Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft Wie Andreas Scheuer ein Forschungszentrum für Bayern vor seinen Nachfolgern schützen will

Geht es um staatliche Finanzierung für ein später privatwirtschaftliches Institut? Der Minister will das Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft als Stiftung aufsetzen.
Berlin Während die künftigen Koalitionäre von SPD, Grünen und FDP noch über ihren verkehrspolitischen Fahrplan für die neue Legislaturperiode beraten, versucht der noch geschäftsführende Minister Andreas Scheuer den vermutlich gewichtigsten Teil seines politischen Erbes zu retten: Der CSU-Politiker will das von ihm erdachte Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft (DZM) mit Sitz in München schnell noch als Stiftung gründen und so vor dem Zugriff künftiger Minister schützen.
Diese Interpretation jedenfalls kursiert im Ministerium über die neuerlichen Aktivitäten im Haus. Immerhin geht es allein bis 2024 um fast eine halbe Milliarde Euro, die in das Projekt fließen soll. Weil es angesichts des bevorstehenden Regierungswechsels schnell gehen muss, so heißt es, könnte sogar eine „Treuhand-Stiftung“ entstehen.
Das Konzept erinnert an den Datenraum Mobilität, den die Akademie der Technikwissenschaften, ebenfalls mit Sitz in München, treuhändisch für den Bund aufgebaut hat – allerdings als GmbH. Gesellschafter sind inzwischen etliche Privatunternehmen, die nun die künftige Finanzierung übernehmen.
Den Start hatte der Bund mit sechs Millionen Euro finanziert. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte die Stiftungspläne im Grundsatz. So sei „nach derzeitigem Stand“ eine „Stiftung bürgerlichen Rechts“ geplant. „Diese Rechtsform ist am besten geeignet, die mit der Gründung des DZM verfolgten Ziele zu erfüllen. Weitere Einzelheiten werden hierzu derzeit erarbeitet und abgestimmt.“
Stiftungen sind bei Forschungsstellen unüblich
Der Vorgang ist aber alles andere als normal. Für gewöhnlich sind die Forschungseinrichtungen des Bundes eine Bundesanstalt, etwa für Straßenwesen oder für Wasserbau, in anderen Fällen ein Bundesinstitut – für Bau-, Stadt- und Raumforschung zum Beispiel oder für Gewässerkunde. Oder es handelt sich um ein Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie, eine Bundeszentrale oder ein als Verein organisiertes Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Aber eine Stiftung, womöglich gespeist mit viel Steuergeld, ohne politische Einflussnahme und dann noch eine Art Sondervermögen außerhalb jeglicher Haushaltshoheit?
Das DZM soll losgelöst vom politischen Tagesgeschäft und selbst „Meinungsbildner“ sein, begründet die derzeitige Geschäftsführerin, Julia Schmid, die Pläne für eine Stiftung und stellt klar: „Wir sind keine Behörde des BMVI.“ Es gelte, „neue Wege vorzuschlagen und einzuschlagen“.
Kritiker wittern dagegen einen Plan von Minister Scheuer. Der CSU-Politiker hatte im März 2020 – während des bayerischen Kommunalwahlkampfs – verkündet, das DZM zu gründen und in seiner Heimat-Landeshauptstadt eng mit der dortigen Technischen Universität (TU) zu verbinden. Erstes Geld ließ er sich im November des Jahres von den Haushältern im Bundestag genehmigen, die dafür „Satellitenstandorte“ in ihren Heimatwahlkreisen erhielten.
Frust in den Satellitenstandorten
Dorthin sollten eigentlich schon in diesem Jahr bereits mehr als 40 Millionen Euro fließen, entstanden ist aber bisher nur Frust, wie sie im Ministerium registrieren. Ohne Gründung gibt es schließlich auch keine Satelliten. „Da das DZM noch nicht formal gegründet ist, handelt es sich um ein Projekt des BMVI“, erklärte ein Sprecher. Deshalb müssen die Standorte aufwendig Anträge für Projekte stellen, wenn sie schon Geld erhalten wollen. Dafür aber fehlt das Personal. Später sollen weitere Standorte hinzukommen, allerdings stünden Regeln für ein transparentes Auswahlverfahren „erst in den Grundzügen fest“, wie es im Ministerium hieß.
