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Corona Spahn sieht 3G-Regel in Fernzügen nicht kommen – Große Mehrheit jedoch dafür

Die Regierung hat eine Testpflicht für Ungeimpfte in Zügen geprüft. Das Vorhaben könnte zu unpraktisch sein. Dabei wollen fast zwei Drittel der Deutschen diese Regel.
29.08.2021 Update: 30.08.2021 - 07:14 Uhr 1 Kommentar
Bald schärfere Regeln für Bahn-Reisende? Quelle: dpa
Hauptbahnhof Frankfurt am Main

Bald schärfere Regeln für Bahn-Reisende?

(Foto: dpa)

Berlin, Paris Fast zwei Drittel der Deutschen (64 Prozent) finden es richtig, wenn nur noch Corona-Geimpfte, -Genesene oder -Getestete (3G) Fernzüge nutzen dürfen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Handelsblatts. 31 Prozent der Befragten sprachen sich hingegen gegen die Regel aus, fünf Prozent waren unentschieden. Repräsentativ befragt wurden im Zeitraum vom 27. bis 28. August rund 5000 Wahlberechtigte ab 18 Jahren.

Vor allem Wähler der SPD (78 Prozent), der Union (76 Prozent) und der Grünen (75 Prozent) sprachen sich in der Umfrage für eine 3G-Regel in Fernzügen aus. Unter FDP-Wählern (52 Prozent) und AfD-Wählern (20 Prozent) war die Zustimmung am niedrigsten. Über-65-Jährige waren mit 77 Prozent dafür, in der Gruppe zwischen 18 und 29 Jahren war es hingegen nur jeder Zweite.

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Freitag bestätigt, dass die Bundesregierung im Kampf gegen die Pandemie eine 3G-Regel für Fernzüge prüfe. Es müsse alles getan werden, um die hohen Corona-Fallzahlen einzudämmen, betonte Seibert.

Vor allem bei jungen Menschen zwischen null und 14 Jahren gebe es derzeit hohe Ansteckungszahlen, sie könnten sich in den meisten Fällen noch gar nicht impfen lassen. Die Bundesregierung prüfe deshalb, ob die 3G-Regel auch in Fernzügen und im inländischen Flugverkehr angewendet werden könne.

Nach den Worten von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wird die Regel wohl nicht eingeführt werden. Der CDU-Politiker sagte am Sonntagabend bei Bild TV: „Ich sehe es nicht kommen.“ Dies sei das Ergebnis einer Prüfung durch die Fachressorts. Dabei sei es um die Frage gegangen, ob eine solche Regel in Zügen eine Rechtsgrundlage habe, ob sie praktikabel und umsetzbar sei und ob sie infektiologisch erforderlich sei.

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In Deutschland gilt die 3G-Regel bislang nur bei Auslandsflügen und in einigen Bereichen des öffentlichen Lebens – etwa beim Restaurantbesuch in Innenräumen. Nach Informationen des Handelsblatts aus Regierungskreisen geht die Initiative für diese Regelung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) aus. Er habe das Thema im Corona-Kabinett zur Sprache gebracht. Merkel habe daraufhin gesagt, das Verkehrsministerium könne die Möglichkeiten prüfen.

Große Zurückhaltung im Verkehrsministerium

Im Verkehrsministerium war die Zurückhaltung jedoch groß. Zum einen gibt es mehrere Studien, auch vom Robert Koch-Institut (RKI), die zeigen, dass Masken in der Bahn und in Zügen schützen und das Infektionsgeschehen deutlich verringern. Zum anderen gibt es die Auffassung des Justizministeriums, dass es gar keine Rechtsgrundlage für eine solche Verordnung gibt. Die Regelungen im Infektionsschutzgesetz beziehen sich allein auf den internationalen Reiseverkehr.

Darüber hinaus war das Verkehrsministerium skeptisch, was die Kontrollmöglichkeiten angeht. So gebe es datenschutzrechtliche Fragen, wenn ein Bahn-Kunde eine Fahrkarte kaufe und dann seinen Impfstatus nachweisen müsse. Das umso mehr, da Transportleistungen zur Daseinsvorsorge gehören.

Vor allem aber dürften die Bahn-Gewerkschaften auf die Barrikaden gehen, wenn ihre Mitglieder nicht nur Fahrkarten, sondern auch Hygieneregeln kontrollieren müssen. Das haben sie bereits im Dezember deutlich gemacht, als es um die Kontrolle der Maskenpflicht ging.

Über 800 Fernzüge bewegt allein die Deutsche Bahn täglich. Hinzu kommen die Züge der privaten Anbieter wie etwa Flixtrain. Wie dort überprüft werden soll, dass nur Getestete, Geimpfte oder Genesene an Bord gehen, ist völlig unklar.

Kristian Loroch, Vorstandsmitglied der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), warnte bereits: „Die Einführung der 3G-Regelung im Fernverkehr darf nicht auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgen. Für solche staatlich verordneten Kontrollen ist auch der Staat zuständig, etwa durch die Bundespolizei.“

Hinzu komme, dass die Deutsche Bahn das Personal in den Zügen reduzieren wolle, was ohnehin zu einer erhöhten Belastung für die Beschäftigten führen werde. „Eine 3G-Kontrolle würde diese Situation weiter verschärfen und ist deshalb für uns nicht tragbar“, sagte Loroch. Die EVG begrüße Maßnahmen, die der Pandemie entgegenwirken. Allerdings müssten diese Maßnahmen auch umsetzbar und praktikabel sein.

