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Corona-Tests in Unternehmen Wie die Wirtschaftsverbände eine Testpflicht noch abwenden wollen

BDA, BDI, DIHK und ZDH legen einen „Sachstandsbericht“ über Corona-Tests in Unternehmen vor. Doch Arbeits- und Wirtschaftsministerium prüfen lieber selbst nach.
06.04.2021 Update: 06.04.2021 - 15:50 Uhr Kommentieren
Unternehmen klagen über anhaltende Lieferengpässe bei Corona-Tests. Quelle: imago images/Hanno Bode
Hinweisschild an einer Apotheke

Unternehmen klagen über anhaltende Lieferengpässe bei Corona-Tests.

(Foto: imago images/Hanno Bode)

Berlin Vor knapp zwei Wochen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Messlatte in ihrer Regierungserklärung hoch gelegt. Die Bundesregierung werde sich sehr genau anschauen, ob die Unternehmen dem Appell der Spitzenverbände folgten und ausreichend Corona-Schnelltests anböten, sagte sie im Bundestag.

Wenn nicht der überwiegende Teil der Wirtschaft mitmache – und das müsse „in die Richtung von 90 Prozent“ gehen –, dann werde die Bundesregierung über die Arbeitsschutzverordnung eine Testpflicht einführen. Die Drohung hatte schon damals für Unmut bei den Verbänden gesorgt.

An diesem Dienstag legte nun Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) nach: In dieser Woche werde man schauen, „wie weit fortgeschritten das ist“, betonte der Finanzminister bei einer Pressekonferenz. „Wenn das nicht ausreichend gelingt, dann müssen wir mit unseren rechtlichen Möglichkeiten handeln“, sagte er.

Wie die Verbände BDA, BDI, DIHK und ZDH das bisherige Engagement der Wirtschaft bewerten, haben sie in einem „Sachstandsbericht“ zusammengefasst, der am Ostermontag an Merkel, mehrere Bundesminister und die Ministerpräsidenten der Länder verschickt wurde. Neben den erreichten Erfolgen nennt er auch zahlreiche Hürden, die einer erfolgreichen Testkampagne noch im Wege stehen.

In einer ersten Umfrage, die der DIHK vom 17. bis zum 19. März durchgeführt hatte, gaben 19 Prozent der Unternehmen an, ihre Belegschaften bereits zu testen. Weitere 28 Prozent wollten in Kürze damit beginnen. Inzwischen böten 64 Prozent der Betriebe Corona-Tests an, weitere 23 Prozent stünden kurz davor, heißt es im Bericht.

Viele Großunternehmen gaben an, bereits zu testen

Die Verbände berufen sich dabei auf eine ZDH- und eine regionale IHK-Umfrage sowie Interviews mit Vorstandschefs und Experten aus Mitgliedsverbänden. 80 Prozent der Großunternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten hatten schon Mitte März angegeben, bereits zu testen oder in Kürze damit zu beginnen. Auch in der Industrie gibt es eine hohe Testquote.

Deutlich ernüchternder liest sich dagegen eine Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Demnach berichten nur 23 Prozent der Befragten, dass alle Präsenzbeschäftigten in ihrem Betrieb schon mindestens einmal pro Woche einen Schnelltest machen können. Weitere 17 Prozent gaben an, dass der Arbeitgeber Schnelltests angekündigt, aber noch nicht umgesetzt habe.

Für die Analyse hat das WSI die Datensätze von gut 2800 Beschäftigten ausgewertet, die sich zwischen Mitte und Ende März an einer nicht repräsentativen Umfrage des Portals Lohnspiegel.de beteiligt hatten. Corona-Schnelltests könnten helfen, Ausbrüche am Arbeitsplatz frühzeitig zu erkennen oder ganz zu unterbinden, sagt die WSI-Expertin für Arbeit und Gesundheit, Elke Ahlers: „Die enttäuschend geringe Umsetzungsquote zeigt, dass eine verbindliche Regulierung notwendig ist, die eine konsequente und rasche Einführung von betrieblichen Schnelltests garantiert.“

Tatsächlich hatte die Politik schon frühzeitig eine Testpflicht ins Spiel gebracht. Sie gab sich dann aber mit der Selbstverpflichtung zufrieden, die BDA, BDI, DIHK und ZDH am 9. März abgegeben hatten. Darin appellieren die Spitzenverbände an die Unternehmen, „ihren Beschäftigten Selbsttests und, wo dies möglich ist, Schnelltests anzubieten, um Infektionen frühzeitig zu erkennen“.

