Digitalisierung Deutschland und Spanien kooperieren bei der digitalen Identität – doch es gibt noch große Hürden

Auch andere EU-Staaten können sich laut der Staatsministerin für Digitalisierung an der Kooperation von Spanien und Deutschland beteiligen.
Berlin Wenn die Bundeskanzlerin selbstkritisch wird, muss es sich um eine große Baustelle handeln. Eine der größten, die sie in ihren 16 Jahren Kanzlerschaft hinterlassen hat, ist laut Angela Merkel (CDU) selbst wohl die Digitalisierung der Verwaltung. „Dazu muss man sagen, dass wir besser sein könnten und sollten. Es geht zum Teil sehr langsam voran“, bemerkte sie während ihrer wohl letzten Bundespressekonferenz als Kanzlerin vor knapp einer Woche.
Eine der grundlegenden Fragen, die es für eine funktionierende digitale Verwaltung zu beantworten gilt, ist: Wie können Bürger ihre Identität auch über das Internet zweifelsfrei nachweisen?
Um ein solches rechtssicheres Online-Ich möglichst europaweit einsetzen zu können, hat die EU-Kommission im Juni ein Rahmenprogramm für eine europäische digitale Identität (EUid) verabschiedet. Langfristig sollen alle EU-Bürger mit einer Art Brieftasche auf dem Handy ihre Dokumente digital vorlegen können.
Deutschland und Spanien wollen jetzt mithilfe eines Pilotprojekts diese Möglichkeit eines digitalen Identitätsnachweises auf bilateraler Ebene testen. Andere EU-Mitgliedstaaten seien eingeladen, sich daran zu beteiligen, teilte Dorothee Bär (CSU), Staatsministerin für Digitalisierung, am Donnerstag mit.
Gemeinsam mit ihrer spanischen Amtskollegin Carme Artigas stellte sie das Pilotprojekt der beiden Länder vor, das „in naher Zukunft durchgeführt werden soll“, wie es bei der Staatsministerin für Digitales heißt.
Deutschland und Spanien wollen sich über Anwendungsbeispiele austauschen und eine Arbeitsgruppe zum Thema digitale Identitäten bilden. Dabei soll untersucht werden, wie ein „Identitäts-Ökosystem aufgebaut und skaliert werden kann, das grenzüberschreitend funktioniert“, teilte die Bundesregierung mit. Welche Projekte konkret umgesetzt werden und welche Unternehmen sich daran beteiligen würden, sei gerade in Planung, so Bär.
Mit Spanien hat sich Deutschland für das Projekt einen Partner ausgesucht, dessen digitale Verwaltung sich auch noch im Aufbau befindet. Im Rahmen des „Plans zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung“ will Spanien seine Behörden bis 2025 digital aufgestellt haben und dafür bis 2023 rund 2,6 Milliarden Euro investieren.
Die Zeit läuft ab
In Deutschland läuft der Bundesregierung derweil die Zeit davon, die Vision digitaler Behördengänge Wirklichkeit werden zu lassen. Bis spätestens Ende 2022 sollen alle Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen für die Bürger auch vom eigenen Computer aus zugänglich sein – so will es das Onlinezugangsgesetz aus dem Sommer 2017.
Dafür müssten Kommunen, Länder und der Bund ihre jeweiligen Portale miteinander verknüpfen, um durch ein einheitliches Nutzerkonto eine deutschlandweit gültige digitale Identität zu schaffen. Auch die EU macht Druck: Bis Ende 2023 sollen 73 festgelegte Verwaltungsleistungen der Mitgliedstaaten online verfügbar sein.
Deutschland liegt bei diesem Ziel bisher bei null. Allein für die Unternehmensgründung sind hierzulande noch insgesamt sieben Behördengänge notwendig – persönliche Anwesenheit vorausgesetzt.
Ende 2020 hatte Merkel die digitale Identität daher zur Chefinnensache erklärt und mit einigen großen deutschen Unternehmen wie VW, Lufthansa und Zalando über eine möglichst schnelle Einführung des Online-Identitätsnachweises diskutiert.
Die Unternehmen hatten sich bereit erklärt, eine digitale Identität in ihre Geschäftsmodelle zu integrieren, zum Beispiel für Carsharing-Angebote oder beim Online-Einkauf.
Tech-Konzerne entscheidend
Doch es sind vor allem die großen internationalen Tech-Konzerne, die über Erfolg oder Misserfolg einer digitalen Verwaltung entscheiden werden. Denn ein wichtiger Schritt hin zu einer Brieftasche auf dem Smartphone ist der digitale Personalausweis, ein Projekt, das noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden soll.
Während es heute möglich ist, den Ausweis, den man in den Händen hält, als Online-Identifizierung zu nutzen, soll er in Zukunft auf dem Handy gespeichert werden können.
Erfordert heute noch die Online-Identifikation, den Ausweis vor das Smartphone zu halten, soll das Handy in Zukunft diese Funktion komplett allein übernehmen können.
Kooperation mit Handy-Herstellern
Dazu brauchen die Behörden allerdings die Mitarbeiter der Smartphonehersteller, denn die müssen ihre eigene Sicherheitstechnik erst für die Dokumente kompatibel machen. Um den Personalausweis einzulesen, mussten die Hersteller die sogenannte NFC-Schnittstelle freigeben.
Für die Ausweisfunktion über das Handy braucht es jetzt das sogenannte „Secure Element“. Das Problem: Nur der südkoreanische Handybauer Samsung hat die Funktion eines behördlich zertifizierten Online-Personalausweises bisher für seine neuesten Modelle garantiert.
Der US-Konzern Apple hingegen ist dabei, mit einer eigenen digitalen Geldbörsenfunktion, der „Identity Card“, in einigen US-Staaten eine eigene digitale Identität einzuführen. Ob diese mit den Plänen der EU kompatibel sein wird, hat der Konzern bisher noch nicht bestätigt.
Dass die Pläne einer EU-weit kompatiblen digitalen Identität sehr nötig sind, zeigen Zahlen, die die Kommission im Juni veröffentlichte. Demnach haben 14 Mitgliedstaaten bisher eine digitale Identität eingeführt, wobei allerdings 19 unterschiedliche Systeme zum Einsatz kommen.
Dafür dass zumindest die Systeme von Deutschland und Spanien kompatibel sind, soll die neue Kooperation jetzt sorgen. Langfristig soll dabei ein „grenzüberschreitendes Ökosystem digitaler Identitäten entwickelt werden“, heißt es bei der Staatsministerin für Digitalisierung.
Immerhin ist in Deutschland im Mai ein erster Anwendungsfall für die digitale Identifizierung gestartet. Hotelgäste können den Check-in über das Internet statt an der Rezeption erledigen.
Bis Ende August sollen 120 Hotels den Service anbieten. Ein Anwendungsgebiet, das sich auch für die deutsch-spanische Kooperation anbieten würde – beispielsweise um den Mallorca-Urlaub für Deutsche noch attraktiver zu machen.
Mehr: Digitale Verwaltung: Was Deutschland von Österreich lernen kann
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