Deutschlandtag Armin Laschet übernimmt Verantwortung für Wahldebakel – und weist den Weg aus der Krise

Nach der umfassenden Kritik des JU-Vorsitzenden Kuban schloss sich der gescheiterte Kanzlerkandidat vielen monierten Punkten an.
Berlin Armin Laschet übernimmt die volle Verantwortung: „Wir haben ein bitteres Ergebnis erzielt. Diese Verantwortung für dieses Ergebnis trage ich. Den Wahlkampf, die Kampagne habe ich zu verantworten und sonst niemand.“
Es ist Deutschlandtag der Jungen Union, die erste öffentliche Zusammenkunft von CDU und CSU bei der es um den „Neuanfang“ gehen soll, nach dem Debakel bei der Bundestagswahl. Da vorne redet plötzlich der Vorsitzende der Herzen, so scheint es jedenfalls angesichts des Beifalls, den er an diesem Samstagmorgen vom Parteinachwuchs in Münster wieder und wieder erhält.
Tags zuvor hatte der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, zur Eröffnung unverblümt erklärt: „Die Lage ist beschissen. Wir haben die Wahl verloren. Und deshalb geht es in die Opposition.“ Seine Kritik war eindeutig: Die Funktionäre der Partei hätten sich auf Armin Laschet verständigt. „Wir haben diesen Kanzlerkandidaten nicht ausgesucht.“
Die Partei sei seit 2015 gespalten und im Wahlkampf ein „Hühnerhaufen“ gewesen. Ähnlich unverblümt bilanziert die Parteijugend die Lage in ihrem Leitantrag und fordert mehr klare Kante, klare Positionen, klare Kandidaten.
Junge Union lobt das „starke Signal“ ihres Bundesvorsitzenden
Laschet sieht es ähnlich, sagt: „Ich stimme fast vollständig zu.“ Er weiß, dass seine Zeit als Führungspolitiker bald zu Ende geht. „Ich kann jetzt Sneaker tragen“, sagt er angesichts der Schuhe, die hier und da von der JU verschenkt wurden. Für seine Offenheit erntet er stehenden und langen Applaus. Sie werden ihm eine Stunde zuhören, diskutieren – und Respekt zollen. Er stelle sich der Diskussion, lobt Kuban. „Ein starkes Signal.“
Einer der Streithähne fehlt in der Stadt des westfälischen Friedens: Markus Söder. Der CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern hat seine Reise abgesagt. „Rede und Diskussion“ stand bei ihm auf der Tagesordnung, direkt hinter Armin Laschet hatten ihn die Organisatoren des Deutschlandtag der Jungen Union vorgesehen. Der Franke hätte erwidern können.
In Münster aber fürchtete der CSU-Chef wohl, dass ihm ähnliches wie eine Woche zuvor bei der JU in Bayern widerfahren könnte: Eine Abfuhr von der eigenen Parteijugend. Eben jene hatte ihn noch vor vier Jahren auf den Schild gehoben, um den damaligen CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer vom Thron zu stoßen.
„Zugpferd“ wollen sie ihn nicht mehr nennen, nachdem er im Wahlkampf keine Gelegenheit ausgelassen hatte, Laschet zu schwächen – und damit CDU und CSU. Also meldete er sich lieber via Interview in der „Welt am Sonntag“ zu Wort und sagte: „Wir brauchen einen neuen Weg des Miteinanders.“ Am Abend schaute er sich ein Musical in Neuschwanstein an.
Ein Unionsrat soll CDU und CSU versöhnen
Kuban hat einen „Unionsrat“ vorgeschlagen, in dem CDU und CSU künftig gemeinsam und vertrauensvoll miteinander reden. Laschet begrüßt dies auch, um etwa den quälenden Streit aus dem Frühjahr um die Kanzlerkandidatur künftig zu verhindern. „Er muss zwei gleichberechtigte Parteien versöhnen und trotzdem anerkennen, dass die eine mehr Mitglieder hat als die andere“, sagte er und stellte klar, dass er darin einen Grund für die Niederlage sieht. „Wenn man vor Ort entschieden hat, die oder der ist unser Kandidat und danach sagen die anderen, die nicht gewählt worden sind, ja, aber wir haben trotzdem den Besseren: Wenn man so in Wahlen geht, gewinnt man nicht.“
Friedrich Merz hatte dem Vorschlag für einen Unionsrat bereits am Freitagabend in seiner Rede beim Parteinachwuchs zugestimmt. Auch in der Frage des Parteivorsitzes kann er sich eine Mannschaft vorstellen, anstatt einer Kampfkandidatur – wenn es ein hohes Maß an Vertrauen gäbe, Loyalität und Verschwiegenheit. Dann werde er sich gern „einbringen und auch einreihen“.

