DIW-Untersuchungen Forscher ziehen positive Bilanz der Flüchtlingsintegration

Bei der Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt hilft es, dass sie in ihrer Heimat großteils der gebildeteren Hälfte der Bevölkerung angehörten.
Berlin Fünf Jahre nach dem Höhepunkt der Flüchtlingsmigration nach Deutschland macht die Integration der Geflüchteten deutliche Fortschritte. So sind beispielsweise Kinder und Jugendliche in den Schulen meist gut integriert. Dies zeigen vier neue Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Beschäftigungserwartungen haben sich dagegen nur zum Teil erfüllt.
Vor allem bei der Bildung und der Integration von Frauen gebe es noch einiges zu tun, sagte die Leiterin der DIW-Abteilung Bildung und Familie, Katharina Spieß, bei der Präsentation der Ergebnisse: „Wir dürfen in vielen Bereichen schlichtweg nicht nachlassen.“
Die Forscherinnen und Forscher haben für ihre Untersuchung Daten einer repräsentativen Längsschnittbefragung unter Geflüchteten genutzt, die gemeinsam vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dem Sozio-oekonomischen Panel des DIW durchgeführt wird.
Insgesamt wurden bislang knapp 8000 Flüchtlinge befragt, die in den Jahren 2013 bis 2016 nach Deutschland gekommen sind. Je nach Studie variieren die Zahl der Befragten und der Erhebungszeitraum. Die jüngsten Daten beziehen sich auf das Jahr 2018.
Die Untersuchung zeigt, dass es eher die vergleichsweise besser Gebildeten waren, die ihre Heimatländer verlassen haben. So zählen 75 Prozent der nach Deutschland geflüchteten Syrer in ihrer Heimat zur höher gebildeten Bevölkerungshälfte.
Anders ist das aber im Zielland: Geflüchtete weisen bei ihrer Ankunft ein deutlich niedrigeres Bildungsniveau auf als die deutsche Durchschnittsbevölkerung oder andere Zuwanderer. So hatten 35 Prozent gar keine formale Bildung oder höchstens Bildung auf deutschem Grundschulniveau. Bei anderen Zugewanderten liegt dieser Anteil nur bei zehn Prozent.
Gut vier von zehn Geflüchteten haben einen Job
Entsprechend haben sich die teils hohen Erwartungen der Geflüchteten, in Deutschland Arbeit zu finden, nur teilweise realisiert. Rund zwei Drittel waren 2016 davon ausgegangen, spätestens zwei Jahre nach ihrer Ankunft erwerbstätig zu sein. Gut ein Drittel davon war 2018 noch arbeitslos, 43 Prozent der Befragten hatten einen Vollzeit-, Teilzeit- oder Minijob oder waren in Ausbildung.
„Geflüchtete können sich meist vor ihrer Ankunft in Deutschland nicht in gleichem Maße wie andere Zuwanderergruppen über den hiesigen Arbeitsmarkt informieren“, sagte DIW-Forscherin Felicitas Schikora.
Nach den jüngsten Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) hatten im Januar 360.000 Bürger aus den wichtigsten Asylherkunftsländern eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden, die entsprechende Beschäftigungsquote lag bei 36 Prozent. 74.000 weitere Geflüchtete arbeiteten als Minijobber.
Defizite sieht das DIW vor allem noch bei der Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen. Das hat zum einen damit zu tun, dass in vielen Herkunfts-Kulturkreisen Erwerbstätigkeit von Frauen nicht die Regel ist. Aber auch damit, dass viele mit kleinen Kindern geflohen sind, die sie zu betreuen haben.
Hier wirkt sich die Corona-bedingte Schließung von Kitas und Schulen möglicherweise besonders negativ aus – wie auch für den Integrationserfolg von Kindern und Jugendlichen. Der war – zumindest bis zum Ausbruch der Pandemie – durchaus gegeben.
So gaben mehr als 80 Prozent der geflüchteten Kinder und Jugendlichen an, sich an ihrer Schule wohlzufühlen. Ganztagsschul- und Hortangebote werden von Kindern aus Flüchtlingsfamilien häufiger genutzt als von Kindern aus anderen Einwandererfamilien oder ohne Migrationshintergrund. Allerdings nehmen sie seltener an schulischen Aktivitäten außerhalb des regulären Unterrichts teil und sind auch seltener Mitglied in Sportvereinen.
Vorbehalte der Bevölkerung sind gesunken
Untersucht hat das DIW auch, wie integriert Geflüchtete sich selbst fühlen und wie die Einstellung der einheimischen Bevölkerung zur Fluchtmigration sich verändert hat. So gaben fast 60 Prozent der befragten Geflüchteten an, nie wegen ihrer Herkunft diskriminiert zu werden.
Knapp jeder zehnte fühlt sich benachteiligt. Mehr als jeder dritte erwachsene Flüchtling äußerte 2018 aber Sorgen wegen Fremdenfeindlichkeit – rund fünf Prozentpunkte mehr als zwei Jahre zuvor.
Etwa die Hälfte der Geflüchteten hat regelmäßig Kontakt zu Deutschen, vor allem in ihrem Freundeskreis. Das mag eine Erklärung dafür sein, dass die Vorbehalte der einheimischen Bevölkerung gegenüber Schutzsuchenden kleiner geworden sind.
Äußerten in der repräsentativen Bevölkerungsbefragung des SOEP 2016 noch 46 Prozent der Befragten große Sorgen über die Zuwanderung, so ist dieser Anteil 2018 auf ein knappes Drittel gesunken. Allerdings sind die Bürger, die sich keinerlei Sorgen machen, mit einem Anteil von rund einem Viertel weiter in der Minderheit.
Der migrationspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, mahnte, bei den Integrationsbemühungen keinesfalls nachzulassen. So sei es nötig, "mehr Orte der Begegnung zu schaffen", an denen die Menschen einander kennen lernen könnten, sagte er dem Handelsblatt.
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Und das Handelsblatt hat einen regelmäßigen Leser, der vor 5 Jahren nach Deutschland geflüchtet ist. Nämlich ich :).
Vom DIW hätte ich mich ein kritisches Fazit auch eher überrascht.
Im Februar 2020 lebten 58 Prozent aller Menschen aus Kriegs- und Krisenländern, also beispielsweise aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak, von Hartz IV. Durch Corona ist die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe viermal so stark gestiegen wie im Rest der Bevölkerung.
Die Zahlen in den nordischen Ländern sehen wesentlich schlechter aus. Warum scheint es in D besser. Die Gründe wären von Interesse.