Der Chefökonom Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters käme politischem Selbstmord gleich

Die Mehrheit der erwerbstätigen Rentner hat Spaß an der Arbeit.
Düsseldorf Die Corona-Rezession hat selbst Daueroptimisten vor Augen geführt, dass die besten Jahre der deutschen Volkswirtschaft hinter uns liegen. So ist der Anteil der besonders produktiven industriellen Kerne an der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung seit 2016 von knapp 24 Prozent auf gut 21 Prozent zurückgegangen. Und niemand kann sagen, ob und wann die gewaltigen Wohlstandsverluste der aktuellen Megarezession aufgeholt sein werden.
Überdies setzt schon bald ein gut 20 Jahre anhaltender Alterungsschub der Bevölkerung ein, der die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung erschwert. Denn die beachtlichen Rücklagenpolster der Rentenversicherung wurden in den letzten beiden Legislaturperioden durch vorrangig klientelspezifische Leistungsverbesserungen aufgebraucht.
Noch im Herbst 2018 glaubte die Große Koalition daran, ohne nennenswerte neue Steuerzuschüsse bis 2025 das Rentenniveau bei 48 Prozent und den Beitragssatz bei 20 Prozent stabilisieren zu können. Die Corona-Rezession macht nun einen dicken Strich durch diese Rechnung.
Verschärft wird die Lage dadurch, dass der gesamtwirtschaftliche Lohnrückgang zwar die Beitragseinnahmen mindert, nicht aber die Rentenausgaben, weil der 2009 vom damaligen Sozialminister Olaf Scholz eingeführte Nachholfaktor ausgesetzt wurde.
Die Folge: Ausbleibende Rentenkürzungen nach Lohnsenkungen werden nicht mehr in Form geringerer Rentensteigerungen auf die Folgejahre verteilt. Das Rentenniveau steigt – und damit der Druck für Reformen, um die langfristige Zahlungsfähigkeit der Rentenversicherung gewährleisten zu können.
Bei jeder Rentenreform stehen vier Stellschrauben zur Verfügung: Beitragssatz, Rentenniveau, Renteneintrittsalter und staatliche Steuerzuschüsse. Viele Ökonomen präferieren, ab 2031 das Renteneintrittsalter von dann 67 Jahren kontinuierlich an die steigende Lebenserwartung anzupassen und bis auf 69 wenn nicht 70 Jahre anzuheben.
Wenn das Verhältnis von Rentenbezugsdauer und Beitragsjahren im Durchschnitt stabilisiert werde, würden die Kosten einer steigenden Lebenserwartung gleichmäßig auf Beitragszahler und Rentenempfänger verteilt. Zudem werde mit der stetigen Verlängerung der Erwerbsbiografie des Standardrentners auch das Rentenniveau steigen.
Spaß an der Arbeit
Diese Forderung klingt plausibel, basiert aber auf einem Werturteil hinsichtlich der Verteilung der Kosten der steigenden Lebenserwartung innerhalb der Gruppe der Rentenversicherten. Dieses Werturteil kann man teilen, muss es aber nicht.
So lag das gesetzliche Renteneintrittsalter von 1957 bis 2012 unverändert bei 65 Jahren, obwohl sich in dieser Zeit mit der steigenden Lebenserwartung die durchschnittliche Bezugsdauer der Altersrenten etwa verdoppelt hat. Erst mit der am Ende der 1980er-Jahre verstärkten Sorge um die finanzielle Nachhaltigkeit des Rentensystems wurde auch über eine Anhebung der Regelaltersgrenze diskutiert.
Schließlich war es Sozialminister Franz Müntefering (SPD), der 2007 die „Rente mit 67“ durchsetzen konnte. Erleichtert wurde dies sicher dadurch, dass die im Jahr 2012 einsetzende gleitende Anhebung dieser Altersgrenze erst ab dem Jahr 2031 voll greift.

Prof. Bert Rürup ist Präsident des Handelsblatt Research Institute (HRI) und Chefökonom des Handelsblatts. Er war viele Jahre Mitglied und Vorsitzender des Sachverständigenrats sowie Berater mehrerer Bundesregierungen und ausländischer Regierungen. Mehr zu seiner Arbeit und seinem Team unter research.handelsblatt.com.
Für eine Anbindung der Regelaltersgrenze an die steigende Lebenserwartung spricht zudem, dass so das Arbeitsangebot ausgeweitet würde. Diesem plausiblen technokratischen Grund steht allerdings das steigende Medianalter der Wähler gegenüber.
Dieses mittlere Alter lag bei der Bundestagswahl 2005 bei 48,5 Jahren, bei der Wahl im Jahr 2017 bei 52,9 Jahren, und im nächsten Jahr dürfte es bei etwa 54 Jahren liegen. Da mit dem steigenden Altersdurchschnitt der Wähler erfahrungsgemäß die Zustimmung zu einer höheren Regelaltersgrenze abnimmt, gleichen solche Forderungen eher einem technokratischen Glasperlenspiel als einer realpolitischen Option.
