Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Digitale Bildung Digitaler Aufbruch: Unternehmen nehmen die Aufgabe jetzt selbst in die Hand

Deutschland tut sich schwer, seine Bürger schnell genug auf die digitale Arbeitswelt vorzubereiten. Die politischen Defizite sind so groß, dass Firmen nun selbst tätig werden.
04.03.2021 - 03:58 Uhr Kommentieren
Ein Airbus-Auszubildender zeigt bei einer Demonstration den Einsatz einer Datenbrille (Microsoft Hololens) an einem Flugzeugbauteil. Quelle: dpa
Auszubildender

Ein Airbus-Auszubildender zeigt bei einer Demonstration den Einsatz einer Datenbrille (Microsoft Hololens) an einem Flugzeugbauteil.

(Foto: dpa)

Berlin Was gestern noch Neuland war, steht heute ganz oben auf der „To-do“-Liste der Kanzlerin: die Digitalisierung. Angela Merkel hat mit ihrem Digital-Appell und der Forderung nach einer schnelleren digitalen Transformation auch das Thema digitale Bildung wieder ins Zentrum der politischen Debatte gerückt. Kurz zuvor hatte sie bereits zusammen mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek die „Initiative digitale Bildung“ gestartet.

Beide Initiativen zeigen, wie weit Wunsch und Wirklichkeit in Deutschland auseinanderfallen, wenn es um den digitalen Wandel geht. Die politischen Defizite sind so groß, dass Unternehmen die Aufgabe jetzt selbst in die Hand nehmen. „Unternehmen wie Bosch und BMW wollen sich digital revolutionieren und dabei spielt die Ausbildung eine zentrale Rolle“, berichtet Sebastian Thrun, Tech-Pionier und Mitgründer des privaten Bildungsanbieters Udacity.

Das Problem ist also erkannt, gebannt ist es jedoch auch in der Wirtschaft noch lange nicht. Nicht alle Firmen können sich eine private Bildungsoffensive leisten. Das liegt auch daran, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf die Budgets drücken, die Unternehmen für die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter bereitstellen. Bei einem Fünftel der deutschen Firmen ist der Etat für Weiterbildung laut einer Studie von Stifterverband und der Unternehmensberatung McKinsey gesunken, bei der Hälfte stagniert er.

Ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie hat Merkel – wieder einmal – die große Bedeutung digitaler Bildung nicht nur für Schüler, sondern auch für Erwerbstätige betont – und eine neue App vorgestellt. Die Resonanz ist gleich null. Offenbar will der Bund im nahenden Wahlkampf Aktivität auf einem Feld suggerieren, auf dem Deutschland weit zurückliegt – und zwar sowohl in den Schulen als auch in der Weiterbildung.

Wie weit die Schulen hinterherhinken, zeigen die jüngsten Zahlen zum Digitalpakt der Bundesregierung: Danach sind von den fünf Milliarden Euro, die der Bund von 2019 bis 2024 für die digitale Infrastruktur der Schulen bereitstellt, bis Ende 2020 gerade mal 219 Millionen Euro abgeflossen. Die Digitalisierung sei nun mal eine „große Aufgabe“, sagt die Präsidentin der Kultusminister, Britta Ernst, entschuldigend.

Dabei ist die Coronakrise längst zu einem Katalysator für die digitale Bildung geworden. Nach der gemeinsamen Studie des deutschen Stifterverbandes und McKinsey stehen heute 54 Prozent der Fort- und Weiterbildungsangebote in Deutschland digital zur Verfügung.

Vor der Pandemie war es nur gut ein Drittel. „Die Corona-Pandemie erhöht den Veränderungsdruck auf Unternehmen – und damit auch auf ihr Personal“, resümiert Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes. „Egal wo – ob im Einzelhandel, in der Logistik oder im Handwerk –, fast alle Berufe werden künftig digital geprägt sein.“

Firmen kürzen ihre Budgets für digitale Weiterbildung

Eher trostlos sieht es bei den staatlichen Anstrengungen zur digitalen Bildung aus: Das Land lähmt sich selbst. Viele Kommunen scheuen heute Investitionen, weil sie fürchten, auf den Folgekosten sitzen zu bleiben, wenn der Digitalpakt ausläuft – dessen Verlängerung die Länder bisher vergeblich fordern. Nach Angaben des Branchenverbandes Bitkom hat gerade mal jede vierte Schule ein funktionierendes Wlan.

Ein großer Sprung nach vorn kann aber nur gelingen, wenn vor allem die Finanzierung nachhaltig geregelt wird. Um zudem Chancengleichheit zu gewährleisten, brauche es statt des immer bunter werdenden Flickenteppichs der Maßnahmen vor Ort bundesweite Mindeststandards, fordert Bitkom – und räumt ein, dass dafür nach der Wahl wohl eine neue Föderalismusreform nötig wäre.

Die Coronakrise ist längst zu einem Katalysator für die digitale Bildung geworden. Quelle: dpa
Schüler am Tablet

Die Coronakrise ist längst zu einem Katalysator für die digitale Bildung geworden.

(Foto: dpa)

Merkel kündigte vergangene Woche auch erneut eine „nationale Bildungsplattform“ an. Die soll nun in den nächsten Jahren „schrittweise aufgebaut werden“, verspricht Bildungsministerin Karliczek . Angekündigt war die Plattform schon im Koalitionsvertrag von 2018. Ein Konzept der Unionsfraktion, „Milla“, scheiterte jedoch am nötigen Geld.

