Digitalisierung Streit über Digitalministerium: Experten dämpfen die Erwartungen der Politik

Gerade deutsche Behörden sind noch nicht digital genug.
Berlin Lahme Internetverbindungen, kollabierende Lernplattformen, Gesundheitsämter, die Infektionsketten per Zettel und Fax nachverfolgen: Die Corona-Pandemie hat offengelegt, wie analog Deutschland noch immer funktioniert.
Angesichts der Mängel hat sich der neue CDU-Chef Armin Laschet dafür ausgesprochen, nach der Bundestagwahl ein Digitalministerium zu gründen. Die FDP und IT-Verbände fordern bereits seit Jahren ein eigenes Ministerium.
Dieses könne die Reibungsverluste zwischen den Ministerien reduzieren, wirbt FDP-Digitalpolitiker Manuel Höferlin. Die Grünen sind hingegen ebenso skeptisch wie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. Sie plädieren stattdessen für eine bessere Steuerung der Digitalpolitik durch das Kanzleramt.
Experten und Industrievertreter warnen nun, der Streit über das Für und Wider eines Digitalministeriums dürfe nicht die eigentliche Frage überdecken: Wie kann Deutschland bei Breitband-Internet, E-Government oder digitalem Unterricht wieder auf die Höhe der Zeit kommen?
Die Politik neige dazu, Probleme über die Einrichtung einer neuen Behörde lösen zu wollen, schreibt Stefan Heumann, Vorstand der Denkfabrik Stiftung Neue Verantwortung in einer Analyse. Es reiche aber nicht, Zuständigkeiten, Abteilungen und Referate auf Organigrammen hin und her zu schieben: „Handlungsfähigkeit gewinnen wir nicht mit dem x-ten digitalpolitischen Programm zurück, sondern nur, wenn wir die längst überfällige Modernisierung von Regierung und Verwaltung angehen.“
Der Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek pflichtet ihm bei: „Wer sich die Lösung aller digitalpolitischen Defizite durch ein Digitalministerium erhofft, wird enttäuscht werden“, sagte er dem Handelsblatt. Ein Verschieben von Abteilungen ohne eine neue Innovationskultur bringe wenig.
„Umstellung von Verwaltungsdenken aus 100 Jahren“
Auch Laschet hat erkannt, dass die Aufgabe größer ist: Erforderlich sei nicht weniger als „die Umstellung von Verwaltungsdenken aus 100 Jahren“, erklärte er in der „Welt am Sonntag“.
Ein Digitalministerium sei nur sinnvoll, so Heumann, wenn dieses als Impulsgeber und Treiber für die Transformation von Regierung und Verwaltung fungiere. Und zugleich den Weg aus der „Komplexitätsfalle“ weise, in der die deutsche Digitalpolitik feststecke.
Parallelstrukturen und Zuständigkeitswirrwarr innerhalb der Bundesregierung und zwischen Bund und Ländern sorgen schon länger für Unmut. Dass etwa die Corona-Warn-App im vergangenen Mai von vier Bundesministern präsentiert wurde, wertete der Präsident des IT-Verbands Bitkom, Achim Berg, als Beleg dafür, wie stark die digitalen Verantwortlichkeiten zersplittert seien.
Die FDP hatte bereits 2017 nach der Bundestagswahl in den Jamaika-Sondierungsgesprächen mit CDU/CSU und Grünen konkrete Pläne für ein Digitalministerium vorgelegt, Kanzlerin Angela Merkel ließ die Liberalen damit aber abblitzen. Union und SPD verzichteten dann später in ihrem Koalitionsvertrag darauf, die digitalen Kompetenzen innerhalb der Bundesregierung zu bündeln.
Stattdessen gibt es seit März 2018 mit Dorothee Bär (CSU) eine Digitalstaatsministerin, außerdem eine Abteilung für Digitalpolitik im Kanzleramt, ein Digitalkabinett und einen Digitalrat, der die Regierung berät.
Bitkom-Präsident Berg fordert nun, Versäumtes nachzuholen: Nach der kommenden Bundestagswahl müsse „ein richtig starkes Digitalministerium“ eingerichtet werden, sagte er dem Handelsblatt. Dieses müsse bei Kernprojekten innerhalb der Bundesregierung die Federführung übernehmen, Koordinierungsrechte gegenüber anderen Ressorts erhalten und mit den nötigen Ressourcen ausgestattet sein. „Wir dürfen uns nicht in Zuständigkeitswirrwarr und Blockaden verheddern“, mahnt Berg.
Heumann kritisiert: Behörden sind zu streng organisiert
Wichtig sei auch, sagt er, dass „der Spirit stimmt: ermöglichen, loslegen, machen“. Genau dieser Geist fehle bislang oft, kritisiert Heumann: „Regierung und Verwaltung sind streng hierarchisch und in eng umrissenen und klar voneinander abgetrennten Zuständigkeiten organisiert“. Hinzu komme ein paternalistisches Auftreten gegenüber den Bürgern.
In Zeiten schnellen Wandels müsse sich der Staat aber als lernende Organisation verstehen, die offen für Expertise von außen sei. Bislang fänden sich nur wenige angesehene Experten aus Privatwirtschaft, Wissenschaft oder Zivilgesellschaft auf Führungspositionen in den Behörden.
Heumann fordert, die Politik müsse zudem den Mut aufbringen, bestehende Strukturen infrage zu stellen, statt immer neue Institutionen zu gründen. In Deutschland befassten sich 16 oft unzureichend ausgestattete Landesbehörden beim Datenschutz und 14 in der Medienpolitik mit der Frage, wie Internetplattformen am besten reguliert werden sollten.
„In vielen Lebensbereichen machen die in Deutschland im Föderalismus verankerten dezentralen Zuständigkeiten durchaus Sinn, nicht aber bei der Regulierung global operierender Internetkonzerne“, so der Experte. Statt verbissen die eigenen Zuständigkeiten zu verteidigen, solle die deutsche Politik stärker auf die Europäische Union als Regulator setzen.
Mehr: Deutschlands digitale Wertschöpfung ist laut IW-Studie „verbesserungswürdig“.
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Das Problem in Deutschland ist Frau Dr. Merkel, vollkommen überfordert und die dazu gehörige Frau Bär -digital nichts geleistet, aber für Intrigen sehr gut- eine Lachnummer.
Wann tritt Frau Dr. Merkel und ihre Regierung zurück. Nur Schaden in Deutschland angerichtet und Schulden angehäuft.
da reiben sich KPMG, PwC und Co schon die Hände, da eine Gruppe ahnungsloser Berufspolitiker zusammenkommt, schwadroniert und dann Beraterverträge abschließt, bis sich die Balken biegen.
Am besten noch mit einem Politsuperstar der CSU (CDU wäre mind. genauso ungeeignet, bitte dazu noch Ü60) besetzen und schon haben wir die Totgeburt.