Deutsche Bahn Warum dem deutschen Schienennetz ein Family-Office helfen könnte

Kunden der Deutschen Bahn sind leiderprobt, Zugausfälle und Verspätungen sind die Regel.
Berlin Für den Berner Peter Füglistaler steht außer Frage, dass die Verhandler von SPD, Grünen und FDP in Berlin ihren Blick unbedingt auf die Schweiz richten sollten, bevor sie abschließend über die Zukunft der Deutschen Bahn AG entscheiden. „Wenn die Aufteilung der Deutschen Bahn in Verkehr und Netz das Problem lösen würde, hätte man es wahrscheinlich schon lange gemacht“, sagt der Chef des schweizerischen Bundesamtes für Verkehr. „Es wäre ein Riesenaufwand, mit dem die Probleme nicht gelöst wären.“
Füglistaler ist der oberste Kontrolleur des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz, allen voran der Bundesbahn, die auch das Netz betreibt. In der Schweiz definiert die Politik, was sie von der Bahn erwartet, was wiederum Füglistaler und seine Beamten exekutieren. Sein Bundesamt bestellt Strecken und verteilt Subventionen an die Bahn und kontrolliert, ob die Ziele eingehalten werden.
FDP und Grüne würden nur allzu gern die Deutsche Bahn AG aufspalten – und so für Schwung auf dem Schienennetz sorgen. Wettbewerb soll für ein besseres Bahnsystem sorgen, mehr Kunden und Güter in die Bahnen locken und so helfen, Mobilität ökologisch abzuwickeln – so, wie es in der Schweiz seit Langem politischer Konsens ist und wo mit Blick auf die zurückgelegten Personenkilometer der öffentliche Verkehr einen Marktanteil von 28 Prozent hat. Hierzulande sind es knapp 15 Prozent.
Die Bahn befindet sich in schlimmer Verfassung
Obendrein ist die DB in einer schlimmen Verfassung: Schulden von mehr als 30 Milliarden Euro lähmen den Konzern, ein Drittel der Züge im Fernverkehr ist unpünktlich. Ob eine Trennung helfen würde? SPD und Gewerkschaften halten dagegen. Das System Schiene hat seinen Marktanteil seit der Umwandlung der Bundesbahn in die Deutsche Bahn AG im Jahr 1994 kaum erhöht.
Auch die Wettbewerber der Bahn sind uneins. Während die Monopolkommission und Wettbewerber wie Flixtrain, Abellio oder Transdev die „Schieneninfrastruktur in einer gemeinwohlorientierten Gesellschaft in direktem Bundesbesitz“ organisieren wollen, wirbt das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), der Zusammenschluss der Güterbahnen, für das Schweizer Modell. Die Netzgesellschaft der Bahn, die DB Netz AG, solle klare Vorgaben erhalten: die Kapazität des Netzes, bessere Qualität, Diskriminierungsfreiheit, gesteigerte Bedienerfreundlichkeit und Wachstumsorientierung der Infrastruktur.

Anbieter wie Flixtrain, Abellio oder Transdev wollen die „Schieneninfrastruktur in einer gemeinwohlorientierten Gesellschaft in direktem Bundesbesitz“ organisieren.
Kontrollieren würde regelmäßig eine „verpflichtende Fachbehörde wie in der Schweiz“. „Ziele müssen so definiert werden, dass sie auch erreicht werden können“, heißt es in einer Erklärung, die der Verband an diesem Donnerstag vorstellen will. Für volkswirtschaftliche Ziele müsse der Staat die Rahmenbedingungen schaffen, das Management könne nur Ziele erreichen, die in seiner Sphäre lägen.
Auch Füglistaler rät dazu, solche Ziele jährlich festzulegen und zu überprüfen: „Bei jedem Euro, der ins Unternehmen fließt, muss der Staat sagen, was er sich von dem Geld erwartet. Trotzdem muss das Unternehmen daran gebunden sein, Ziele wirtschaftlich zu verfolgen.“
Die Netzgesellschaft als „Costcenter“
Ähnlich argumentiert der Güterbahnenverband. Die Bahn solle sich aufs Kerngeschäft konzentrieren, heißt es in einem Positionspapier an die Verhandlungsteams von SPD, Grünen und FDP. Die Netzsparte solle sich unabhängig vom Rest des Unternehmens finanzieren und „Dienstleister all ihrer Kunden“ werden, sich weniger auf Gewinne als vielmehr auf Umsatz- und Transportleistungsziele konzentrieren und ein „Costcenter“ sein.