Weil er als nicht besonders verschwiegen gilt, muss sich der 41-jährige CDU-Vize Kritik anhören.
Solche Botschaften sind wichtig in Zeiten, da die Union ihre Position sucht und mit ihr einen Anführer mit der nötigen Autorität. Laschet sucht dieses Team und muss Alphatiere wie Merz, Jens Spahn, Ralph Brinkhaus, Norbert Röttgen und Carsten Linnemann zur Einigung bewegen, allesamt aus Nordrhein-Westfalen wie der Noch-Landeschef und Ministerpräsident Laschet. In Düsseldorf hat er eine einvernehmliche Einigung für seine Nachfolge organisiert. Schafft er es für den Bund?
Er will deshalb eine Mitgliederbefragung vermeiden. So etwas möge im Einzelfall helfen. In Nordrhein-Westfalen, in Baden-Württemberg aber habe dies gespalten, die SPD habe sich fünfeinhalb Monate damit beschäftigt. Laschet wirbt für den Konsens und dafür sieht er einen Bundesparteitag mit 1001 Delegierten bestens geeignet. Er sei „ein sehr gutes Instrumentarium, die Breite der Partei abzubilden“. Auch die Kandidaten sollen bereits viel untereinander telefonieren, hieß es.
Schließlich stehen bald Nachwuchsgrößen bei Landtagswahlen zur Abstimmung, wie Daniel Günther in Schleswig-Holstein und Tobias Hans im Saarland oder Hendrik Wüst, der bald statt Laschet Nordrhein-Westfalen regieren soll. „Im März und im Mai geht es um wichtige Länder. Da müssen wir wieder zusammenstehen“, mahnt Laschet. Er will die Partei geordnet einem Nachfolger übergeben.
Laschet setzt auf schnelle und klar Oppositionsarbeit
Dazu nötig sei eine gute Oppositionsarbeit im Bund, macht Laschet klar. Das Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP sei „in Ordnung“, wenn auch an vielen Stellen unklar. „Wir werden sie messen an den Taten, nicht an zwölf Seiten Sondierungspapier.“ Auch deshalb soll sich die Union schnell wieder aufstellen.

Nach der umfassenden Kritik des JU-Vorsitzenden Kuban schloss sich der gescheiterte Kanzlerkandidat vielen monierten Punkten an.
Die Ampel stehe hoch im Kurs der Menschen, „weil sie einen vertrauten Raum haben“. In der Union aber könne man Sitzungen im Liveticker nachlesen, wie bei der Kandidatenkür im April. Die sei „schon der Beginn einer Schwächung im Wahlkampf“ gewesen. Er hat inzwischen ein Handyverbot eingeführt. „So lange ich CDU-Vorsitzender bin, gilt dieses Handy-Verbot und ich rate es jedem anderen auch.“
Merz hatte zuvor gesagt, die Partei sei „ein insolvenzgefährdeter, politisch schwerer Sanierungsfall geworden“. Laschet hält von solchen Analysen nichts. Die Partei habe ein gutes Programm gehabt.
Aber es stimme, dass die Parteizentrale sich in der Opposition neu aufstellen müsse. „Wir müssen jetzt wieder selbstständig Dinge erdenken und können uns nicht auf die Regierungsarbeit verlassen.“ Vor allem aber mahnt er: „Politische Stimmungen können sich schnell ändern.“ Deshalb sei „jetzt eine klare Fehleranalyse wichtig“, um dann als Opposition „klug und intelligent den Finger in die Wunde zu legen“.
Die Chancen für Jens Spahn schwinden
Wer Laschets Nachfolger sein wird? Es bleibt unklar, allerdings gibt es Spitzen gegen den, der statt Söder nach Laschet reden darf: Jens Spahn. Ihn sehen viele in der Partei längst ähnlich kritisch wie Söder. Wenn Merz sagte: „Es müssen die drei Buchstaben CDU im Vordergrund stehen und nicht ICH“, dann meint er Spahn, wie sich mancher auf dem Deutschlandtag sicher ist. Merz sei nur ohne Spahn zu einem Team bereit.
Laschet fordert Geschlossenheit der Union – und widerspricht Merz
Der ehrgeizige Münsterländer, der sein halbes Leben schon im Bundestag sitzt und damit trotz seiner erst 41 Jahre zum Establishment gehört, gilt als einer, der gerne aus Sitzungen Informationen nach außen trägt. Doch Spahn will sich an diesem Tag als Teamspieler präsentieren, war er doch eigentlich Teil des Wahlkampfteams um Laschet. „Es geht um Team und Korpsgeist“; sagt er. „Wenn es besser ist, das Handy wegzulassen, dann ist es so.“
Laschet ist da versöhnlich an diesem Tag, auch Richtung CSU, trotz aller Querschläge und Indiskretionen. Er mahnt die Junge Union, für diese Einheit zu werben. Deshalb nimmt er auch noch einmal Partei für Wolfgang Schäuble, dem der bayerische JU-Chef den Rücktritt vom Bundestagsmandat nahe gelegt habe.
49 Jahre sitzt er bereits im Bundestag, gilt als Architekt der Deutschen Einheit, überlebte ein Attentat und habe später die Schuldenbremse mit erfunden. „Ein solch verdienter Mann hat es nicht verdient, dass er von irgendjemandem aus dem Amt gedrängt wird.“ Da schlägt Laschet das einzige Mal laut auf den Tisch. „Auch das gehört zum Stil und zum Umgang.“ Er erntet ein weiteres Mal viel und langen Applaus.
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