Coronakrise „Schlag in die Magengrube“ – Wirtschaft fordert mehr Hilfe bei verlängertem Lockdown

„Sonderopfer“ bringen, um Schaden von der übrigen Wirtschaft abzuwenden.
Berlin Die sich abzeichnende Verlängerung des Teil-Lockdowns mindestens bis kurz vor Weihnachten beunruhigt die Wirtschaft – und lässt Rufe nach zusätzlicher Unterstützung laut werden. „Es ist aus Sicht unserer Betriebe überlebenswichtig, dass die Politik nicht darin nachlässt, notwendige Hilfen bereitzustellen“, sagte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), dem Handelsblatt. Die „Novemberhilfen“ müssten in jedem Fall so lange laufen, wie der Novemberzustand auch in den Dezember hinein fortgeschrieben werde.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder wollen am Mittwoch über das weitere Vorgehen in der Pandemie beraten. Mehrere Ministerpräsidenten hatten bereits deutlich gemacht, dass Hotels, Gaststätten, Kinos, Theater oder Museen weiter geschlossen bleiben sollen. SPD- und CDU-geführte Landesregierungen sind sich einig, dass der Teil-Lockdown bis zum 20. Dezember aufrechterhalten werden soll.
Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) kritisierten, eine Verlängerung wäre „für Hotels, Restaurants, den Einzelhandel und die Tourismuswirtschaft wie ein Schlag in die Magengrube“. Schon jetzt stünden viele Betriebe mit dem Rücken zur Wand.
Sollte etwa das Geschäft mit Weihnachtsfeiern in diesem Jahr komplett wegbrechen, fehle den Gastronomen ein großer Teil des Jahresumsatzes. „Wenn die Politik den Lockdown verlängert, steht sie in der Pflicht, für die Unternehmen ein Netz zu spannen.“
Im besonders vom Lockdown betroffenen Gastgewerbe wächst die Verärgerung: „Von unserer Branche wird ein Sonderopfer verlangt, damit die übrige Wirtschaft möglichst wenig belastet wird und die Schulen geöffnet bleiben können“, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges dem Handelsblatt.
Gastgewerbe fordert Perspektive
Sie erwarte eine belastbare Aussage, wann die Anträge für die Novemberhilfen gestellt werden können und vor allem, wann das Geld fließe. „Hier geht es auch um Vertrauen in die Politik“, sagte Hartges. Bei einem längeren Lockdown müssten die Hilfen in den Dezember hinein verlängert werden.
Gastwirte und Hotelbetreiber benötigten eine Perspektive. Jetzt schon über Schließungen auch im Januar zu philosophieren, halte sie für völlig verfehlt, sagte Hartges. „Es sollte spätestens am 14. Dezember auf Basis des Infektionsgeschehens entschieden werden, ob wir Weihnachten und dann bis zum 15. Januar öffnen dürfen.“ Insoweit seien auch die Fristenregelungen des in der vergangenen Woche verabschiedeten Infektionsschutzgesetzes zu berücksichtigen, wonach Maßnahmen grundsätzlich auf vier Wochen zu befristen sind.
Eine Öffnung von Gaststätten nur über die Feiertage hält die Dehoga-Hauptgeschäftsführerin für kaum umsetzbar: „Das lohnt sich nicht.“ Es müsse dekoriert und Ware eingekauft werden, das sei viel Aufwand für ein paar Tage.
Auch der Einzelhandel äußert sich besorgt, selbst wenn die Geschäfte weiter geöffnet bleiben sollen. Der Teil-Lockdown sorge für weitgehend leere Innenstädte, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). „Das ist insbesondere im für die Händler für gewöhnlich umsatzstarken Weihnachtsgeschäft für viele Unternehmen existenzbedrohend.“
Nach einer aktuellen HDE-Umfrage unter 580 Händlern lag die Kundenzahl in den Stadtzentren auch in der dritten Novemberwoche um 40 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Genth forderte von der Politik, die Novemberhilfen auch für Einzelhändler zu öffnen. Außerdem müssten die Überbrückungshilfen so angepasst werden, dass auch der Einzelhandel davon profitieren könne.
Viele Firmen nehmen staatliche Hilfen in Anspruch
ZDH-Generalsekretär Schwannecke machte sich ebenfalls für eine Ausweitung der Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft stark. „Es braucht zügig eine Überbrückungshilfe III, die dann besonders auch die mittelbar Betroffenen und all diejenigen in den Blick nehmen muss, die durch das Raster der bisherigen Hilfspakete etwa wegen viel zu hoher Schwellenwerte gefallen sind.“
Je länger umfangreiche Beschränkungen andauerten, umso angespannter werde die Liquiditätssituation der Betriebe und umso stärker müssten Liquiditätshilfen in den Fokus rücken.
Nach einer in der vergangenen Woche durchgeführten Blitzumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) unter 13.000 Firmen nehmen 44 Prozent der Unternehmen bisher staatliche Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise abzufedern.
Davon greifen 67 Prozent auf das Kurzarbeitergeld zurück. 39 Prozent wollen die Novemberhilfen, die Umsatzausfälle durch den Teil-Lockdown zumindest teilweise ausgleichen, in Anspruch nehmen. 35 Prozent der gestützten Unternehmen nutzen die Überbrückungshilfe II, 33 Prozent Sonderprogramme der staatlichen KfW oder anderer Förderbanken.
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