Ohnehin gibt es erst seit August dieses Jahres ein Konzept, erstellt von der „PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH“, die als Tochtergesellschaft des Bundes Konzepte für öffentlich-private Partnerschaften erarbeitet. Sie hatte für den Minister bereits ein Gutachten erstellt, um eine Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft zu gründen – als GmbH. In der Frage des DZM legte die PD erst im August eine Kurzfassung (19 Seiten) mit allerhand Schlagworten wie „Cluster“, „KI“ „Reallabore“ und „Mobilitätsakademie“ vor – und empfahl in der nichtöffentlichen Langfassung eine Stiftung.
Mit dem Gutachten im Gepäck feierte Scheuer mitten im Bundestagswahlkampf die „Gründung“ in München – im Beisein von Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder und dem Ex-Präsidenten der Hochschule, Wolfgang Herrmann. 24 Jahre lang hatte der Professor die TU geleitet und in der Zeit eine Universitätsstiftung gegründet. Seither engagiert er sich für das Fundraising der Exzellenzuni. Seine Amtskette an der Hochschule für Politik der TU erhielt er 2014 vom heutigen CSU-Generalsekretär Markus Blume.
Herrmann ist zugleich Vorsitzender des Gründungsbeirats des DZM. Seine TU stellt zwei der drei Mitarbeiter des DZM, darunter Geschäftsführerin Schmid, seine ehemalige Leiterin des Präsidialstabs, selbst Wissenschaftlerin mit Schwerpunkt Forstliche Wirtschaftslehre. Den zweiten Geschäftsführer stellt das Ministerium.
Ampelkoalition will das DZM „neu aufstellen“
Dort hieß es, das Zentrum solle voraussichtlich „im ersten Halbjahr 2022“ rechtsfähig sein. Bis dahin könnte ein Treuhänder agieren. Wie sich die Stiftung finanziert, ist indes ebenso nebulös. Das Ministerium äußerte sich nicht dazu, ob die vorgesehenen Haushaltsmittel Stiftungskapital sein sollen. Fest steht allein, dass im Bundesetat 322,5 Millionen Euro bis 2024 reserviert sind und weitere Mittel für Themen wie Urban Air Mobility, synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff ebenfalls Schwerpunkte des DZM werden sollen – finanziert mit 100 Millionen Euro aus dem Energie- und Klimafonds des Bundes.
Vielleicht sitzen erste Co-Finanzierer bereits im Gründungsbeirat: Dort finden sich neben mehreren Mitgliedern der TU München auch Unternehmensvertreter von Airbus, der Bahn, von Lufthansa und ebenso die Präsidentin des Automobilverbands oder der Chef der IG Metall, zugleich Aufsichtsrat bei Volkswagen. Laut Ministerium erarbeiten die Beiratsmitglieder „Vorschläge für inhaltliche Schwerpunkte“.
Die Sorge, dass ein Minister der SPD, der Grünen oder der FDP das Zentrum wieder stoppen könnte, ist nicht unberechtigt. Bereits Ende vergangenen Jahres gab es heftige Kritik daran, als sich Scheuer von den zuständigen Haushaltspolitikern das Geld sicherte. Die FDP kritisierte, es sei „kein Augenmerk“ auf die Wirtschaftlichkeit gelegt worden. Auch die Grünen kritisierten es als wider die Haushaltsordnung, mehr als 40 Millionen Euro für eine Gründung einzuplanen. Auch widerspreche es dem Sinn einer Forschungseinrichtung, Unternehmensgründungen zu fördern.
