Dario Schramm Oberster Schülersprecher zum Schulstart: Politik hat „Sommerferien verschlafen“

„Es scheitert meist an der Zuständigkeit, die Länder schieben die Verantwortung auf die Kommunen und umgekehrt“, kritisiert Schramm die mangelnde Vorbereitung.
Düsseldorf Noch am Abend der vergangenen Bundestagswahl trat er in die SPD ein. „Zu entsetzt war ich damals über den Einzug der AfD in den Bundestag“, berichtet Dario Schramm, seit Oktober 2020 Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz. „Ich hatte den Eindruck, aufstehen zu müssen und aktiv zu werden.“ Für seine Interessen und Vorstellungen einzustehen, hält der 20-Jährige für enorm wichtig.
Als oberster Schülersprecher hatte Schramm im vergangenen Jahr vor allem über Probleme von Schülern und Schülerinnen während der Corona-Pandemie berichtet. Auf den anstehenden Schulstart nach den Sommerferien blickt er voller Sorge: „Wir haben wieder verschlafene Sommerferien erlebt. Bereits im vergangenen Jahr war die Liste der To-dos im Schulbereich enorm.“
An diesem Mittwoch beginnt für rund 2,5 Millionen Schüler in Nordrhein-Westfalen das neue Schuljahr, weitere Bundesländer ziehen in den nächsten Wochen nach. Trotz steigender Infektionszahlen soll grundsätzlich Präsenzunterricht in den Schulen stattfinden.
Distanzunterricht, mangelhafte Hygienekonzepte und unzureichende Digitalisierung hatten den Unterricht im vergangenen Schuljahr zu einem Desaster werden lassen. Laut Schramm hat sich an den Problemen wenig geändert.
Erschreckend sei, dass in diesem Jahr auf der Liste fast identische Punkte stehen: „Digitalisierung an Schulen, vor allem die Ausstattung mit gutem WLAN, Konzepte zur Kontaktreduzierung, wie etwa mehr Busse und Bahnen, und das große Thema Luftfilter.“ Zwar sei bekannt, dass Luftfilter kein Allheilmittel sind. Dennoch könnten sie einen erheblichen Beitrag leisten, um die Aerosollast in Klassenzimmern zu verringern.
Gewerkschaften, Eltern und Lehrer hatten immer wieder gefordert, zeitnah in Luftfilteranlagen für den Unterricht zu investieren, um Schließungen nach den Sommerferien zu verhindern. Das Luftfilterprogramm des Bundes in einer Höhe von rund 500 Millionen Euro, das 2020 aufgelegt wurde, förderte bereits den Einbau von Filteranlagen in öffentlichen Gebäuden, Theatern und Museen. Seit Mitte Juni 2021 gilt das Programm nun auch für Kitas und Schulen.
Die Förderung ist allerdings auf Räume und Einrichtungen für Kinder bis zwölf Jahre begrenzt, da für sie bisher kein Impfstoff gegen Corona zugelassen ist. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte noch am Montag die Impfung von Kindern ab zwölf Jahren empfohlen. Bund und Länder stellten daraufhin rasche Impfangebote in Aussicht.
Erneuter Distanzunterricht undenkbar
Neben der Ausstattung von Schulen brauche es zudem deutlich mehr Mut und Motivation in der Politik, die Dinge anzupacken, fordert Dario Schramm. „Es scheitert meist an der Zuständigkeit, die Länder schieben die Verantwortung auf die Kommunen und umgekehrt.“ Es sei frustrierend, viele Dinge lägen schließlich auf der Hand.
Der Grund für die Komplikationen sei so einfach wie schwierig: Kommunikation. Es gebe viele Dinge wie etwa den Digitalpakt, die durchaus hilfreich seien, aufgrund der fehlenden oder mangelhaften Kommunikation von Bund, Ländern und Kommunen fließen die Mittel aus diesen Töpfen aber nicht, erklärt Schramm. „In einer Krisensituation wie dieser ein Armutszeugnis.“
Einen erneuten Distanzunterricht bei Schulschließungen im Zuge eines Lockdowns hält Schramm für undenkbar. „Ein weiterer Distanzunterricht wäre aus meinen Augen das Schlimmste, was den Schülerinnen und Schülern geschehen kann.“ Auch psychische Folgen und unterschiedliche Lernfortschritte der vergangenen Lockdowns seien bereits erheblich.
Zudem könne auch nach 16 Monaten Pandemie Schule zu Hause noch immer nicht in dem Maße gewährleistet werden wie etwa vor Ort. Dario Schramm hat in diesem Jahr, während der Corona-Pandemie, seine Abiturprüfungen an der Integrierten Gesamtschule Paffrath in Bergisch Gladbach absolviert.
Ab dem kommenden Oktober wird er an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder Politik und Recht studieren. Aus der Bildungspolitik will der oberste Schülersprecher sich allerdings nicht zurückziehen.
Gerade seinem Herzensthema, der Chancengleichheit, möchte der 20-Jährige sich weiterhin widmen: „Erst wenn jede und jeder dieselben Möglichkeiten unabhängig vom Elternhaus hat, könnte ich mich entspannt zurücklehnen.“
Mehr: Scholz: Impfkampagne lässt auf normalen Schulunterricht hoffen
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Es sind nicht nur die zweiten Sommerferien, die hier verschlafen wurden. Ich habe Schulgebäude von innen gesehen, die allein schon vom baulichen Zustand her eine Zumutung sind. Ich habe Ausstattung und Einrichtung gesehen, die aus meiner eigenen Schulzeit von vor weit mehr als 30 Jahren zu stammen schienen.
Insbesondere eine handwerkliche Berufsschule mit ihren kaputten Böden, einer verranzten Kaffee-Ecke,
verschlissenen Kreidetafeln (!) und der technischen Ausstattung aus dem Videoplayer-Zeitalter geht mir nicht mehr aus dem Kopf - eine Beleidigung für jene, die etwas lernen möchten.
Wie sollen da "zeitnah" überfällige Digitalisierung oder die Ausstattung mit Lufttauschern gelingen?
Von einem zarten Ansatz zur Chancengleichheit profitierten wir in den 70er Jahren...