Ein Buch ruft zum Sturz auf „Merkel arbeitet am Zerfall der Demokratie“

Die ehemalige Kohl-Beraterin Gertrud Höhler geht mit Angela Merkel hart ins Gericht.
Düsseldorf/Zürich/Berlin Es hat das Potenzial zu einem neuen Skandal-Buch: "Die Patin" aus der Feder der Publizistin und Politikberaterin Getrud Höhler. Das am Donnerstag im Züricher Orell Füssli Verlag erschienene Buch kann als Aufruf zum Sturz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verstanden werden. Nach Verlagsangaben sind für die Erstauflage 35.000 Exemplare geplant, eine zweite Auflage ist bereits im Gespräch. Das CDU-Mitglied Höhler galt einst als Wegbegleiterin des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und war Beraterin des Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen.
Höhler sagte am Donnerstag in Berlin, Merkel trage mit ihrem "System M" Mitschuld an einer Entdemokratisierung der Gesellschaft in Deutschland. In dem Buch heißt es dazu: "Wer Normen und Werte einer demokratischen Gesellschaft zur Manövriermasse macht wie Angela Merkel, der arbeitet am Zerfall der Demokratie." Deshalb habe sie sich zu einem "Weckruf" mit diesem Buch entschieden, fügte Höhler hinzu.
Streckenweise liest sich das Buch vergnüglich wie eine Politsatire, wenngleich es bestimmt nicht als solche gemeint ist. Teils übt Höhler fundiert Sachkritik - etwa an der hektischen Art des Atomausstiegs nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima. Oft aber wirkt „Die Patin“ wie eine Kampfschrift, ein Aufruf zum M-Sturz.
Ein Jahr vor der Bundestagswahl schürt die konservative Intellektuelle die Unzufriedenheit mit Merkel in Teilen der Union. Deren älteren Männern wirft sie vor, mit „der Faust in der Tasche“ feige gekniffen zu haben, als die „Alphawölfin im Schafspelz aus der trüben Ostkulisse“ sich an den Sturz des Kanzlers der Einheit gemacht habe, um sich freie Bahn für ihre politische Karriere zu verschaffen.
Vor allem an der Macht sei M. interessiert. Und zwar in ganz Europa. Damit steht Höhler nicht allein. „Die Germanisierung Europas macht rasche Fortschritte“, schrieb schon im Herbst 2011 Felix E. Müller, der Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag“, den Höhler zitiert: Merkel wolle ein Europa unter deutscher Führung. „Deshalb arbeitet sie auf die politische Union hin, die ihr den Durchgriff auf die inneren Verhältnisse der EU-Mitgliedsländer vor allem in Süd- und Osteuropa ermöglichen soll.“
Es mag mit Höhlers Wertschätzung für die oft kritische Sicht Schweizer Kommentatoren auf die Merkel-Politik zu tun haben, dass sie „Die Patin“ dem Zürcher Verlag Orell Füssli anvertraute. Aber sie zielt natürlich auf die Merkel-Debatten in Deutschland. „Das System M etabliert eine leise Variante autoritärer Machtentfaltung, die Deutschland so noch nicht kannte“, meint die 1941 in Wuppertal geborene Literaturwissenschaftlerin und Beraterin für Wirtschaft und Politik, die zu Kohls Zeiten auch mal als Ministerin im Gespräch war.
Selbst den Vergleich mit Nationalsozialismus und Kommunismus hält sie für angebracht: „Die Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts boten andere Erfahrungen, was den politischen Stil angeht - obwohl die Anklänge nicht zu leugnen sind: die Marginalisierung der Parteien, der Themenmix aus enteigneten Kernbotschaften anderer Lager in der Hand der Regentin; ihre Nonchalance im Umgang mit dem Parlament, mit Verfassungsgarantien, Rechtsnormen und ethischen Standards.“
„Macht ist besser als Ohnmacht“
Damit nicht genug, warnt Höhler: „Der autoritäre Sozialismus, der im System M angelegt ist, nimmt eine Hürde nach der anderen, weil er auf Gewöhnung setzt.“ Viele christdemokratische Werte habe M. heimlich über Bord geworfen. Das Ergebnis sei ein fließender Politik-Brei, mal konservativ, mal christlich-sozial, mal liberal, wobei die „Patin“ immer wieder bei Sozialdemokraten und Grünen wildere.
