Druck aus Brüssel Widerstand der Bundesregierung gegen höhere Steuertransparenz bröckelt

In den zuständigen Ressorts der Minister gibt es offenbar ein Umdenken.
Berlin An diesem Freitag blickt die deutsche Wirtschaft gespannt nach Brüssel. Eine EU-Arbeitsgruppe berät dort ein äußerst heikles Thema: ob Konzerne künftig veröffentlichen müssen, in welchen Ländern sie wie viel Steuern zahlen.
Das sogenannte „öffentliche Country-by-Country-Reporting (CbCR)“ soll den Druck auf Unternehmen erhöhen, von Tricksereien zur Steuervermeidung abzusehen. Schon seit Jahren forcieren EU-Parlament und EU-Kommission eine Regelung in der Sache.
Erst am Donnerstag verabschiedete das EU-Parlament eine Resolution, in der es die EU-Staaten auffordert, ihre Blockade aufzugeben. „Ein öffentliches Country-by-Country-Reporting ist unser bestes Mittel gegen Steuerdumping“, jubelte der grüne Abgeordnete Sven Giegold nach der Abstimmung auf Twitter. Vor allem Deutschland müsse sich endlich bewegen.
Bislang war die Bundesregierung gegen eine Veröffentlichung. Doch der Widerstand bröckelt. Seit Bundesfinanzminister Olaf Scholz für den SPD-Vorsitz kandidiert, muss er stärker mit linken Themen punkten. Deshalb ist er nun auch für eine Veröffentlichung länderbezogener Steuerdaten. Und auch im Bundeswirtschaftsministerium gibt es inzwischen unterschiedliche Einschätzungen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schlägt deshalb Alarm. „Der BDI spricht sich im Interesse der deutschen Unternehmen nach wie vor mit Nachdruck gegen ein öffentliches Country-by-Country-Reporting auf EU-Ebene aus“, heißt es in einem Brief von BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang an Finanzminister Scholz und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) vom 23. Oktober, der dem Handelsblatt vorliegt.
So hätten die Finanzämter längst Zugriff auf länderbezogene Steuerdaten. An diese Abmachung auf Ebene der Industrieländerorganisation OECD hielten sich jedoch einige Länder nicht. Wenn alle Daten noch öffentlich seien, „entfällt der Druck auf Drittstaaten, ihre Daten offenzulegen“, fürchtet der BDI.
Darüber hinaus „verstößt eine öffentliche Berichterstattungspflicht gegen das deutsche Steuergeheimnis“, heißt es in dem Brief weiter. „Insbesondere gegenüber Mitbewerbern aus Drittländern sind deutsche Unternehmen damit deutlich benachteiligt.“ Dies gelte vor allem für Familienunternehmen. Scholz und Lambrecht sollten sich deshalb „wie bisher dafür einsetzen“, dass sich die Bundesregierung gegen eine Veröffentlichung ausspricht.
Wirtschaftsministerium schwenkt allmählich um
Auch die Familienunternehmer laufen gegen die Forderung des EU-Parlaments Sturm. „Es geht beim öffentlichen CbCR mehr darum, ein Symbol zu setzen, als ein Problem zu lösen“, sagt Reiner Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. „Die Allgemeinheit kann schwerlich beurteilen, ob Gewinn und Steuern angemessen sind. Das ist Sache der Finanzbehörden.“ Deshalb sei es auch richtig, dass nur staatliche Stellen Einblick in die Steuerdaten von Unternehmen haben.
Bei Bundesfinanzminister Scholz allerdings kommt die Wirtschaft mit ihren Argumenten inzwischen nicht mehr durch. Laut Informationen des Handelsblatts hatte das Bundesfinanzministerium für das EU-Arbeitsgruppentreffen am Freitag das Wording in einer entsprechenden Tischvorlage geändert. Demnach gebe es nun eine gemeinsame Positionierung der Bundesregierung.
Diese gemeinsame Linie wird innerhalb der Bundesregierung allerdings bestritten. So war das Bundeswirtschaftsministerium bisher strikt gegen eine Veröffentlichung – womit dem Finanzministerium in den Verhandlungen auf EU-Ebene die Hände gebunden wären und es sich in Abstimmungen enthalten müsste.
Die Konfusion entstand offenbar auch dadurch, dass im Haus von Minister Peter Altmaier (CDU) die Lage inzwischen ebenfalls anders bewertet wird. Einige Beamte wollen dem Vorschlag inzwischen lieber zustimmen. Es sei besser, den Prozess mitzugestalten, als das Thema den linken Parteien zu überlassen, heißt es.
BDI sieht Gefahr der Herausgabe von Geschäftsgeheimnissen
Zudem sehe der Vorschlag vor, dass nur Unternehmen mit mindestens 750 Millionen Euro Umsatz ihre Daten veröffentlichen müssen, wodurch viele Familienunternehmen davon ausgenommen wären. Für den Fall, dass durch die Offenlegung Geschäftsgeheimnisse bedroht sind, gebe es überdies hinaus eine Ausnahmeklausel.
Der Leitungsstab des Bundeswirtschaftsministeriums stemmt sich dagegen weiterhin mit aller Macht gegen eine Veröffentlichung der Steuerdaten. Wie der BDI glaubt er: Durch eine Veröffentlichung bestünde die Gefahr, dass etwa chinesische Firmen an Geschäftsgeheimnisse deutscher Unternehmen gelangten.
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