Womöglich wäre es ein Kompromiss, mit dem sowohl FDP und Grüne als auch die SPD und mit ihr die Eisenbahnergewerkschaft EVG leben könnten. Deren Mitglieder demonstrierten am Dienstag in Nürnberg unter dem Motto: Hände weg von unserer Bahn. „Die Trennung ist unsere rote Linie“, sagte der EVG-Vizechef Martin Burkert und drohte unmissverständlich: Sollten die Ampelkoalitionäre die Deutsche Bahn zerschlagen wollen, werde die EVG das Land lahmlegen.
Ob die Bahn ihre Aufgaben als Behörde oder als Aktiengesellschaft erledigt – für Füglistaler ist es vor allem eine Frage der richtigen Unternehmensführung. „Eine Gesellschaft mit einem Aktionär hat oftmals ein Family-Office, das dem Aufsichtsrat und dem Vorstand aufgibt, was zu tun ist“, weist er die Richtung. So sei es selbst bei Konzernen wie Volkswagen. „Der Staat sollte bei seinen Gesellschaften ein Family-Office einrichten, um seine Eigentümerfunktion wahrzunehmen“, rät der oberste Wächter des öffentlichen Verkehrs in dem kleinen Bergstaat.
Bisher zog sich die Bundesregierung darauf zurück, dass das Aktienrecht Einflussnahme untersage. In der Tat sieht es kein Weisungsrecht des Aufsichtsrats an den Vorstand vor. Dieser führt das Unternehmen in eigener Verantwortung und legt auch die Strategie fest. Doch in den zurückliegenden Jahren sind die Aufgaben des Aufsichtsrats ausgebaut worden – auch auf Druck von Investoren und aktivistischen Anlegern. Das Kontrollgremium wird beim Thema Strategie in die Pflicht genommen.
Das spiegelt sich etwa im Deutschen Corporate Governance Kodex. „Der Vorstand entwickelt die strategische Ausrichtung des Unternehmens, stimmt sie mit dem Aufsichtsrat ab und sorgt für ihre Umsetzung“, heißt es dort.
Die Kontrolleure haben also bei der Strategie ein Wörtchen mitzureden. Zudem ist der Eigentümer auch der Geldgeber und muss laut Kodex Geschäften „von grundlegender Bedeutung“ zustimmen. Hebel für den Bund, bei der Bahn noch stärker zu steuern, gebe es also schon jetzt. Darüber hinaus sind da die vielen Milliarden Euro, die der Bund ins Netz steckt.
Der Eigentümer muss die Richtung vorgeben
Bleibt dann aber noch eine ganz andere Frage: Wie kann die Bahn im Wettbewerb mit Auto, Lkw und Flugzeug bestehen? Die letzte Koalition hatte das Ziel ausgerufen, dass die Bahn bis 2030 doppelt so viele Menschen transportiert wie heute und deutlich mehr Güter. Zwar fließen jährlich etliche Milliarden in die Bahn und das Netz. Doch Ziele und Geld allein reichen nicht.
„Verlagerung von der Straße auf die Schiene hat sehr viel mit stabilen Rahmenbedingungen zu tun, es hat sehr viel mit viel Geld, also Investitionen in das Netz, zu tun und zum Schluss mit der Leistungsfähigkeit der Bahnen“, sagt der Schweizer Bahnkontrolleur Füglistaler. Es sei zum Beispiel ein Fehler, dass in Deutschland die Bahn den Ausbau des Schienennetzes kofinanzieren muss. „Besser ist es, wenn das Parlament den Ausbau beschließt und die Finanzierung in einem Fonds sicherstellt.“ Für ihn steht fest: „Die politischen Vorgaben entbinden den Eigentümer nicht von der Aufgabe, für eine gute Leistung zu sorgen.“ Und er mahnt: „Der Eigentümer ist verantwortlich für die Governance, für die richtigen Führungsstrukturen, das richtige Management.“
Mehr: Baerbock mobilisiert Umweltverbände gegen Ampelpartner
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.