Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Coronakrise Politiker streiten über Strafen für Impfschwänzer – Wirtschaft bringt Impfpflicht in Spiel

CDU-Chef Laschet ist gegen Strafen, erntet aber Widerspruch nicht nur von der Opposition. Mit Sorge blicken viele Politiker angesichts der hochansteckenden Delta-Variante auf den Herbst.
04.07.2021 - 15:53 Uhr Kommentieren
Der Unmut über Menschen, die Impftermine nicht wahrnehmen, wächst. Quelle: dpa
Impfzentrum

Der Unmut über Menschen, die Impftermine nicht wahrnehmen, wächst.

(Foto: dpa)

Berlin In der Politik ist ein Streit über den Umgang mit Impfschwänzern entbrannt. Anlass ist die Forderung aus den Koalitionsfraktionen im Bundestag, das Verfallenlassen von Impfterminen mit Bußgeldern zu ahnden.

Der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, lehnt Strafzahlungen ab. „Solidarität erzwingt man nicht durch Strafen“, sagte der CDU-Bundesvorsitzende dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Jeder, der einen Termin nicht wahrnehmen könne oder schon woanders eine Impfdosis erhalten habe, solle durch eine Nachricht an das Impfzentrum Platz für andere Impfwillige schaffen.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach machte sich dafür stark, diejenigen zu bestrafen, die nicht einmal ihren Termin absagen. „Denn diese Terminausfälle führen dazu, dass wir langsamer impfen, als wir könnten, und dass wir Impfstoff wegwerfen müssen“, sagte er der „Bild am Sonntag“.

Der Unions-Fraktionsvize im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), will die Impfschwänzer an den Kosten der nicht wahrgenommenen Termine beteiligen. „Impftermine einfach verfallen zu lassen ist nicht nur rücksichtslos, sondern ein Schlag ins Gesicht all derer, die derzeit noch auf den knappen Impfstoff warten“, sagte Frei. „Wer nur zu bequem ist, zum Hörer zu greifen oder mit wenigen Klicks einen Termin abzusagen, sollte für die angefallenen Ausfallkosten aufkommen müssen.“

Der Wirtschaftsrat der CDU verlangte „empfindliche Geldstrafen“ für Impfschwänzer. „Es ist nicht hinnehmbar, dass 38-Jährige einfach nicht erscheinen und 23-Jährige immer noch auf Termine warten müssen“, sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger dem Handelsblatt.

Derzeit sind 37,9 Prozent der Menschen in Deutschland vollständig geimpft – und somit auch gegen die hochansteckende Delta-Variante des Coronavirus geschützt. 55,6 Prozent haben mindestens eine Impfdosis erhalten.

Unmut in der Bundesregierung über Impfschwänzer

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) ist die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland am Sonntag erstmals seit Wochen nicht weiter gesunken. Das RKI gab den Wert mit 5,0 an. Am Samstag hatte er bei 4,9 gelegen und vor einer Woche bei 5,7. Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI 559 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Das waren 21 Fälle mehr als vor einer Woche.

Der zuletzt gemeldete bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag bei 0,99. Das bedeutet, dass ein Infizierter rechnerisch im Schnitt einen weiteren Menschen ansteckt. Nach RKI-Daten lag er zuletzt im April über 1,00. Seinen Tiefstand seitdem erreichte er im Juni mit 0,68 – danach ging es verhältnismäßig rasch nach oben.

Der Präsident des Berliner Roten Kreuzes (DRK), Mario Czaja, hatte die Debatte angestoßen und Bußgelder von 25 bis 30 Euro vorgeschlagen. Seinen Angaben zufolge werden in Berliner Impfzentren inzwischen fünf bis zehn Prozent der Termine nicht wahrgenommen.

Vermutet wird, dass Menschen Termine verstreichen lassen, weil sie im Urlaub sind, weil sie die Corona-Gefahr als nicht mehr so hoch einschätzen oder weil sie inzwischen einen früheren Termin bei einem Betriebsarzt oder in einer Praxis bekommen haben.

