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Digitale Landwirtschaft Bürokratisches Chaos um Milliardenförderung: Landwirte und Unionspolitiker kritisieren Klöckner

Mit einer Milliarde Euro will Agrarministerin Klöckner Landwirten helfen, in modernste Technik zu investieren. Doch unter Maschinenherstellern und Bauern herrscht Frust.
22.01.2021 - 16:16 Uhr Kommentieren
Die Landwirtschaft soll digitaler werden. Doch ein Fördermittel-Stau sorgt für Ärger unter Landwirten und Maschinenherstellern. Quelle: imago images / photothek
Hochtechnologie im Traktor

Die Landwirtschaft soll digitaler werden. Doch ein Fördermittel-Stau sorgt für Ärger unter Landwirten und Maschinenherstellern.

(Foto: imago images / photothek)

Berlin Die Grüne Woche gehört für jeden Bundesagrarminister zum Hochamt, auch für Julia Klöckner. Die Branche diskutiert, die CDU-Politikerin flaniert von Stand zu Stand und bewundert die Vielfalt, die Natur wie auch Maschinenbauer erschaffen.

Dieses Jahr aber ist nicht nur wegen Corona alles anders. Die Woche schrumpfte zugleich auf zwei digitale Tage zusammen, und die Landmaschinenhersteller, Landwirte und die Fachpolitiker der Koalition sind erbost über ihre oberste Politikerin.

Es geht um die „Bauernmilliarde“, auf die sich Union und SPD bereits vor einem Jahr verständigt hatten. Mit dem Geld sollten Landwirte einen Zuschuss erhalten, wenn sie angesichts der verschärften Düngeverordnung in digitale Gülleanlagen, Pflanzenschutzspritzen, Düngestreuer und vieles mehr investieren. Schließlich gibt es etliche „rote Gebiete“ in der Republik, in denen der Nitratwert über dem in der Europäischen Union zulässigen Höchstwert liegt.

Klöckner versprach, das Geld einfach und pragmatisch auszuzahlen. Die Finanzhilfe sei „ein klares Signal der Wertschätzung und der Unterstützung in schwierigen Zeiten“, flankierte seinerzeit CSU-Chef Markus Söder die Aktion.

Koalitionspolitiker sprechen von „Murks“

Ein Jahr später, am 11. Januar, konnten Bauern die ersten Anträge stellen. Doch statt Jubel bricht sich der Frust Bahn. Der CSU-Politiker Max Straubinger spricht gar von „Murks“. Dabei meint er nicht nur den Umstand, dass der erste Förderaufruf über 72 Millionen Euro binnen weniger Stunden überzeichnet war, der Server der Landwirtschaftlichen Rentenbank als Förderstelle zusammenbrach und Landwirte unweigerlich mehrfach Anträge für ein und dieselbe Maschine stellten – und so Fördermittel für andere blockierten.

Die Fachpolitiker hatten bereits im Dezember vor dem Milliarden-Konzept gewarnt und bei mehreren Krisentreffen versucht, Korrekturen durchzusetzen. So hatten sie etwa eine niedrigere Förderquote angemahnt, damit möglichste viele Anträge genehmigt werden können und es keinen Stau gibt. Doch die Ministerin blieb bei einer Quote von bis zu 40 Prozent.

Dadurch kam es nun zu dem „Run“, vor dem die Parlamentarier der Unionsfraktion ausdrücklich gewarnt hatten. Ministerin Klöckner hingegen freut sich offiziell über das „überwältigende Interesse“. Es seien bereits so viele Anträge eingegangen, dass die Mittel für das gesamte erste Halbjahr voll in Anspruch genommen seien. Daher werde der zweite Förderaufruf bereits auf März vorgezogen. Das Programm soll vier Jahre laufen.

Laut Ministerium gab es in den wenigen Stunden 3600 Anträge auf Maschinenförderung und gut 500 Anträge auf erweiterte Lagerstätten für Wirtschaftsdünger. Damit profitiert ein Bruchteil der gut 250.000 Betriebe in Deutschland.

Die Fachpolitiker kritisierten auch, dass Antragsteller kein Eigenkapital einbringen können. Sie müssen ergänzend ein Darlehen bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank beantragen. „Nebenerwerbslandwirte setzen nur Eigenmittel ein“, kritisierte CSU-Politiker Straubinger. Damit seien viele Kleinbetriebe von der Förderung ausgeschlossen und das Programm angesichts der Hürden nur eines für Großbetriebe. „Programme, bei denen ich einen Kredit aufnehmen muss, sind mir zuwider“, sagte Straubinger.

