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EFI-Chef Uwe Cantner Innovationsberater der Bundesregierung fordert Digitalministerium

EFI-Chef Uwe Cantner sieht die nächste Bundesregierung beim Thema Digitalisierung in der Pflicht. Zudem spricht er sich im Interview für eine stärkere Förderung der Pharmaforschung aus.
04.05.2021 - 14:02 Uhr 1 Kommentar
„Wir dürfen kein Geld mehr für alte, dreckige Technologie ausgeben, sondern müssen es für die Entwicklung sauberer und nachhaltiger Lösungen einsetzen.“ Quelle: imago images/Metodi Popow
Uwe Cantner

„Wir dürfen kein Geld mehr für alte, dreckige Technologie ausgeben, sondern müssen es für die Entwicklung sauberer und nachhaltiger Lösungen einsetzen.“

(Foto: imago images/Metodi Popow)

Uwe Cantner, der Innovationsberater der Bundesregierung, fordert für die nächste Legislaturperiode ein Digitalministerium: „Ich glaube nicht mehr, dass es ohne geht“, sagte der Vorsitze der Expertenkommission für Forschung und Innovation (EFI) im Interview mit dem Handelsblatt. „Wir liegen bei der Digitalisierung weltweit im Mittelfeld – Tendenz fallend. Wir wollen bei der digitalen Transformation mitspielen, haben aber dafür die Infrastruktur, das Breitbandnetz, nicht.“

Cantner sieht nur eine Möglichkeit, wie Deutschland im Bereich Digitalisierung vorankommen kann: „Das muss jemand mit großem Budget in die Hand nehmen“, denn „ohne echte Digitalisierung brauchen wir mit Künstlicher Intelligenz (KI) und autonomem Fahren gar nicht anzufangen“.

Zudem fordert der EFI-Chef eine stärkere Förderung der Pharmaforschung – vor allem in den Universitätskliniken, „denn jenseits von Corona sind etwa Impfstoffe für Konzerne zumeist uninteressant“. Deutschland, das vor Jahrzehnten als „Apotheke der Welt“ gegolten habe, „muss im Pharmabereich wieder besser werden – auch weil Corona wohl nicht die letzte Pandemie ist“, sagte er.

Das Mainzer Unternehmen Biontech, das gemeinsam mit dem US-Konzern Pfizer einen Corona-Impfstoff entwickelt hat, mache Hoffnung, „aber da geht mehr, und wir sollten zumindest wieder eine Filiale der Apotheke der Welt werden“.

Souveränität sei nicht nur im Digitalen, sondern auch im Pharmabereich wichtig – im Zweifel lebensrettend. Nur wenn Deutschland hier „eigene Stärke“ entwickle, „sind wir auch ernsthafte Partner für andere Nationen“.

Lesen Sie hier das ganze Interview: 

Herr Cantner, was lernen wir aus der Pandemie für die Innovationspolitik?
Wir müssen im Pharmabereich wieder besser werden - auch weil Corona wohl nicht die letzte Pandemie ist. Biontech macht Hoffnung, aber da geht mehr, und wir sollten zumindest wieder eine Filiale der Apotheke der Welt werden. Souveränität ist nicht nur im Digitalen, sondern auch im Pharmabereich wichtig, im Zweifel lebensrettend. Und nur wenn wir hier eigene Stärke entwickeln, sind wir auch ernsthafte Partner für andere Nationen. Dazu sollte der Staat viel mehr in die Forschung der Uni-Kliniken investieren, denn jenseits von Corona sind etwa Impfstoffe für Konzerne zumeist uninteressant.

Brauchen wir ein Digitalisierungsministerium?
Ich glaube nicht mehr, dass es ohne geht. Wir liegen bei der Digitalisierung weltweit eher im besseren Mittelfeld – Tendenz fallend. Das muss jemand mit großem Budget in die Hand nehmen. Wir wollen bei der digitalen Transformation mitspielen, haben aber dafür die Infrastruktur, das Breitbandnetz, nicht. Ohne brauchen wir mit KI und autonomem Fahren gar nicht anzufangen.