Weder bei Lufthansa noch bei der Deutschen Bahn wollte man sich auf Anfrage zu den Überlegungen äußern. Im Luftverkehr wären von einer solchen Regelung ausschließlich die Inlandsflüge betroffen. Wer aus dem Ausland nach Deutschland einreist, muss bereits seit Längerem verpflichtend einen Negativtest vorweisen können. Da hier sowieso Zugangskontrollen erfolgen, wäre eine Kontrolle der 3G-Vorgaben wahrscheinlich umzusetzen.

Inzwischen ist ausreichend Impfstoff vorhanden. Quelle: dpa
Impfzentrum

Inzwischen ist ausreichend Impfstoff vorhanden.

(Foto: dpa)

Kirsten Lühmann, Bundestagsabgeordnete der SPD und Aufsichtsrätin der Deutschen Bahn AG, lehnt die Pläne ab. „Diese Regel brauchen wir nicht“, sagte sie dem Handelsblatt. Die Luft werde im Zug „alle siebeneinhalb Minuten ausgetauscht“. Sie verwies zudem auf die bestehende Maskenpflicht, die bereits gut umgesetzt werde.

„Für die Sicherheit reicht das aus“, sagte Lühmann. Die zusätzliche Sicherheit durch Tests stünde „in keinem Verhältnis zum Aufwand“. Lühmann, zugleich stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Beamtenbunds, ist sich sicher. „Wir können dem Zugpersonal die Überwachung nicht zumuten.“

Druck auf Ungeimpfte steigt

Auch an anderer Stelle steigt der Druck auf Ungeimpfte. In Baden-Württemberg drohen ihnen schon Anfang September neue Einschränkungen. „Wenn 200 bis 250 Intensivbetten belegt sind, erwägen wir erste Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte Erwachsene zu erlassen“, sagte Uwe Lahl, Amtschef im Ministerium, der Deutschen Presse-Agentur. Die Grenzwerte könnten nach Prognosen des Landesgesundheitsamtes bereits Ende dieser Woche erreicht werden Der Grund seien unter anderem Reiserückkehrer aus dem Ausland.

Die Landesregierung erwäge laut Lahl Maßnahmen, „die man schon aus den Lockdowns der zweiten und dritten Welle kennt, etwa dass sich nur zwei Familien treffen dürfen“.

Das Ministerium rechnet damit, dass etwa drei Millionen ungeimpfte Erwachsene von diesen Einschränkungen betroffen wären. „In dieser Situation muss man als Landesregierung etwas machen. Ich sehe keine Alternative.“ Das Konzept müsse aber noch in der grün-schwarzen Regierung abgestimmt werden.

Würde die Zahl von 300 Intensivbetten überschritten, könne für eine Zeit 2G für Ungeimpfte eingeführt werden. Das würde bedeuten, dass nur noch Geimpfte oder Genesene ins Restaurant oder ins Konzert dürfen, erläuterte der Ministerialdirektor.

Auch die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sprach sich dafür aus, Geimpften und Genesenen schon jetzt mehr Freiheiten zu geben als Ungeimpften. Wenn jemand nicht solidarisch mit etwa Kindern oder chronisch Kranken sei, „dann kann er oder sie nicht erwarten, dass alle anderen auf ihre Freiheit verzichten“, sagte sie der Funke Mediengruppe.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erteilte der Forderung nach weiteren Einschränkungen für Ungeimpfte hingegen vorerst eine Absage. Der nordrhein-westfälische Städtetag hatte sich dafür ausgesprochen, dass der Freizeitbereich nur noch für Geimpfte und Genesene (2G) zugänglich sein solle – statt wie bisher auch für Getestete (3G). „Ich möchte zum jetzigen Zeitpunkt nicht 2G. Ich möchte jetzt erst einmal beim Testen bleiben“, sagte Laumann.

Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Sonntagmorgen auf 74,1 – am Vortag hatte der Wert 72,1 betragen, vor einer Woche 54,5.

Mehr: Kommentar: Wer sich nicht impfen lässt, muss sich eben einschränken

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1 Kommentar zu "Corona: Spahn sieht 3G-Regel in Fernzügen nicht kommen – Große Mehrheit jedoch dafür"

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  • Es ist mit dem Impfen so, wie mit jedem Wirtschaftsgut. Als die Impfstoffe knapp und nicht verfügbar waren hat "alle Welt" geschrieben und moniert, dass man viel früher bestellen hätten müssen (was nichts geholfen hätte), die Regierung hat versagt etc. Es war knapp und "alle" wollten es habe. Heute ist genug vorhanden und der "Preis" verfällt, d.h. das Interesse nimmt rapide ab. Man muss also wieder den Anreiz erhöhen.
    Heute schleicht sich die Impfpflicht durch die Hintertür in unser Leben und das ist auch richtig so. Der Anreiz wird wieder höher, weil man will ja am Leben teilnehmen. Warum sollen denn diejenigen, die sich unter Mühen eine rechtzeitige Immunisierung erworben haben die Nachteile in in kauf nehmen, die nur für umgeimpfte gelten? Also die 3G oder besser die 2G Regel sollte der Standard werden, dann haben alle Impfgegner noch immer die Freiheit sich nicht impfen zu lassen, müssten aber ein paar Nachteile in Kauf nehmen. Das ist für diese Menschen ja sicherlich auch kein Problem, weil Sie Ihre Überzeugung haben, dass das richtig ist.
    Das muss und kann dann ja jeder für sich entscheiden und die Konsequenzen akzeptieren.

    Die Regierung muss jedenfalls die Maßstäbe neu definieren, da sie zu Beginn der Pandemie versäumt hat eine Impflicht im Sinne der Volksgesundheit einzuführen. Denn was ist wichtiger ein paar Persönlichkeitsrechte auf Zeit einschränken oder die Gesundheit der Menschen? Die Rechte verliert man ja nicht wirklich, denn sie bleiben erhalten für alle anderen Bereich des Lebens, wie Reisen, eigene Meinung, Wahlrecht usw.


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