Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Coronakrise Bundes-Notbremse: Union und SPD wollen Ausgangssperren lockern

Union und SPD haben sich bei der Bundes-Notbremse darauf geeinigt, die umstrittene Ausgangssperre weniger strikt umzusetzen. Die Kritik hält allerdings an.
19.04.2021 Update: 19.04.2021 - 16:08 Uhr 1 Kommentar
Bis 24 Uhr soll erlaubt sein, dass Einzelpersonen draußen etwa spazieren gehen dürfen. Quelle: dpa
Ausgangssperre

Bis 24 Uhr soll erlaubt sein, dass Einzelpersonen draußen etwa spazieren gehen dürfen.

(Foto: dpa)

Berlin Die „Bundes-Notbremse“ und die darin enthaltene Ausgangssperre sollen aufgeweicht werden: Die Spitzen der Regierungsfraktionen von Union und SPD haben sich auf Änderungen am Infektionsschutzgesetz geeinigt. Das bestätigte der rechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), dem Handelsblatt: „Wir haben das Infektionsschutzgesetz in den letzten Tagen widerspruchsfrei und verfassungsfest gemacht.“ Es sei wichtig gewesen, dass „die Maßnahmen effektiv zur Pandemiebekämpfung beitragen und gleichzeitig von den Menschen akzeptiert und damit auch befolgt werden“. Deswegen sei die Ausgangsbeschränkung „leicht gelockert“ worden. Hier eine Übersicht der wichtigsten geplanten Änderungen:

  • Einerseits soll die Ausgangssperre nun erst ab 22 Uhr greifen. Bis 24 Uhr soll zudem erlaubt werden, dass Einzelpersonen auch ohne Hund draußen etwa spazieren gehen dürfen.
  • Gleichzeitig soll der Entwurf der Bundesregierung aber an verschiedenen Stellen verschärft werden, heißt es. Unter anderem sollen Arbeitnehmer dazu verpflichtet werden, ein Home-Office-Angebot auch anzunehmen.
  • Auch Arbeitgeber sollen stärker in die Pflicht genommen werden. Laut einem Schreiben von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich an seine Fraktionskollegen sollen Arbeitgeber künftig „den Beschäftigten zweimal (statt nur einmal) pro Woche einen Corona-Test anzubieten, wo Homeoffice objektiv nicht möglich ist“.
  • Die Regierungsfraktionen einigten sich nach Handelsblatt-Informationen auch darauf, dass der Einzelhandel bis zu einer Inzidenz von 150 mit dem „Click & Meet“-Verfahren und einer Testpflicht geöffnet bleiben kann. Dies bedeutet eine Verschärfung gegenüber der Praxis in vielen Ländern wie Bayern, wo das Termin-Shopping mit einem Negativtest derzeit bis zu einer Inzidenz von 200 erlaubt ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dies zuvor als zu locker kritisiert.
  • Zudem schlagen die Fraktionsspitzen vor, dass die Schulen ab einer Inzidenz von 165 wieder schließen müssen. Dieser Punkt war wie die Ausgangssperren besonders umstritten. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hatten die bisher vorgesehene Inzidenz von 200 als viel zu hoch bezeichnet. Die Länder hatten allerdings auf ihre Kompetenzen auch in der Bildungspolitik gepocht. Vor allem in Landesregierungen mit Koalitionspartnern aus FDP und Freien Wählern wollte man eine weniger strenge Regel.

Der CDU-Politiker Luczak sprach mit Blick auf die angestrebten Änderungen von einer „zeitlich befristeten Notbremse“ bis 30. Juni. „Gleichzeitig eröffnen wir auch Perspektiven“, fügte er hinzu. „Die Bundesregierung wird ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, die Geimpften und Getesteten wieder mehr Freiheiten einräumt.“

Das sei „verfassungsrechtlich zwingend und muss daher sehr zeitnah erfolgen“. Laut Luczak muss der Bundestag Rechtsverordnungen der Bundesregierung zustimmen. Damit sei sichergestellt, „dass wir als Parlament zu jeder Zeit die vollständige Kontrolle haben“.

Grafik

Union und SPD ringen seit rund einer Woche um die Regelung, die auf einen Vorschlag der Bundesregierung zurückgeht. Der Bund will nach mehr als einem Jahr Pandemie und angesichts steigender Infektionszahlen mehr Kompetenzen an sich ziehen.

In Deutschland sollen demnach regional automatisch schärfere Corona-Schutzmaßnahmen wie eine nächtliche Ausgangssperre greifen, wenn die Zahl der neuen Corona-Fälle den Schwellenwert von 100 pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche überschreitet.

Die entsprechende Änderung des Infektionsschutzgesetzes steht am Mittwoch im Bundestag zur Abstimmung. Im Vorfeld wurden vor allem verfassungsrechtliche Bedenken laut. Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag, forderte am Montag etwa, Ausgangssperren in der Novelle des Gesetzes zu streichen.

„Das Gesetz braucht Ausnahmeregelungen für geimpfte und getestete Personen. Sonst wird das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht gekippt“, warnte Buschmann. „Dem Bundestag droht die gleiche Blamage wie der MPK bei der Osterruhe“, sagte er mit Blick auf eine politisch korrigierte Entscheidung der Bund-Länder-Runde.