Erfahrungen in der DDR hätten die „Aufsteigerin aus dem Unrechtsstaat“ gelehrt: „Überlebenstechniken aus der Diktatur führen in der Demokratie bis an die Spitze...“ Merkels angebliches Motto: „Macht ist besser als Ohnmacht - in jedem System.“
Zu übersehen scheint Höhler, dass Merkels Machtpolitik ja auch eine Lehre aus der Beobachtung des einst übermächtigen Ziehvaters sein könnte. Höhler lamentiert ausgiebig, Merkel habe CDU-Hoffnungsträger wie Merz, Koch oder Röttgen rausgedrängt. Doch was mag Merkel daraus gelernt haben, wie einst Kohl kluge Kritiker - man denke nur an Geißler oder Biedenkopf - in die Wüste schickte?
Ob die schweren Geschütze, die von der einstigen Kohl-Vertrauten gegen Merkel aufgefahren werden, den politischen Diskurs der Bundesrepublik, vielleicht gar den Wahlkampf, irgendwie beeinflussen werden? „Die Kritik an Kanzlerin Angela Merkel“, schrieb „Der Spiegel“, „war schon immer schrill.“ Höhler habe nun „noch eine Schippe draufgelegt“.
Ob die Kanzlerin das Buch liest, ist ungewiss. Einen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschienenen Vorabauszug soll sie nach den ersten Zeilen empört aus der Hand gelegt haben, hieß es in der „Welt online“.
In diesem Gastbeitrag beschrieb Höhler bereits einige Thesen aus ihrem Buch. Der Tenor des Textes: „Die Werte der anderen“ haben für die deutsche Chefin keinerlei Verbindlichkeit. „Die Stabilität des Kontinents wird nur noch über Geldwerte definiert. Der Irrtum am Start der Währungsunion wird damit wieder handlungsleitend; das geheime Motto lautet: Wir kaufen Europa“, schreibt Höhler.
Es folgt die Abrechnung mit Merkels Führungsstil, den Höhler als das „System M“ bezeichnet. Jahrelang habe sich die Presse mit der Frage beschäftigt, ob sie besonders gut oder eher schlecht oder vielleicht gar nicht führe. „In Wahrheit hat Merkel ein autokratisches System entwickelt, das von den Vorurteilen der Beobachter profitiert: Autoritäres Schweigen ist in diesen Vorurteilen nicht verzeichnet“, so die Buchautorin.
Höhler: Amtsführung wie in einem Gemischtwarenladen
Merkels Amtsführung beschreibt sie so: Es sei wie in einem Gemischtwarenladen. Produkte, die nicht gehen, würden aus dem Angebot genommen. Produkte der Konkurrenz, die besser laufen, würden kopiert. Die Kanzlerin sehe sich als Anbieterin in einem Meinungsmarkt, wo die Kundengunst über den Marktwert der Ware entscheide. „Was Politik anbietet, sind aber nicht Waren. Es sind Entwürfe für Lebensqualität, soziale Sicherheit und Entfaltungsrechte“, meint Höhler.
Die „Patin“ handle dabei kompromissloser als jeder bisherige deutsche Staatschef, niemand habe die Rangfolge der politischen Ziele so oft umgeworfen und neu sortiert wie Angela Merkel. Dabei habe diese unbeschwerte „gute Patin von Europa“, wie die „Bild“ Merkel im vergangenen Oktober betitelte, die deutsche Politik und ihre Dominanz im europäischen Projekt entscheidend geprägt. Ob sie ohne Merkel genauso aussähe, dürfe bezweifelt werden.
Doch das System M habe nicht nur Folgen für Europa, sondern auch für ihre Partei. „Mit Angela Merkel ist eine Frage auf die politische Tagesordnung gekommen, mit der die CDU einstweilen nur intuitiv, nervös und im Kern fassungslos umgeht“, so Höhler. „Es ist die Frage, ob der Wertekonsens, den alle bürgerlichen Parteien teilen, seine Gültigkeit verliert zugunsten situativer Unberechenbarkeit aller Akteure und Motive.“
Höhler bilanziert am Ende des Gastbeitrags: „In Deutschland kann man seit der Einigung politisch an die Spitze rücken, wenn man als Asket an allen Vorgaben vorbeizieht, von denen sich die Mitspieler aus der alten Westwelt aufhalten lassen: Rechtsnormen und Verfassungswerte, Verträge und Wettbewerbsfreiheit, ethische Standards und moralischer Grundkonsens.“
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Peter Heimig
Peter Heimig vs. „Die Patin“?