Ungeachtet dessen möchten jedoch immer mehr Rentnerinnen und Rentner arbeiten. Neue Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen, dass weit mehr als ein Viertel von ihnen in den ersten drei Jahren nach Rentenbeginn erwerbstätig ist – auch, aber keineswegs nur wegen des Geldes.
Von denjenigen, die aktuell keiner Erwerbsarbeit nachgehen, gibt jeder sechste an, gern wieder eine Erwerbsarbeit aufzunehmen, wenn die Möglichkeit dazu bestünde. Im Fokus der Befragung standen Ruheständler im Alter von 58 bis 71 Jahren.
Die große Mehrheit der insgesamt 1,45 Millionen erwerbstätigen Rentner bekundete, Spaß an der Arbeit zu haben und sich neben Kontakten zu anderen Menschen auch weiterhin eine Aufgabe und Anerkennung zu wünschen. In den kommenden Jahren dürfte dank der steigenden Lebenserwartung, die in den meisten Fällen mit einem Gewinn an gesunden Lebensjahren verbunden ist, dieser Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe weiter zunehmen.
Zudem scheint für viele ältere Erwerbstätige der anstehende Renteneintritt unfreiwillig verfrüht zu erfolgen. Immerhin 21 Prozent der Frauen und 16 Prozent der Männer wären gern länger ihrer bisherigen Tätigkeit nachgegangen – empfanden ihre Arbeit mithin nicht als Last. Ein wichtiger Grund dafür, dass viele Ältere unfreiwillig nicht mehr erwerbstätig sind, dürfte in der Ausgestaltung von Arbeits- und Tarifverträgen liegen, meint das IAB als wohl unverdächtiger Kronzeuge. Diese Verträge sehen häufig eine feste obere Altersgrenze vor, ohne dass dies mit dem individuellen Austrittswunsch übereinstimmen muss.
Eine kluge Rentenpolitik sollte daher nicht zwingend die bestehende Regelaltersgrenze weiter anheben. Stattdessen könnte und sollte sie Anreize setzen, dass möglichst viele ältere Erwerbstätige freiwillig länger arbeiten. Dabei gilt es, an das „Flexi-Gesetz“ von 2014 anzuknüpfen. Außerdem sollten die im internationalen Vergleich recht geringen Ab- und Zuschläge bei vorzeitigem und hinausgeschobenem Rentenbeginn alsbald auf den Prüfstand kommen.
Sicher, eine Patentlösung für die bevorstehenden, demografisch schwierigen zwei Dekaden gibt es nicht. Klar ist jedoch, dass zukünftige Regierungen alles unternehmen müssen, das Arbeitsangebot zu stärken. Einen bislang zu wenig beachteten Beitrag könnten dabei jene rüstigen Rentner/innen leisten, die sich zu jung fürs Altenteil fühlen. Dieses Potenzial gilt es allemal zu nutzen.
Mehr: Ohne wachstumspolitische Offensive wird die Rezession Deutschlands Wohlstand auf Dauer mindern.
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Zu den Kommentatoren Cebulla und Oser sei gesagt, dass Dank der Schulden der Südländer der Euro so schwach war, dass unsere Exportgüter wie geschnittenes Brot verkauft wurden. Dass der Süden durch Corona nun wirklich Hilfe braucht und das auch in unserem Interesse und nicht nur aus nächsten Liebe, weil sons unser wichtigster Wirtschaftsraum implodiert, möchte ich mal erwähnen. Ein flexiblen Eintrittstermin halte ich auch für sinnvoll und keine Pflicht Verlängerung, Ich mag meinen Beruf aber mit 67 ist Schluss. Und ich kenne einige, die alles dafür tun, dass mit 61 Schluss ist.
Frau Merkels versagen wird auch in der Rentendiskussion deutlich.
Millarden deutche € werden verschenkt
Hunderte milliarden € jedes Jahr für ihre Gäste in D u es werden jeden Monat tausende mehr, trotz Corona
Beamten u Politikerpensionen stehen nicht zu Diskussion, Merkelisten müssen weiter bei finanzieller Laune gehalten werden.
Nein das Rentensystem wurde seit 1989 systematisch von der berliner Politik geplündert und die die das betrifft mit Lügen still gehalten.
Leider haben da die Q-Medien mitgespielt u sie werden dafür politisch fürstlich belohnt
Aufwachen, auch die Q.Medien, es ist aber schon zu spät
Mit 67 Jahren ist das Renteneintrittsalter in Deutschland das höchste in der EU.
Um die Hochverschuldeten Südländer zu unterstützen verschenkt Deutschland mehrere hunderte Milliarden Euro um diese dann bei den eigenen Rentnern wieder abzukassieren.
Dafür gönnen sich diese Länder ein deutlich früheres Renteneintrittsalter.
Nur z.B. Frankreich 62 J, Italien 62 J, und Griechenland 62 J, wobei das tatsächliche Renten-Eintrittsalter in diesen Ländern unter 60 J liegt.
In Deutschland soll nun über 67 Jahre hinaus gearbeitet werden bis 70 J.
Ja irgendwoher müssen die Milliarden ja kommen die diese Regierung laufend verschenkt.
Würden wir unser Geld nicht sinnlos verschenken müssten wir über die Rente mit 58 J reden und nicht über 70 J.