Die FDP setze auf die Mitglieder des Gesundheitsausschusses, die die Chance auf Verbesserung in der Hand hielten. Dieser kam am gestrigen Montagnachmittag zusammen. Er musste allerdings auf Antrag der Opposition kurzzeitig unterbrochen werden, da die Änderungsantrage erst kurz vor Beginn der Sitzung vorlagen.

„Das Verfahren ist alles andere als vertrauensbildend und ein weiteres Zeichen der Auflösungserscheinung funktionierenden Krisenmanagements der Regierung“, sagte der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen.

Auch in der Unionsfraktion gibt es heftigen Widerstand gegen die Pläne, der sich in einem Beschluss des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) der Fraktion am Wochenende äußerte. Das Gesetz wäre „ein Blankoscheck für die Bundesregierung“, in Grundrechte einzugreifen, ohne das Parlament beteiligen zu müssen, heißt es in dem vierseitigen Papier, das dem Handelsblatt vorliegt. Das Schreiben enthält die Forderung für eine Frist für das Gesetz, die sich nun auch offenbar im neuen Gesetzentwurf wiederfindet.

Kritik von CDU und CSU

Darüber hinaus benennen die Abgeordneten eine Vielzahl von Kritikpunkten. Zum PKM gehört eine erhebliche Zahl von Unionsabgeordneten, von denen etliche das Gesetz in der jetzigen Form im Bundestag ablehnen wollen. Zur Kritik gehört, die Sieben-Tages-Inzidenz als alleinigen Maßstab für Grundrechtseingriffe zu nehmen.

Vielmehr sollte „unbedingt die Auslastung der Intensivstationen mit Covid-19-Patienten berücksichtigt werden wie auch die Frage, ob es sich um ein spotartiges Ausbruchsgeschehen“ handelt.

Auch sei es unverhältnismäßig, ab einer Inzidenz von 100 undifferenziert Maßnahmen in Kraft zu setzen. „Ein örtlich begrenzter Ausbruch in einer einzelnen Kommune könnte eine Ausgangssperre für den gesamten Landkreis nach sich ziehen“, heißt es. „Wir bezweifeln, dass dies vor Gericht Bestand hätte.“

Die Parlamentarier kritisieren auch, dass es in Deutschland bereits ab einer Inzidenz von mehr als 100 zum Lockdown kommen soll, hingegen das Ausland erst ab einer Inzidenz von mehr als 200 als „Hochinzidenzgebiet“ gilt. „Die Grenzwerte sind zu vereinheitlichen“, heißt es in dem Papier. Auch müsse eine Sonderregelung für Schulen „besser als bisher wissenschaftlich begründet werden“. Weiterhin sollten Länder und Kommunen entscheiden, ob sie auf Distanzunterricht umstellen.

Der Bund will mit dem neuen Infektionsschutzgesetz dafür sorgen, dass Länder und Landkreise nach bundeseinheitlichen Regeln oberhalb eines Schwellenwerts von 100 strengere Corona-Maßnahmen ergreifen. Tatsächlich driften die Regeln in den verschiedenen Bundesländern wegen der unterschiedlichen Infektionszahlen immer weiter auseinander.

Unterschiedliche Regeln in den Ländern

In Mecklenburg-Vorpommern gilt seit Montag ein verschärfter Lockdown, und auch Zweitwohnungen von Bürgern außerhalb des Bundeslandes dürfen nicht mehr genutzt werden. In Brandenburg gilt eine Ausgangssperre. Dagegen öffnete Schleswig-Holstein, das derzeit einzige Bundesland mit einer Inzidenz unter 100, in Modellregionen wieder Gastronomie und Tourismus. Dies wird mit einer Ausweitung der Schnelltests verbunden.

Mit Agenturmaterial

Mehr: Merkel verteidigt Bundes-Notbremse gegen heftige Kritik – die nächste Hürde wartet schon

Startseite
Mehr zu: Coronakrise - Bundes-Notbremse: Union und SPD wollen Ausgangssperren lockern
1 Kommentar zu "Coronakrise: Bundes-Notbremse: Union und SPD wollen Ausgangssperren lockern"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • „Die Bundesregierung wird ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, die Geimpften und Getesteten wieder mehr Freiheiten einräumt.“ Das sei „verfassungsrechtlich zwingend und muss daher sehr zeitnah erfolgen“.

    Man muss kein Jurist sein um festzustellen, dass dies gegen unsere Grundrechte verstößt.

    Solange sich nicht jeder impfen lassen kann wann er will, so lange können geimpfte keine Vorzüge erhalten (außer dass sie natürlich keinen negativen Test bspw. beim Einkaufen vorlegen müssen). Das widerspricht der Gleichbehandlung bzw. der Chancengleichheit!


    Über willkürliche Inzidenzwerte und Testverfahren will ich erst gar nicht sprechen...


    PS: Man müsste das Infektionsschutzgesetzt gar nicht ändern, da das Virus mittlerweile nicht mehr so gefährlich ist wie noch vor 1 Jahr. Mittlerweile haben wir die Risikogruppen geimpft und es gibt Behandlungsmöglichkeiten die im Falle einer Infektion den Krankheitsverlauf mildern. Die Quote der Corona Patienten auf Intensivstationen ist seit Anfang Januar konstant bei 20%-30%. Die dortige Überlastung kommt wegen dem zum 1. Januar eingeführten neuen Pflege-Schlüssel!!! Nicht wegen Corona!

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%