Corona-Strategie Bund-Länder-Gipfel: Ministerpräsidenten wollen mehr Anreize fürs Impfen schaffen

Geimpfte dürften keine Nachteile haben, nur weil andere zu bequem seien, sich impfen zu lassen, betont Laschet.
Berlin Die Corona-Infektionszahlen steigen, die Impfbereitschaft sinkt – am Dienstag wollen deshalb Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten über das weitere Vorgehen in der Pandemie beraten. Es dürften schwierige Gespräche werden, mal wieder.
Die Verhandlungslinie der unionsregierten Länder hat die Kanzlerin schon am Montag gehört. In der digitalen CDU-Präsidiumssitzung, zu der Merkel zugeschaltet war, präsentierte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) einen Fünf-Punkte-Plan, den er zuvor in der Union abgestimmt hatte.
Man müsse „besonnen, aber entschlossen handeln“, erklärte Laschet laut Teilnehmern. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak verkündete das nach der Sitzung als „Kurs“ der Union, den Laschet vorgegeben habe. Die Botschaft: Der Kanzlerkandidat der Union, dem bei der Corona-Pandemie von Kritikern wiederholt Zaudern vorgeworfen wurde, geht voran und legt einen Plan vor.
„Wir wollen und müssen einen neuen Lockdown vermeiden“, gab der CDU-Chef in der Sitzung als Ziel aus, wie es hieß. Erreichen will Laschet das durch mehr Impfungen und mehr Tests. Zukünftig müsse überall dort getestet werden, wo man im Innenraum auf fremde Menschen treffe.
Diese erweiterte Testpflicht soll nicht nur bei der Eindämmung der Infektionen helfen, sondern könnte gleichzeitig ein Anreiz zur Impfung sein. Denn Geimpfte sollen von ihr ausgenommen werden, wie Laschet ausführte.
Tests bald kostenpflichtig
Gleichzeitig sollen die kostenlosen Corona-Tests in zwei Monaten auslaufen. Ungeimpfte könnten nicht damit rechnen, dass die Steuerzahler dauerhaft für die Tests aufkommen, erklärte Laschet laut Teilnehmern.
Es ist noch nicht lange her, dass Laschet bei Nachteilen für Ungeimpfte skeptischer klang. Doch die fallenden Zahlen bei den Impfungen haben offenbar zu einem Umdenken geführt. Wobei die CDU es positiv gewendet nun als „Geimpfte haben Vorteile“ (Ziemiak) verkauft.
Oder wie Laschet es in der Präsidiumssitzung laut Teilnehmern erklärte: Geimpfte dürften keine Nachteile haben, nur weil andere zu bequem seien, sich impfen zu lassen. Jedenfalls erhofft sich Laschet, dass bei der Ministerpräsidentenkonferenz eine Impf-Offensive beschlossen wird.
Es müsse von dem Treffen der gemeinsame Appell ausgehen, dass eine Impfung der beste Schutz sei und Erleichterungen im Alltag bringe. Gleichzeitig warb Laschet im Präsidium dafür, die Pandemienotlage zu verlängern. Das ermöglicht es den Ländern, Sicherheitsmaßnahmen wie die Maskenpflicht oder Hygienekonzepte beizubehalten.
Eine Sondersitzung des Bundestags dürfte im August ohnehin noch anstehen, auch um den milliardenschweren Wiederaufbaufonds für die von der Flutkatastrophe betroffenen Regionen zu beschließen.
Wie wichtig ist die Inzidenz noch?
Der fünfte Punkt in Laschets Plan betrifft die Frage, wie künftig das Pandemiegeschehen gemessen werden soll. Klar ist: Die Inzidenz, also die Zahl der Infektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen, wird nicht mehr der alleinige Indikator sein. Welche Rolle die Inzidenz künftig noch spielt und wie streng die Werte sein sollten, darüber herrscht aber vor allem zwischen Kanzleramt und vielen Ländern noch Streit.
Laschet sprach sich in der Präsidiumssitzung für ein differenziertes Vorgehen aus. Neben der Inzidenz müssten die Krankenhausbelegung, die Zahl der Intensivpatienten und der Impffortschritt stärker berücksichtigt werden.
Im Kanzleramt sieht man eine zu starke Aufweichung der Inzidenz skeptisch. Viele Länder plädieren aber wie Laschet für eine neue Betrachtungsweise – vor allem wegen des Impffortschritts. Schließlich hatten Bundesregierung und Länder den Bürgern immer wieder versprochen, dass die Einschränkungen der Grundrechte fallen würden, wenn jeder ein Impfangebot erhalten habe.
„Wir müssen uns darauf verständigen, dass der Inzidenzwert allein nicht mehr das Kriterium sein kann, von dem sich alle Maßnahmen ableiten“, sagte auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). „Die Gefahr, schwer zu erkranken, ist heute deutlich niedriger als zu dem Zeitpunkt, als diese Werte festgelegt wurden.“ Man müsse daher zu neuen Schwellenwerten kommen, die über den bisherigen liegen sollten.
Dreyer verweist auf den „Rheinland-Pfalz-Plan“, in dem ein entsprechender Mix an Indikatoren bereits festgelegt wurde. Auch andere Bundesländer haben ähnliche Konzepte entwickelt. Allerdings besteht der Wunsch nach einem möglichst einheitlichen Vorgehen. „Das Ziel muss sein, dass wir möglichst bundesweit einheitliche Regelungen für den weiteren Umgang mit Corona treffen“, sagte Dreyer.
Die rheinland-pfälzische Regierungschefin setzt ebenfalls vor allem auf Impfungen als Ausweg aus der Pandemie. Man tue alles, was möglich sei, um möglichst viele Menschen zu immunisieren. „Wir schicken Impfbusse durchs Land, bieten Impfungen an Unis an, in Fußballstadien, vor Einkaufszentren, eben überall, wo viele Menschen sind.“
Wie andere SPD-Politiker setzt auch Dreyer eher auf Angebote für Impfwillige als auf Druck. „Anstatt darüber zu reden, Freiheiten für Ungeimpfte zu beschränken, sollten wir uns darauf konzentrieren, die Aufmerksamkeit der Leute wieder auf das Impfen zu lenken, und es möglichst vielen leichtmachen, es zu tun“, sagte Dreyer.
Kostenlose Tests sollen auslaufen
Ein Konsens zeichnet sich zwischen den Ländern aber schon ab: Wie Laschet ist auch Dreyer dafür, die kostenlosen Testes abzuschaffen. Sie unterstütze es, „wenn wir morgen im Kreis der Länder und mit dem Bund zu dem Ergebnis kommen, dass Tests nur noch in den kommenden acht Wochen gratis sind“, sagte die SPD-Politikerin. „Bis dahin hat jeder, dem es möglich ist, Gelegenheit, sich vollständig impfen zu lassen.“
Zuvor hatten sich unter anderem schon die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Baden-Württemberg, Stephan Weil (SPD) und Winfried Kretschmann (Grüne), dafür ausgesprochen, die kostenlosen Tests im Herbst zu beenden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist ebenfalls dafür. Als wahrscheinlich gilt, dass nur noch Bürger, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen, weiterhin kostenlos getestet werden.
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