Was sind darüber hinaus die drei wichtigsten Aufgaben der nächsten Regierung, damit Deutschland ein echtes Innovationsland wird?
Wir brauchen eine neue Innovationsstrategie, in der vor allem das Thema Nachhaltigkeit verankert wird. Das muss Hand in Hand gehen mit der Entwicklung radikal neuer technologischer Lösungen, vor allem in den Bereichen Energie und Digitalisierung, denn wenn wir hier hinten runterfallen, zerbröselt auch unser Wohlstand. Die Politik darf aber keine Technologie vorgeben, sondern sollte technologieoffene Ziele wie CO2-freie Mobilität formulieren – und dann abwarten, ob sich am Markt Wasserstoff, Batterien oder synthetische Kraftstoffe durchsetzen. Der Staat sollte die Nachfrage ankurbeln, indem er selbst einen CO2-freien Fuhrpark betreibt.

Die zweite Aufgabe?
Wir müssen dringend besser werden beim Transfer von der Forschung in die Wirtschaft – da sind uns die USA und China deutlich voraus. Von einigen wird vorgeschlagen, hierfür zentrale Agenturen zu installieren – ich glaube nicht, dass das das wirklich hilft. Denn die Bündelung von Zuständigkeiten allein löst das Problem nicht, dass Wissenschaftler nicht ökonomisch denken, sondern vor allem publizieren wollen. In vielen Hochschul-Senaten ist Transfer noch ein Unwort, da herrscht Furcht, von der Industrie gesteuert zu werden. Hier brauchen wir Anreize durch die Hochschulen und den Gesetzgeber, dass der Erkenntnis- und Technologietransfer für Professoren interessanter wird. Stanford bietet zum Beispiel gründungswilligen Mitarbeitern eine riesige Halle und Personal dazu, nur um Prototypen zu testen.

Und sonst?
Extrem wichtig ist der Strukturwandel. Wenn wir bei den großen Transformationen wie Digitalisierung und neue Mobilität die strukturschwachen Regionen vergessen, sind sie ökonomisch schnell ganz abgehängt – was dann zu massiven sozialen Verwerfungen führt. Wichtig ist es auch, kleineren Unternehmen die Scheu zu nehmen, mit der nächsten Hochschule einfach mal zu reden.

Jahrelang predigte Ihre Zunft, wir müssten Leuchttürme bauen ...
Natürlich brauchen wir Zentren der Spitzentechnologie. Aber wir dürfen den Rest des Landes nicht vernachlässigen, sondern müssen erreichen, dass alle den Anschluss schaffen.

Wo kann Deutschland Marktführerschaft behaupten, wo ist sie erreichbar – und was lassen wir besser?
Aktuell sind die Entwicklungen in allen Bereichen so rasant, dass wir überall aufpassen müssen, nicht hinten runterzufallen – selbst im Maschinenbau und in der Chemie. Deshalb müssen wir Innovationen in der Breite fördern und darauf setzen, dass sich ein Teil auszahlt. Vor einem Jahr hatte ich noch große Sorge, dass unsere Automobilindustrie die Kurve nicht kriegt. Heute ist klar: Auch die Großen bewegen sich in die richtige Richtung, weg vom Verbrenner hin zur autonomen Mobilität. Ob das Tempo reicht, wird man sehen.

Und die ganz neuen Technologien: KI, Quantencomputer & Co.?
Das sind wir schon ganz gut, es gibt aber viel Luft nach oben. Das gilt auch für die Umwelttechnologien, hier müssen wir nachlegen, dann könnten wir Vorreiter werden. Nicht gut sind wir bisher in der Bioökonomie – also dem generellen Ersatz von erdölbasierten Materialien und Energieträgern durch nachwachsende Rohstoffe – und neuen Materialien – da gibt es aber große Chancen.