Mehr zum Thema: mein offener Brief an „Merkel – Gauck“ ev. als Präambel zu o.g. Buch? s. peter-heimig.com Nr. 122 vom 22.8.12 „alternativlose Photos (schwere Körperverletzung 1.2.2012 auf Rügen, dem Wahlkreis von Merkel).
„Störtebekers Erbengeschichten aus Merkels Leichenkeller“ (Anm.: Gemeint ist Rügen- Wahlkreis von Merkel). ISBN 9781291011128 www.lulu.com
bz Berlin 24.8.12:“…Die Vokabel alternativlos ist eine Anti-Freiheits-Vokabel…“
Peter Heimig (73)
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ursularenner
bestens beschrieben.
Das Volk ist sehr bequem geworden und hat auch ein enormes Anspruchsdenken entwickelt von dem wir wieder weg müssen
Altbadener
na endlich sagt es mal einer.
So ähnlich habe ich es neulich auch schon mal ausgedrückt.
Der Journalist Hendrik M. Broder sagte schon vor einem Jahr, man könne in unserem Land mittlerweile eine enorme Verostung festellen und erst vor ca. 14 Tage bezeichnete die ehemalige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld den Bundestag als Volkskammer.
Also liegt Frau Höhler mit ihren Einlassungen doch völlig richtig.
immer mehr Leute merken doch, dass hier nichts mehr stimmig ist
DKlaus1940
Bei wem ist denn Frau Prof. Höhler nht merh gelitten?
Höhler ist zwar CDU-Mtglied, aber war nie in irgend einer Postion. Also Ihr Argument hinkt irgendwie
Im übrigen ist sie immer noch eine s ehr gefragte Beraterin in der Wirtschaft
Thomas
genau so ist es.
Was wäre denn Frau Merkel heute, wenn die Mauer nicht gefallen wär? Diese Frage wirft Thomas Wiezorek in einem seiner Bücher auf.
Richtig, Merkel wäre strammes Mitglied im Polit-Büro
Viele User hier haben offenbar vergessen wo Merke herkommt und was sie früher gemaht hat.
Hörenswertes Interview vom 24.08:
http://www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/gespraechszeit/audio94630-popup.html
Frau Höhler ist heute Abend auch Gast bei Günther Jauch, werde ich mir anschauen.
An alle die das "System M" nachwievor gut finden.
Wollten sie so eine Chefin? Ist sie teamfähig? Lässt sie Widerspruch zu? Haben sie angst vor ihr? Ich könnte die
Fragestellungen weiter fortsetzen aber es ist mir leid.
Fakt ist, dass ich die geballte Faust aus der Tasche nehme und sie auf den Tisch schlagen würde. Ich lasse mich von
einem Arbeitgeber nie in Abhängigkeit bringen( Aufbau eines nebenberuflichen Standbein sehr wichtig). Die meisten müssen
schleimen. So ist unser System organisiert.Wer es nicht glauben
will, der lebt in einer Traum- und Scheinwelt. Wären wir froh
und hätten viele solche Menschen wie Frau Höhler. Intelligent,
redegewandt, führungsstark und schlagfertig.
MfG
Walter Schmid
Sie haben m.E. recht. Da offenbart sich das eigentliche Problem: Demokratie hat nicht nur Vorteile. Sie ist nicht besser als die Wähler. Wenn diese keine Probleme und Realitäten hören wollen, dann läuft es nicht gut. In Griechenland waren es auch nicht nur die bösen und unfähigen Politiker, aber davon will die Bevölkerung, die sie über Jahrzehnte gewählt hat, nichts hören. Viele haben über die Jahre vom System profitiert. Deshalb hat man es nie geändert und tut man sich heute noch so schwer damit.
In einem Land in dem Bürger vereinzelt mit den alten Methoden der Staatssicherheit konfrontiert sind und auf diese art mundtot gemacht werden, ist das Buch von Frau Höhler begrüßenswert und macht mir, einem Opfer, wirklich Hoffnung....auf polundwirt.blog können sie sich informieren.