Es ist eher fraglich, dass sich die Bundesregierung mit dem jetzt vorgelegten Sachstandsbericht zufriedengibt. So haben sowohl das Arbeits- als auch das Wirtschaftsministerium eigene Umfragen in Auftrag gegeben, um die Wirksamkeit des Verbändeappells zu überprüfen. Kanzlerin Merkel hatte in ihrer Regierungserklärung betont, das Kabinett werde am 14. April entscheiden, ob weitere Maßnahmen erforderlich seien.

Wöchentliche Kosten könnten die Milliardengrenze übersteigen

BDA, BDI, DIHK und ZDH verweisen auf bereits erreichte Erfolge und weiter bestehende „Herausforderungen“, die sich nicht einfach per Verordnung oder Testpflicht beseitigen ließen. So gebe es erst seit Mitte März überhaupt eine gesetzliche Grundlage für die Abgabe von Tests an Unternehmen. Die Anwendung von Antigen-Schnelltests durch nichtmedizinisches Personal sei erst seit dem 26. März rechtssicher möglich.

Gut vier von zehn Unternehmen, die in Kürze Tests anbieten wollten, klagten außerdem über Beschaffungsprobleme. Der Bund habe durch seine Beschaffungspolitik große Testkapazitäten abgeschöpft, die dem freien Markt und damit den Unternehmen nicht zur Verfügung stünden.

Die Verbände verweisen zudem auf hohe Kosten, die gerade für kleine Unternehmen nur schwer zu schultern seien. Etwa im Schichtbetrieb gebe es außerdem ganz praktische Probleme. Sollten alle Präsenzbeschäftigten zweimal pro Woche ein Testangebot erhalten und dieses auch annehmen, wären wöchentlich bis zu 38 Millionen Tests erforderlich, rechnen die Verbände vor.

Die Kosten dafür summierten sich auf 340 bis 756 Millionen Euro pro Woche – je nachdem, ob Selbsttests zur Eigenanwendung oder Antigen-Schnelltests durch geschultes Personal zum Einsatz kommen. Rechne man die Arbeits- und Lohnnebenkosten ein, wenn die Tests während der Arbeitszeit stattfinden, stiegen die wöchentlichen Kosten auf 760 Millionen bis 1,2 Milliarden Euro.

Tests von Schichtarbeitern erfordern hohen Personalaufwand

Praktische Probleme stellten sich etwa, wenn in einem Betrieb alle Mitarbeiter einer Schicht vor Arbeitsbeginn getestet werden sollen. Bei einer großen Schicht mit 2500 Beschäftigten wären nach Rechnung der Verbände 25 Teststraßen mit einer Kapazität von 100 Tests pro Stunde und insgesamt 75 Beschäftigten erforderlich, wenn die Tests unter Aufsicht stattfinden und die Ergebnisse bescheinigt werden sollen.

Entsprechende Rückmeldungen gehen auch bei Kammern und Verbänden ein. Man versuche jetzt seit zwei Wochen, Tests zu organisieren, bekomme das aber nicht ohne immensen Aufwand und hohe Kosten hin, berichtet ein Industriezulieferer mit 550 Beschäftigten, der im Drei-Schicht-Betrieb arbeitet.

Nach anfänglichem Zögern habe der Werksarzt zugestimmt, acht Mitarbeitern eine Schnelltest-Schulung anzubieten –, aber nur, wenn diese geimpft sind. Sollte es tatsächlich zu einer Testpflicht zwei mal pro Woche kommen und jeder Test mit 21 Euro zu Buche schlagen, so würde das „unseren Betrieb über 100.000 Euro im Monat kosten und uns in die Verlustzone bringen“. In Österreich gibt es für alle betrieblichen Tests eine digitale Bescheinigung und eine Erstattung von zehn Euro pro Test vom Staat.

Eine Testpflicht, wie sie durch Landesverordnung in Berlin oder Sachsen gelte, sei „kontraproduktiv“, schreiben die Wirtschaftsverbände in ihrem Begleitschreiben an Kanzlerin, Bundesminister und Länderchefs. Die Vorgabe von „dokumentierten Selbsttests“ oder Testpflichten sei weder praxistauglich noch geeignet oder erforderlich. Außerdem würde eine Testpflicht die ohnehin schon knappen medizinischen Kapazitäten in den Betrieben binden, die nun möglichst bald beim Impfen einsteigen sollten, heißt es in Wirtschaftskreisen.

„Das breit getragene Engagement zu Tests wird so gebremst und führt zu Unsicherheit, ob die bereits angestoßenen Testverfahren auch die richtigen sind. Das fördert kein Vertrauen“, schreiben die Spitzenverbände in ihrem Begleitbrief.

Mehr: CDU und CSU streiten über bundeseinheitliche Corona-Regeln – Kritik an Laschets „Brückenlockdown“-Vorschlag

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