Die GroKo will die nationalen Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2025 auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigern, die Grünen fordern auch nicht mehr. Wie wichtig ist Geld für Innovation?
Wichtiger als die Summen ist die Qualität. Wir dürfen kein Geld mehr für alte, dreckige Technologie ausgeben, sondern müssen es für die Entwicklung sauberer und nachhaltiger Lösungen einsetzen. Der mit dem bisherigen, rein quantitativen Wachstum verbundene ökologische Fußabdruck ist so erschreckend, dass wir auf breiter Ebene umsteuern müssen – mit ein bisschen mehr Umwelttechnik ist es nicht getan. Das haben inzwischen fast alle verstanden – es muss aber auch konsequent umgesetzt werden.

Und wie gelingt die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie?
Das ist mühsam, es braucht neue Technologie, aber auch eine Verhaltensänderung in der Gesellschaft. Da bin ich zuversichtlich, nicht nur wegen Fridays for Future, des Einbruchs beim Fleischkonsum und des Siegeszugs der Bioprodukte, sondern auch, wenn ich im Handelsblatt lese, dass sich junge, an ökologischen Werten orientierte Gründer laut beklagen, dass Wagniskapital-Geber nur ökonomisch denken.

Was bedeutet das für den neuen, zehn Milliarden Euro schweren Zukunftsfonds, mit dem der Bund innovative Start-ups fördert?
Aufstocken reicht nicht, gerade der Staat muss vorangehen, indem er auch hier mehr ökologische Kriterien berücksichtigt.

Die neue steuerliche Forschungsförderung ist themenoffen.
Das ist okay, denn sie unterstützt die Pioniere, die die Richtung vorgeben – und hilft den Imitatoren, schneller hinterherzulaufen. Zudem habe ich die große Hoffnung, dass sie viele Unternehmen, die bisher gar nicht innovativ waren, erstmals dazu bringt, etwas Neues zu wagen. Ich bin sehr gespannt, wie der Effekt sein wird.

Innovation braucht Personal – aber unser Nachwuchs lernt nur mittelmäßig in der Schule und schwächelt ausgerechnet in den MINT-Fächern.
Unser Schulsystem ist nicht mehr zukunftsfähig – das hat spätestens Corona gezeigt. Statt an Symptomen herumzudoktern, sollten wir es völlig umbauen. Und da meine ich nicht nur das Digitalisierungs-Desaster, wir brauchen ganz anderen Unterricht, weg von Frontalunterricht und Konsum hin zum aktiven, selbst gesteuerten Lernen und zu individuellen Lernkonzepten. Es kann auch nicht sein, dass alle, die es nicht aufs Gymnasium schaffen, abgeschrieben werden. Aber ich weiß, das ist ein extrem dickes Brett.

Mehr: So wollen die Grünen Innovationen beflügeln.

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1 Kommentar zu "EFI-Chef Uwe Cantner: Innovationsberater der Bundesregierung fordert Digitalministerium"

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  • Und andere Experten fordern eine vereinfachte Einbürgerung und wieder andere wollen immer mehr illegale und mittellosen Flüchtlinge - oder will will man es mittlerweile in den ghettoähnlichen Tabatenstädten nennen- in Deutschland aufnehmen.

    Aber die katastrophalen Übergriffe und Straftaten - siehe dazu die vielen Seiten von Politikversagen- werden in Deutschland regelrecht unter den Tisch gekehrt.

    Wer nicht Opfer geworden ist, kann leicht darüber hinwegsehen.

    Opfer und Hinterbliebene gibt es täglich davon roundabaout 800, Tendenz steigend.

    Ein gesunder Egoismus hat noch nie geschadet.leider ist das so. Und die Welt werden unsere Linken und Grünen und linksradikalen Looser sowieso nicht ändern. Vor allem nicht hier ein Deutschland, wenn man nur auf die Straßen geht und Gewalt gegen Polizisten anwendet, Autos anzündet, sonstige Sachbeschädigungen begeht und Geschäfte plündert.

    Wer wäre es in Deutschland mit richtiger Arbeit?

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