Konkrete Pläne zum Neuanlauf in den wenigen Monaten bis zur Wahl gibt es bisher nicht. Eine solche Plattform müsste „Taktgeber für alle Bildungsbereiche“ sein, sagt nun die Kanzlerin – also auch für die berufliche Aus- und Weiterbildung.

Doch noch ist all das Zukunftsmusik. Merkels Innovationsberater, die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), warnen in ihrem neuen Jahresgutachten vor großen Defiziten just auf diesem Feld. Um sowohl den Nachwuchs als auch schon länger Erwerbstätige fit zu machen für die Wirtschaft 4.0 müssten nicht nur die digitalen Kompetenzen massiv ausgebaut werden, „sondern verstärkt auch klassische Kernfähigkeiten wie Problemlösungsfähigkeit, Kreativität, Eigeninitiative und Adaptionsfähigkeit“.

Wie groß die Herausforderung ist, zeigt eine neue Studie des McKinsey Global Institutes (MGI): Danach werden bis 2030 mehr als 100 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland und sieben weiteren Industrie- und Schwellenländern ihren Beruf wechseln müssen, vor allem um sich den Erfordernissen der digitalen Wirtschaft anzupassen.

In den Industrieländern sind davon 25 Prozent mehr betroffen als vor der Pandemie – und es trifft vor allem die Geringverdiener, Frauen und jungen Arbeitnehmer. Angetrieben wird dieser Trend auf dem Arbeitsmarkt von einem starken Wachstum im E-Commerce.

Allein in Deutschland ist das Onlinegeschäft 2020 mehr als doppelt so stark gewachsen wie im Durchschnitt der vier vorangegangenen Jahre. Die McKinsey-Forscher glauben außerdem, dass nach der Pandemie bis zu ein Viertel der Beschäftigten in den sechs untersuchten Industrieländern seine Arbeit drei bis fünf Tage pro Woche aus dem Homeoffice erledigen könnte. Das sind viermal mehr als vor der Coronakrise.

Geringverdiener, Frauen und Junge verlieren den Anschluss

Voraussetzung für eine gute Vorbereitung auf die Erfordernisse der digitalen Arbeitswelt sei ein zügiger Ausbau der digitalen Infrastruktur, heißt es in der MGI-Studie. Selbst in den untersuchten Industrienationen verfügten knapp 20 Prozent der Haushalte in ländlichen Gebieten immer noch nicht über einen ausreichenden Internetanschluss.

Der wird aber gebraucht, sollen die Arbeitskräfte in die Lage versetzt werden, die sich ständig wandelnden Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt zu meistern. In den Betrieben selbst passiere hier schon sehr viel, konstatiert EFI.

Vom Staat hingegen fordern die Berater weit mehr Impulse und die nötigen Rahmenbedingungen. Nötig sei vor allem die laufende Anpassung der Ausbildungsordnungen für die Lehrberufe – am besten durch flexible Zusatzqualifikationen, die in kurzen Abständen immer wieder aktualisiert werden können.

Dazu müssten aber auch die Ausbilder technologisch fit und die digitale Infrastruktur der Berufsschulen müsste endlich „flächendeckend leistungsfähig“ sein. Bei der Zulassung von Weiterbildungsträgern fordern sie Qualitätssicherung vom Staat, damit Arbeitnehmern und Betriebe eine verlässliche Bewertung zur Verfügung steht.

Grafik

Für all das hatte der Bund eigentlich schon 2019 die „Nationale Weiterbildungsstrategie“ ausgerufen. Ergebnisse über die Umsetzung gibt es bisher allerdings noch nicht – ein Bericht dazu soll noch im nächsten Jahr kommen.

Und weil die digitale Arbeitswelt voraussichtlich generell durch viel mehr Jobwechsel gekennzeichnet sein wird als die heutige, plädieren die Experten von EFI auch für Hilfen beim Übergang: Sie wünschen sich die Erprobung von Instrumenten, die Beschäftigte quasi präventiv qualifizieren. So könne man „rechtzeitig den Umstieg zu einem neuen Arbeitgeber erleichtern und sowohl das abgebende als auch das aufnehmende Unternehmen angemessen beteiligen“.

Beim digitalen Wandel geht es aber nicht nur um Programmierkünste, sondern auch um Basisfertigkeiten: Ein nennenswerter Teil der Erwachsenen in Deutschland – nach eine Regierungsstudie 6,2 Millionen – kann noch gar nicht richtig lesen. Und fast jeder zehnte empfindet Lesen als „anstrengend“, zeigte soeben eine Umfrage zur Halbzeit der nationalen Alphabetisierungsdekade. Auch hier, am unteren Ende der Bildungspyramide, bleibt also enorm viel zu tun. Denn wie sagt die Bundesbildungsministerin: „Lesen ist das Tor zur Welt – auch zur digitalen Welt.“

Mehr: Kanzlerin Merkel und die Regierungschefinnen aus Dänemark, Finnland und Estland fordern eine Digitaloffensive von der EU.

Startseite
Mehr zu: Digitale Bildung - Digitaler Aufbruch: Unternehmen nehmen die Aufgabe jetzt selbst in die Hand
0 Kommentare zu "Digitale Bildung: Digitaler Aufbruch: Unternehmen nehmen die Aufgabe jetzt selbst in die Hand"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%