Auch innerhalb der Bundesregierung regt sich Unmut über Menschen, die Impftermine nicht wahrnehmen. Dass sich in einer Phase, in der über die Verlängerung von milliardenschweren Hilfsmaßnahmen diskutiert werde, immer mehr Bürgerinnen und Bürger die Freiheit nehmen, Impftermine abzulehnen, sei eine „schwere Zumutung“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Thomas Bareiß (CDU), dem Handelsblatt. „Jeder, der seine Impfung nicht ernst nimmt, handelt unsozial und verantwortungslos.“

Die zunehmende Impfmüdigkeit sei für jeden Gastronomen, der immer noch mit erheblichen Einschränkungen leben müsse, oder für Messebauer, die nicht wüssten, wann es wieder losgehe, ein „Schlag ins Gesicht“. Bareiß warnte vor den Folgen. „Weitere Hilfspakete oder gar Schließungsmaßnahmen könnte ich schwer vertreten, während immer mehr Menschen sich ihrer Verantwortung fürs Impfen entziehen.“

Ruf nach gesetzlicher Impfpflicht

Der CDU-Politiker Bareiß wies auf wissenschaftliche Erkenntnisse hin, wonach es nach der zweiten Impfung eine „hohe Sicherheit“ gebe, auch vor der Delta-Variante geschützt zu sein. „Deshalb müssen wir jetzt alles dafür tun, dass so viele Menschen wie möglich den vollumfänglichen Schutz erhalten.“

Die Bundesregierung hat versprochen, dass alle impfwilligen Erwachsenen bis Ende des Monats eine Impfung angeboten bekommen, allerdings könnte der eigentliche Termin dann erst später liegen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte die Ständige Impfkommission (Stiko) auf, dringend zu überlegen, wann sie das Impfen von Jugendlichen empfehle. „Das wirksamste Mittel gegen die Delta-Variante ist die Schülerimpfung. Gerade in den jüngeren Altersgruppen sind die Inzidenzzahlen am höchsten“, sagte der CSU-Chef der „Bild am Sonntag“.

Bisher war die Datengrundlage zu Kindern aus Sicht der Stiko zu gering für eine allgemeine Impfempfehlung – und das Risiko möglicher Folgewirkungen bei ihnen größer als das einer Corona-Erkrankung mit schwerem Verlauf.

Alarmiert reagierte die Wirtschaft auf die Abnahme der Impfbereitschaft und bringt eine Impfpflicht ins Spiel. „Es ist eine sittliche Pflicht für jeden Bürger, sich impfen zu lassen. Impfverweigerer ohne gesundheitlichen Grund handeln rücksichts- und verantwortungslos“, sagt Außenhandelspräsident Anton Börner der „Bild am Sonntag“. Eine Impfpflicht müsse daher „ernsthaft diskutiert“ werden.

Grüne fordern von Spahn Infokampagne zum Impfen

Für ein differenziertes Vorgehen bei der Impfpflicht plädiert der CDU-Wirtschaftsrat. „Bei bestimmten systemrelevanten Berufsgruppen und auch allen körpernahen Leistungen sollte der Gesetzgeber im Herbst aktiv werden“, sagte Steiger. Lehrkräfte oder Pflegeberufe könnten sich „auch aus berufsethischen Gründen nicht auf ihre Freiheit berufen, wenn sie so andere Menschen gefährden oder die Schließung von Einrichtungen in Kauf nehmen“.

Die Grünen lehnen eine Impfpflicht ab. „Die Bereitschaft für Impfungen ist nach wie vor hoch in der Bevölkerung, das dürfen wir nicht durch Zwangsmaßnahmen verspielen“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dem Handelsblatt. Aber gegen die Ausbreitung der Delta-Variante komme es jetzt darauf an, möglichst viele Menschen möglichst rasch zu impfen.

Widerspruch kommt auch von den Kassenärzten. „Mit Bußen wird keine Akzeptanz gefördert. Solidarisches Verhalten kann man zudem nicht mit Strafen erzwingen“, sagte Kassenärztechef Andreas Gassen.

Göring-Eckardt schlug Verbesserungen bei den Impfangeboten vor. Die Impfungen müssten zu den Menschen kommen: Mobile Impfteams könnten vor Ort, in Stadtteilzentren, vor Schulen, sozialen Treffs oder Kultur- und Jugendeinrichtungen jene Menschen erreichen, die bisher zurückhaltend waren, sagte sie.

Von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verlangte die Grünen-Politikerin zudem eine breit angelegte, mehrsprachige Informationskampagne. Diese solle an Menschen gerichtet sein, die bisher beim Impfen noch unschlüssig gewesen seien oder ihre Termine für die Zweitimpfung hätten verstreichen lassen.

Der Wirtschaftsrat warb zusätzlich zu mehr Aufklärung für positive Anreize. Geimpfte sollten erheblich mehr dürfen. „Warum nicht Fußballstadien, Schwimmbäder und Konzerte für alle Geimpften generell öffnen?“

Mehr: Chaos um Luftfilter in Schulen – Experten warnen vor weiterem Jahr Wechselunterricht

Startseite
Mehr zu: Coronakrise - Politiker streiten über Strafen für Impfschwänzer – Wirtschaft bringt Impfpflicht in Spiel
0 Kommentare zu "Coronakrise: Politiker streiten über Strafen für Impfschwänzer – Wirtschaft bringt Impfpflicht in Spiel"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%