Corona-Regeln im Bundestag Erste Bundestagssitzung: Die Angst vor dem AfD-Eklat

Am Dienstag kommt der Bundestag zum ersten Mal nach der Bundestagswahl zusammen.
Berlin Am Dienstag kommt der neue Bundestag zum ersten Mal zusammen. Normalerweise ist dies ein Festakt. Aber die konstituierende Sitzung des 20. Deutschen Bundestags findet wegen Corona unter außergewöhnlichen Umständen statt.
Im Bundestag und unter Abgeordneten ist die Sorge groß, die AfD könnte die Corona-Rahmenbedingungen für einen Eklat nutzen – und Abgeordnete der Fraktion sich öffentlichkeitswirksam unter Gewaltanwendung der Bundestagspolizei aus dem Plenarsaal entfernen lassen.
Bei der konstituierenden Bundestagssitzung wird im Parlament die 3G-Regelung gelten. Das heißt: Nur wer geimpft, genesen oder negativ getestet ist, darf den Plenarsaal betreten.
Jeder Abgeordnete, der diese Bedingungen erfüllt, erhält ein gelbes Bändchen ums Handgelenk, das dieses Mal neben der Wahl die weitere Eintrittskarte für den Plenarsaal ist. Alle anderen Abgeordneten, die nicht die 3G-Regeln erfüllen, müssen mit Maske und Abstandsregeln Platz auf der Tribüne nehmen, dürfen aber sonst regulär an der Sitzung teilnehmen.
Die AfD-Fraktion sicherte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) zu, sich widerwillig an der 3G-Regelung zu beteiligen. Doch für einzelne Abgeordnete könne er seine Hand nicht ins Feuer legen, soll AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla nach Informationen aus dem Bundestag erklärt haben.
Bundestagspolizei will durchgreifen
So war das auch schon in der vergangenen Legislaturperiode, als einzelne AfD-Abgeordnete Coronaregeln missachteten. Mehrere Parlamentarier verstießen gegen die Maskenpflicht. Diese gilt im Bundestag seit dem 6. Oktober. Abgeordnete können den Mund-Nase-Schutz aber abnehmen, wenn sie – im Plenarsaal und in Sitzungsräumen – Platz genommen haben oder am Rednerpult stehen.
Chrupalla selbst hat sich mit dem Coronavirus infiziert und ist daher nicht an bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages dabei, wie seine Fraktion mitteilte.
Einige Parlamentarier hatten Bundestagspräsident Schäuble sogar zwingen wollen, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, in der er zusagt, die Anordnung zur Maskenpflicht in allen Gebäuden des Bundestags zurückzunehmen. Dies wies Schäuble jedoch strikt zurück.
Abgeordnete der AfD-Fraktion hatten zudem beim Bundesverfassungsgericht eine Organklage wegen der Maskenpflicht eingereicht. Monate später zogen sie ihre Klage wieder zurück.
Bei der konstituierenden Sitzung könnten nun wieder einzelne AfD-Abgeordnete mit Blick auf die 3G-Regelung für Provokationen im Bundestag sorgen. Einige haben bereits erklärt, nicht geimpft zu sein. Ob sie sich testen lassen, sei offen, heißt es aus dem Bundestag.
Die Sorge ist, dass diese AfD-Abgeordneten vor laufenden Kameras versuchen, sich in der Traube der 735 Abgeordneten mit in den Plenarsaal zu drängen. Das will die Bundestagsverwaltung unter allen Umständen verhindern. Denn dann wäre der gesamte Plenarsaal bei der konstituierenden Sitzung kontaminiert.
Die Bundestagspolizei will deshalb, so ist es aus dem Bundestag zu hören, notfalls unter Anwendung aller Mittel verhindern, dass sich Abgeordnete ohne gelbes Bändchen Zutritt zum Plenarsaal verschaffen, und diese notfalls begleitet auf die Tribüne führen. Doch wenn Abgeordnete von Polizisten quasi abgeführt werden, würde das für äußerst unschöne Bilder sorgen.
Weitere Störfeuer möglich
Schon jetzt liefen die Vorbereitungen für die erste Sitzung des Bundestags coronabedingt alles andere als gewöhnlich – und optimal. So hat der Bundestag für die Sitzung am Dienstag auf den Tribünen Platz für Dutzende Abgeordnete freigehalten. Vor allem für den Fall, dass sich einige Parlamentarier im Laufe der Sitzung im Plenum zu beengt fühlen und auf die Tribüne wechseln wollen.
Deshalb musste der Bundestag vielen Gästen ihre Teilnahme an der konstituierenden Sitzung absagen. Wenn die Abgeordneten die Möglichkeit aber nicht nutzen, dürften sich manche zu Hause an den Bildschirmen fragen, warum ihnen abgesagt wurde, während gleichzeitig so viele Sitze auf den Tribünen frei sind.
Und Bilder von freien Tribünenplätzen bei der ersten Sitzung des Bundestags sind grundsätzlich nicht schön, zeugen sie doch von einem angeblichen, in diesem Fall aber nicht vorhandenen, Desinteresse.
Neben dem Zugang zum Plenum werden im Bundestag noch weitere Störfeuer der AfD durchgespielt. So muss der Bundestag die 3G-Regelung zu Beginn der Sitzung kurz beschließen. Die AfD könnte beantragen, darüber erst einmal diskutieren zu lassen.
Und noch ein weiteres Störmanöver ist denkbar. So ist nicht auszuschließen, dass einzelne AfD-Abgeordnete einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin zu Bärbel Bas (SPD) als Bundestagspräsidentin aufstellen. Hier ist offenbar die Regelung nicht ganz eindeutig, ob nur eine Fraktion einen Kandidaten aufstellen oder auch ein einzelner Abgeordneter dies tun kann.
Der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki sieht indes der ersten Parlamentssitzung gelassen entgegen. „Ich erwarte keinen Eklat“, sagte der Abgeordnete und bisherige Bundestagsvizepräsident dem Handelsblatt. „Die Geschäftsordnung des Bundestages eröffnet im Übrigen alle Handlungsoptionen“, fügte er hinzu.
Mehr: Wirtschaft in Sorge: Unternehmer sind im Bundestag rar – Sechs Neulinge im Porträt
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Hallo Herr Josef Müller
bzgl. Ihres Kommentars am 25.10.2021, 16:53 Uhr:
Ich halte nichts davon, mit neuen Gesetzen nach Leuten zu werfen. Wir haben bereits ein Gesetz, nämlich das Infektionsschutzgesetz. Dort sind ja Strafen für solche Verstöße vorgesehen. Diese gelten für alle und müssen auch auf die AfD-Abgeordneten angewendet werden. Ob sie eine Strafe zahlen oder ob die Strafe in der Kürzung der Diäten liegt, ist ja nebensächlich.
Etwas Anderes fällt mir auf, sowohl in der Berichterstattung als auch im Kommentar: Man lässt sich von einigen wenigen Querulanten provozieren und damit auch vorführen. Gleichzeitig hat man Angst davor, vorgeführt zu werden. Ein erwachsener Umgang mit der AfD sieht meiner Meinung nach anders aus.
Nur mal so eine Idee: Wie wäre es, wenn man bei jedem einzelnen 3G-Regel-Verstoß dem betreffenden Abgeordneten die Diäten kürzt. Das würde disziplinierend wirken und käme auch uns Steuerzahlern zugute.