In den Koalitionsgesprächen, so hieß es, sei das DZM zwar nur am Rande besprochen worden. Es solle aber „neu aufgestellt“ werden.
Mehr: Datenlieferant Auto: Hersteller wollen Informationen zentral vermarkten
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@Hr. Peter: haben Sie den Artikel eigentlich gelesen? Warum nehmen Sie Scheuer in Schutz? Und was mich (diesmal ehrlich) interessiert: worauf genau soll ich neidisch sein? Profitieren Sie sogar von diesem Zentrum oder Ihre Familie?
Es geht hier um die Machenschaften der Marionette Scheuer und um höchstes Politikversagen.
@Herr Kamil F. und Herr Mathias Hoffmann
Fakten haben auch immer etwas mit Volumen in Euro und Ergebnis zu tun.
Erschaffen Sie doch einfach mal so ein Forschungszentrum in Berlin und schauen, was dabei herauskommt: Nichts außer heißer Luft oder hochspekulative Start-ups, die von Nullzinsen und der Fehlallokation von Ressourcen profitieren.
Die Bayern können einen Flughafen bauen, die Berliner nicht. FAKT!
Schauen Sie sich einfach mal die Bauzeit und die Baukosten an - vielleicht sogar die Funktionalität!
Zwar bin ich selbst kein Bayer, doch schätze ich deren Leistung - auch für Deutschland - es kommt meist was sinnvolles dabei heraus - ganz im Gegensatz zum obigen Beispiel Berlin!
Aus Euren Mündern höre ich NEID!
danke an Hrn. Mathias Hoffmann.
Scheinbar schmeckt es nicht allen Foristen, wenn Fakten genannt werden!! Verdrängung, Leugnung und andere Schuldige suchen hilft da auch nicht ;)
Schönen Tag!
Ja, ja, das alte geliebte Bayern - bashing! Bayern sind die idealen Sündenböcke!
Schaut doch mal auf den Jens Spahn, der etliche Milliarden für Masken versenkt hat* - und zudem durch sein ewiges Schlafen die vierte Welle stark begünstigt!
Dass bei Merkel niemand hochkommt, wenn er auch nur die geringste Qualifikation hat, ist unbestritten. Aber NUR auf den Scheuer einschlagen ist langweilig und etwas ungerecht! Und in Anbetracht der geringen Summen, die wahrscheinlich sogar für sinnvolle Investitionen ausgegeben werden, LÄCHERLICH!
Auf mich macht das Ganze den Eindruck: Man möchte einfach mal wieder mit Dreck werfen, irgendetwas wird wohl hängen bleiben und von der Unfähigkeit Merkels und deren Seilschaft ablenken!
*die Liste seiner Fehlbarkeit ist sehr viel länger, man denke nur an die verspätete Bestellung der Impfstoffe oder die mangelhafte Digitalisierung oder seine privaten Immobilien Mauscheleien - siehe wikipedia!
Dass die Bevölkerung die Qualifikation eines Herrn Scheuer für das Ministeramt nicht so recht erkennen kann, mag vermutlich daran liegen, dass Bevölkerung und CSU unterschiedliche Auffassungen davon haben, was die Aufgaben eines Ministers sind. Die CSU betrachtet ein Ministeramt auf Bundesebene nicht als für die BRD zuständig, sondern ausschließlich für Bayern. Daher gilt es, Gesetze im Sinne Bayerns durchzusetzen und Geld nach Bayern umzulenken. Der Rest der Republik ist nicht relevant, denn dort gibt es ja keine CSU. Deswegen ist die Bevölkerung (zumindest außerhalb Bayerns) immer irriert, wenn es um CSU Politiker geht.
Das zeigt eine der großen Schwächen von Angela Merkel auf. Man lässt lobbygetriebene Minister, die sich als Vollversager disqualifiziert haben einfach weiter machen. Andreas Scheuer hätte schon vor JAHREN seinen Ministerjob abtreten müssen.