Digitalisierung Handelsverband warnt vor Aktionismus beim digitalen Wettbewerbsrecht

Der Bundeswirtschaftsminister nimmt große marktbeherrschende Digitalunternehmen ins Visier.
Berlin Der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht die von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geplante Änderung des Wettbewerbsrechts („GWB-Digitalisierungsgesetz“) kritisch. Der HDE erinnerte daran, dass das Wettbewerbsrecht erst im Jahr 2017 im Zuge der Digitalisierung geändert worden sei. „Die Wirksamkeit dieser Neuregelungen und der womöglich bestehende Nachjustierungsbedarf konnte seitdem noch gar nicht evaluiert werden“, sagte Verbands-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth dem Handelsblatt. „Um Schäden im Wettbewerb durch Überregulierungen zu vermeiden, sollte der Gesetzgeber deshalb unnötigen Aktionismus vermeiden.“
In jedem Fall müsse darauf verzichtet werden, die gesamte Wirtschaft mit wettbewerbsbeschränkenden Regelungen zu belasten, die eigentlich die großen reinen Digitalunternehmen wie Google und Facebook im Fokus hätten, mahnte Genth. „Die geplante Erweiterung des Schutzbereichs der Missbrauchsaufsicht auch auf internationale Großunternehmen sollte daher unbedingt aus dem Gesetzentwurf gestrichen werden.“
Die Regelungen sollten vielmehr „eindeutig nur für reine Digitalunternehmen gelten und dementsprechend unmissverständlich formuliert werden“, so der HDE-Hauptgeschäftsführer. Ansonsten brächten die angedachten Änderungen das Gleichgewicht zwischen den Lebensmitteleinzelhändlern und der Industrie in den Vertragsverhandlungen zu Lasten des Handels aus der Balance. „Im Ergebnis profitieren dann internationale Großkonzerne aus der Lebensmittelindustrie, Verlierer wären der Handel und seine Kunden.“
Das Bundeswirtschaftsministerium will mit der sogenannten GWB-Novelle den Wettbewerb in der Digitalbranche erleichtern und das Kartellamt stärken. Die Bonner Behörde soll eine marktbeherrschende Stellung von Unternehmen leichter feststellen können, was auf große Konzerne wie Google, Amazon und Facebook abzielt.
Auch soll der Umgang mit Daten der Nutzer stärker vom Kartellamt berücksichtigt werden – und User generell ihre Daten leichter zu anderen Plattformen mitnehmen können. Zudem soll sich die Behörde im Digitalbereich auf die Kontrolle größerer Fusionen konzentrieren und leichter einstweilige Maßnahmen erlassen können.
Kritik auch von anderen Wirtschaftsverbänden
Sorgen macht dem HDE auch die geplante Regelung des Datenzugangs. „Der geplante Anspruch auf Zugang zu personenbezogenen Daten kann im Widerspruch zum geltenden Datenschutzrecht stehen“, schreibt der Verband in einer dem Handelsblatt vorliegenden Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums. „Im Interesse der Rechtsklarheit sollte daher auf entsprechende Ansprüche verzichtet werden.“ Auf Ablehnung stößt zudem eine grundsätzliche und missbrauchsunabhängige „Sharing-Pflicht“ im Hinblick auf nicht-personenbezogene Daten.
Der Handelsverband steht mit seiner Kritik nicht allein. Auch andere Wirtschaftsverbände hatten zurückhaltend auf die geplante Änderung des Wettbewerbsrechts reagiert. „Mit dem Gesetz würde Deutschland die Bildung international wettbewerbsfähiger Digitalunternehmen erschweren”, sagte kürzlich Iris Plöger vom Industrieverband BDI. Außerdem werde mit den Sondervorschriften die Schere zwischen deutschem und europäischem Recht weiter geöffnet.
Rebekka Weiß vom Digitalverband Bitkom sagte, der Referentenentwurf sei so unklar formuliert, dass es negative Folgen für junge aufstrebende Unternehmen geben könnte, die das Gesetz eigentlich fördern wolle. Wenn gegen einzelne Geschäftsmodelle vorgegangen werde, berge das die Gefahr, am Ende zu viele Unternehmen zu treffen.
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