefugnis auf andere Bereiche ausgeweitet werden soll, ist eine entsprechende gesetzliche Grundlage zu schaffen“, sagte Kühn.
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und seine Verpflichtung, für einen sicheren Arbeitsplatz zu sorgen, verpflichteten ihn, bestmöglich auf die Pandemie zu reagieren, sagt dagegen der Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, Gregor Thüsing. „Dazu gehört auch die Frage nach dem Impfstatus. Mit dem Datenschutz ist das vereinbar.“
Was zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sei, das dürfe auch gefragt werden. „Den Schutz der Gesundheitsdaten über den Schutz der Gesundheit selbst zu stellen, ist der falsche Weg“, betont Thüsing.
Umfrage: Dax-Firmen sind sich uneinig
Die hiesigen Unternehmen sind bei der Frage nach der Offenlegung des Impfstatus geteilter Meinung, zeigt eine Handelsblatt-Umfrage unter einem Dutzend Dax-Firmen. Die Deutsche Börse zählt zu den Befürwortern: Wenn man Beschäftigte fragen dürfe, ob sie gegen Covid-19 geimpft sind, würde das die „bestehenden Sicherheitsmaßnahmen um einen weiteren zuverlässigen Faktor ergänzen, damit die Kollegen beruhigt an ihren Arbeitsplatz zurückkehren und sich auch im Berufsleben ein Stück Normalität zurückerobern können”.
Bayer argumentiert, die Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz „passgenauer und effektiver gestalten” zu können, wenn sie den Impfstatus der Beschäftigten kennen würden.

Reinhold von Eben-Worlée unterstützt Spahns Vorstoß.
Auch Mittelstandsvertreter Reinhold von Eben-Worlée unterstützt Spahns Vorstoß: „Schließlich weiß inzwischen jedes Hotel und jedes Restaurant wer geimpft ist und wer nicht. Das gleiche Recht sollte auch den Unternehmen eingeräumt werden, bis die Pandemie bewältigt ist”, so der Chef des Hamburger Chemieunternehmens Worlée und Präsident des Familienunternehmer-Verbands.
Es würde gerade die größeren Familienunternehmen „organisatorisch sehr entlasten”, wenn sie den Impfstatus ihrer Mitarbeiter erfragen dürften. Von Arbeitgebern dürfe aber kein innerer Druck auf die nicht geimpften Mitarbeiter ausgehen.
Viele der angefragten Unternehmen wollen sich zu diesem politischen Thema nicht äußern. Sie haben entweder gar nicht geantwortet oder kommentieren die Überlegungen nicht. „Bei Siemens gelten nach wie vor für alle – unabhängig vom Impfstatus – dieselben Schutz- und Hygienevorschriften”, teilt etwa der Münchner Dax-Konzern mit.
Man halte sich an gesetzliche Regelungen. Ähnlich äußerte sich auch Henkel. Die Allianz gibt sich diplomatisch: „Es sprechen gute Gründe dafür, aber auch gute Gründe dagegen.” Man wolle dem Gesetzgeber nicht vorgreifen.
Mehr: Startschuss für die Impfpflicht in den USA – Deutsche Konzerne setzen noch auf Freiwilligkeit
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.