Coronakrise Wiederaufbauplan für Europa: Merkel dämpft Erwartungen an EU-Gipfel
Corona, Wirtschaftskrise, Brexit: Diese Aufgaben will Deutschland als EU-Ratsvorsitzender lösen
Beim EU-Gipfel am 17. Juli kann das europäische Corona-Wiederaufbaupaket womöglich noch nicht beschlossen werden. Davor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag bereits im Handelsblatt-Interview gewarnt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel dämpft nun die Erwartungen.
„Die Positionen der Mitgliedsstaaten liegen noch weit auseinander“, sagte Merkel am Mittwoch in einer Fragestunde des Deutschen Bundestags am ersten Tag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Vor dem Gipfel seien noch „viele Gespräche notwendig“, fügte Merkel hinzu.
Die EU-Kommission hatte Ende Mai einen Corona-Wiederaufbauplan mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro vorgeschlagen, der mit europäischen Anleihen finanziert werden soll. Davon sollen 500 Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Zuwendungen an von der Coronakrise besonders stark betroffene EU-Staaten fließen.
Deutschland, Frankreich und die Südeuropäer unterstützen das Vorhaben. Doch mindestens vier EU-Staaten – die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark – bestehen darauf, dass es nur rückzahlbare Kredite, aber keine Zuschüsse aus dem Wiederaufbaupaket geben soll. In dem Streit gibt es bislang keine Annäherung.
Die Gruppe der sogenannten „Sparsamen Vier“ verlangt außerdem, dass Zahlungen aus dem Wiederaufbaufonds mit strengen wirtschaftspolitischen Auflagen verknüpft werden. Auf diese Forderung ging Merkel im Bundestag ein. Ziel des europäischen Wiederaufbaupakets sei es, wirtschaftlich schwächere EU-Staaten zu unterstützen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt zu stärken.
Das EU-Hilfspaket allein reiche dafür allerdings nicht aus. Auch die Empfängerländer müssten mit Reformen auf nationaler Ebene dazu beitragen. „Jeder Mitgliedstaat muss auch zu Hause eigene Anstrengungen unternehmen“, sagte Merkel.
EU-Wettbewerbsrecht reformieren
Auch auf EU-Ebene müsse neben dem milliardenschweren Corona-Wiederaufbaupaket noch mehr getan werden. Der deutsche EU-Ratsvorsitz werde „das Wettbewerbsrecht und den Bürokratieabbau auf die Tagesordnung setzen“. Das europäische Wettbewerbsrecht müsse es ermöglichen, dass sich auch in Europa „globale Champions entwickeln“ könnten, sagte Merkel.
Sie verwies dabei auf einen deutsch-französischen Vorschlag. Die Bundesregierung und die französische Regierung dringen darauf, die Fusionskontrolle zu lockern, um die Zusammenschlüsse großer europäischer Unternehmen zu erleichtern. Insgesamt habe Europa gegenüber anderen Teilen der Welt „einen erheblichen Rückstand bei der Wettbewerbsfähigkeit“, betonte Merkel. Das gelte nicht nur für den digitalen Bereich der Wirtschaft.
Merkel äußerte sich in der Fragestunde auch zu dem zweiten großen Thema der deutschen EU-Präsidentschaft: Dem Brexit. In den Verhandlungen mit Großbritannien über ein Handelsabkommen seien „die Fortschritte sehr übersichtlich, um es zurückhaltend zu formulieren“, sagte die Kanzlerin.
Deshalb bestehe die Gefahr, dass es zu einem ungeordneten britischen Austritt aus dem europäischen Binnenmarkt zu Jahresende komme. Die EU bemühe sich zwar intensiv um den Vertrag mit Großbritannien. „Wir sollten für den Fall vorbereitet sein, dass ein Abkommen doch nicht zustande kommt“, warnte Merkel.
Die frisch gebackene EU-Ratsvorsitzende räumte zudem ein, dass die EU ihr Verhältnis zur Türkei neu definieren müsse. „Wir brauchen eine kohärente Türkei-Strategie“, sagte sie. Dabei müssten zwei Elemente berücksichtigt werden. Zum habe man ein Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Türkei in der Nato und beim Thema Migration. Andererseits müsse die EU die Menschenrechtslage in dem Land kritisieren. Beides zusammenzubringen, sei schwierig, räumte Merkel ein.
Ein weiterer Schwerpunkt in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist die europäische Klimapolitik. Die EU müsse sich über das Klimaschutzziel für 2030 verständigen und Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten dazu aushandeln. „Das fällt in die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und das wird ein Brocken werden“, sagte Merkel.
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