Die Ministerin wird im Streit um die so genannte Bauernmilliarde auch von Parteikollegen scharf angegriffen. Quelle: imago images/Christian Spicker
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner

Die Ministerin wird im Streit um die so genannte Bauernmilliarde auch von Parteikollegen scharf angegriffen.

(Foto: imago images/Christian Spicker)

„Die Bauernmilliarde war gut gemeint, um den Landwirten angesichts von Dürre, Auflagen bei Tierhaltung und Pflanzendüngung und nach all den Bauernprotesten ein Zeichen der Wertschätzung zu senden“, sagte der CDU-Politiker Alois Gerig. Daher fordere auch er, „dass möglichst viele Landwirte in modernes Gerät investieren können, auch die kleinen landwirtschaftlichen Gemeinschaften“.

Auch bei den Landmaschinenherstellern war die Unruhe bereits im Dezember groß. Sie mussten mit ihren Produkten auf die Kaufliste kommen. Es geht um hoch digitalisiertes Gerät wie Stickstoffsensoren an Traktoren, um möglichst optimal zu düngen. Auch sorgten sich die Hersteller um ihren Gebrauchtgerätemarkt.

Landmaschinenhersteller haben lange Lieferfristen

Die Hersteller, die den Sprung auf die Liste geschafft haben, plagt noch ein ganz anderes Problem. Laut Förderregeln muss das bestellte Gerät spätestens Ende Oktober auf dem Hof stehen. Die Lieferfristen bei den Landmaschinenherstellern sind weit länger. Beim Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) hieß es, die Lieferzeiten betrügen gut und gerne je nach Gerät ein bis zwei Jahre.

Kein Wunder, dass sich die Klagen der Bauern bei den Abgeordneten häufen. Ihnen drohen Abstandszahlungen an die Rentenbank, wenn das geförderte Geräte zu spät eintrifft. „Das ist doch verrückt“, klagt Straubinger.

In seinem Wahlkreis produzieren zwei große Landmaschinenhersteller. Einer davon ist die Unterreiner GmbH, ein Forstgerätehersteller. Firmenchef Felix Unterreiner hat sich bereits persönlich bei Ministerin Klöckner beschwert. Hier zeige sich, dass sich das Ministerium „nicht mit der Praxis beschäftigt hat“, schrieb er.

Die Lieferfristen hätten schon vor dem Programmstart bei sechs Monaten gelegen. Nun könne er, wie viele andere Hersteller auch, „bewilligte Anträge nicht mehr annehmen“. Die Produktionskapazitäten ließen sich nicht kurzfristig erhöhen. Entsprechend sollten die Fristen „um mindestens zwölf Monate“ verlängert werden. „Es ist nicht zu spät, aber höchste Zeit zu reagieren“, schrieb Unterreiner.

Der Abgeordnete Straubinger spricht von einem „politischen Totalschaden – für die Bäuerinnen und Bauern, für die Bundeslandwirtschaftsministerin als auch für die Große Koalition“. Das Programm sei „eindeutig auf Großbetriebe zugeschnitten“. Er hofft, „dass die Kritik das Ministerium zum Nachdenken bewegt hat“.

Ministerium soll die Förderregeln überarbeiten

„Es kommt jetzt darauf an, dass das Ministerium die gemachten Erfahrungen ernst nimmt und aus den Fragen gelernt hat, die wir gestellt haben“, sagte der CSU-Abgeordnete Artur Auernhammer. „Wir müssen sicherstellen, dass die Förderung fließt, wenn die Geräte auf dem Hof stehen.“ Auch hätten mit einer Förderquote von 20 Prozent „mehr Betriebe bedient werden können“. Aber dennoch sei es ein Erfolg, so viel Geld für die Modernisierung der Landwirtschaft bereitzustellen.

Er erwarte, dass das Ministerium beim nächsten Förderaufruf Kooperativen in selber Höhe wie Einzelbetriebe fördere, betont sein Kollege Gerig. Er fordert ebenfalls, die Förderquote zu senken und so mehr Betriebe zu fördern. „Wir müssen die kleinen und mittleren Betriebe erhalten und ihnen helfen, dass auch sie mit digitaler Technik mit weniger Dünger besser produzieren können.“

Offenkundig ist das Ministerium dazu bereit. „Mit dem zeitlichen Vorziehen der zweiten Antragsphase wird die Förderung für weitere Antragsteller ermöglicht werden“, erklärte eine Sprecherin. Es seien mit dem Start des Programms bewusst „zunächst nur die Hälfte der Mittel für 2021 freigegeben, um anhand der gemachten Erfahrungen nachsteuern zu können“.

Mehr: Big Data auf dem Acker: Wie die Landwirtschaft mit KI den Welthunger bekämpft

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