Datenkonzerne EU-Regulierung: Lieferanten sollen den Algorithmus kennen, der sie steuert

Die Auftragnehmer von Liefer-Plattformen sollen mehr Rechte erhalten.
Brüssel Die EU plant ein umfassendes Gesetz zur Regulierung von Digitalkonzernen. Viele der neuen Vorschriften sind unstrittig. Sie sollen dafür sorgen, dass große Internetplattformen ihre Macht nicht zum Nachteil kleiner Anbieter ausnutzen. Für die digitale Wirtschaft werden daraus völlig neue Spielregeln entstehen. Strittig ist, für wen die neuen Regeln genau gelten.
Der Vorschlag, auf dessen Grundlage der Justizausschuss des Europaparlaments über das Gesetz diskutieren wird, sieht nun vor, deutlich mehr Plattformen einzubeziehen und gesonderte Regeln für solche Unternehmen einzuführen, die Arbeitsaufträge an viele Einzelpersonen vergeben – also vor allem Fahr- und Lieferdienste wie Uber oder Lieferando.
„Diese Plattformen üben eine erhebliche Marktmacht aus und diktieren inakzeptable Arbeitsbedingungen“, heißt es in dem Vorschlag, den der zuständige Abgeordnete Tiemo Wölken (SPD) am Donnerstag an die Parlamentarier verschickte und der dem Handelsblatt vorliegt. Um dem entgegenzuwirken, sollen die Arbeiter einen Kommunikationskanal bereitgestellt bekommen, in den ihr Auftraggeber keine Einsicht hat. In der Vergangenheit hatten die Arbeiter immer wieder Probleme dabei, sich zu organisieren und ihre Rechte durchzusetzen.
Außerdem sollen sie mehr über die Algorithmen erfahren, auf deren Grundlage sie eingesetzt werden. „Digitale Arbeitsplattformen müssen zu absoluter Transparenz gegenüber den Beschäftigten gezwungen werden – dass Blackbox-Algorithmen menschliche Arbeit diktieren, ist nicht akzeptabel“, sagte Wölken.
Damit die Lieferdienste von dem Gesetz namens „Digital Markets Act“ (DMA) erfasst werden, müsste sich sein Anwendungsbereich deutlich ausdehnen. Dann würden die Lieferdienste auch die vielen anderen geplanten Vorschriften zur Gleichbehandlung ihrer Nutzer beachten müssen.
Eine Frage der Schwellenwerte
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen in der Regel nur sehr große Unternehmen reguliert werden, die einen hohen Umsatz machen, viele Nutzer haben und in mehreren Ländern aktiv sind. Der Parlamentsberichterstatter Andreas Schwab (CDU) will die Schwellenwerte dazu noch erhöhen. Wölken will sie eher senken und vor allem festlegen, dass nicht alle, sondern nur wenige der Kriterien erfüllt sein müssen. Je nach Ausgestaltung könnten vom DMA nur Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft erfasst werden oder auch diverse europäische und chinesische Anbieter.
„Wer den DMA nur als Notnagel gegen die Dominanz einschlägiger amerikanischer Plattformen sieht, verkennt sein Potenzial“, sagte Wölken. „Die bisherigen Vorschläge aus dem Europäischen Parlament drohen dem Gesetz die Zähne zu ziehen.“
Aufgenommen werden wird wohl auch eine Regulierung für Sprachassistenten. Die EU-Kommission hatte am Mittwoch Ergebnisse einer Marktuntersuchung vorgestellt und will die Marktmacht von Siri, Alexa oder Google Assistant stärker in den Blick nehmen.
Die Systeme gelten als anfällig für eine Ungleichbehandlung von angeschlossenen Diensten, weil sie dem Nutzer in der Regel keine Auswahl an Produkten vorschlagen, sondern nur ein einzelnes. Außerdem findet man in der EU-Kommission, dass die Hersteller ihre Geräte dergestalt öffnen sollten, dass sich über den Lautsprecher eines Herstellers auch eine fremde Assistenz-Software nutzen ließe.
Mehr: EU-Regulierung von Tech-Konzernen: Fesseln oder zerschlagen?
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