Energie-Importe Wie Deutschland einer Abhängigkeit vom Wasserstoff vorbeugen könnte

Grüner Wasserstoff soll Teil der Energiewende werden. Doch noch ist er teuer und schwer zu produzieren.
Berlin Dass Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität auf den Import von Wasserstoff angewiesen sein wird, ist unbestritten. Entstehen dadurch neue Abhängigkeiten? Wenn Deutschland den Weg zur Klimaneutralität ernsthaft weitergehe, werde der Energieimportbedarf stark sinken, aber man werde weiterhin auf Energieimporte angewiesen sein, sagt Raffaele Piria vom Thinktank Adelphi.
„Die Risiken in Bezug auf Energieimporte werden sich ändern. Darauf müssen wir uns vorbereiten.“ Piria ist Hauptautor der Analyse „Wasserstoffimportsicherheit für Deutschland“, die dem Handelsblatt vorliegt. Sie wird am Mittwoch veröffentlicht.
Die Analyse ist eine Arbeit des vom Bundesforschungsministerium geförderten Ariadne-Konsortiums. Erstellt haben sie Autoren von Adelphi, Fraunhofer und Potsdam-Institut (PIK).
Klimaneutraler Wasserstoff gilt auf dem Weg zur Klimaneutralität als unverzichtbar. Er ermöglicht die Dekarbonisierung der Stahl- oder Chemieindustrie sowie des Schwerlast- und Flugverkehrs. Im Mittelpunkt der politischen Bemühungen für den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft steht grüner Wasserstoff, der mittels Strom aus erneuerbaren Quellen durch Elektrolyse hergestellt wird. Angesichts begrenzter Potenziale für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen wird Deutschland klimaneutralen Wasserstoff importieren müssen.
Diesem Gedanken trägt auch die 2020 verabschiedete Nationale Wasserstoffstrategie Rechnung. Experten schätzen, dass Deutschland höchstens 30 Prozent seines Wasserstoffbedarfs aus heimischer Produktion wird decken können. Der Aufbau verlässlicher Importstrukturen ist daher ein wichtiger Bestandteil der Nationalen Wasserstoffstrategie. Die Koalitionsvereinbarung von SPD, Grünen und FDP führt diesen Gedanken fort. Man wolle den „Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffwirtschaft und die dafür notwendige Import- und Transportinfrastruktur möglichst schnell vorantreiben“, heißt es darin.
Energieimport Deutschlands werde über die Jahre abnehmen
Nach Überzeugung Pirias erfolgt der Aufbau von Lieferbeziehungen in verschiedenen Stufen: „Am Anfang werden voraussichtlich bilaterale Verträge mit Lieferanten aus einzelnen Lieferländern stehen. Wenn die Lieferbeziehung mit dem Aufbau einer bestimmten Infrastruktur, etwa einer Pipeline, verknüpft ist, werden dahinter langfristige vertragliche Bindungen stehen“, sagt der Adelphi-Experte. „Die Exporteure, die Produktionskapazitäten aufbauen, sind gerade zu Beginn auf Nachfragesicherheit angewiesen. Im Laufe der Jahre wird sich ein globaler Markt entwickeln.“
Der Ariadne-Analyse zufolge wird „der Energieimportbedarf Deutschlands auf dem Weg zur Klimaneutralität sowohl absolut als auch anteilig stark abnehmen“. Anstatt der bisherigen sehr großen Mengen an fossilen Energien und Uran werde Deutschland „in Zukunft deutlich kleinere Mengen an klimaneutraler Energie, überwiegend Wasserstoff, importieren müssen“, heißt es in der Studie.
Die Autoren bezeichnen diese Entwicklung als „wichtige Nebenwirkung einer konsequenten Klimapolitik“. Dem in Zukunft schnell anwachsenden Bedarf an klimaneutralen Energieimporten stehe ein noch schneller abnehmender Bedarf an fossilen Energieimporten gegenüber. Allerdings könne die Wasserstoff-Importsicherheit durch eine Reihe von Risiken gefährdet werden: „Neben den übergeordneten Feldern der Verfügbarkeit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit der Wasserstoff-Importe entstehen weitere Risiken entlang der Importkette.
In Bezug auf die Exportländer bestehen die Risiken einer zu geringen Anzahl an Wasserstoff exportierenden Ländern und Unternehmen, der politischen Instabilität im Exportland sowie der Unersetzbarkeit eines Exporteurs aufgrund einer unzureichend diversifizierten Transportinfrastruktur oder eines unflexiblen Wasserstoff-Marktes.“
„Deutschland ist auf einem guten Weg, andere mitzunehmen“
Die Verwundbarkeit sinke, wenn es Ausweichmöglichkeiten gebe, nämlich „die Verfügbarkeit von Lagerbeständen, Möglichkeiten zum kurzfristigen Energieträgerwechsel und die kurzfristige Skalierbarkeit inländischer Wasserstoffproduktion“, schreiben die Autoren der Analyse.
Deutschlands Engagement beim Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft hat nach Überzeugung Pirias Vorbildcharakter: „Deutschland ist auf einem guten Weg, andere mitzunehmen und einen wesentlichen Beitrag dazu zu leisten, eine globale Wasserstoff-Wertschöpfungskette aufzubauen“, sagte er.
„Es könnte sich wiederholen, was wir bei der Photovoltaik beobachten konnten: Deutschland ist in Vorleistung gegangen und hat damit einen wesentlichen Beitrag zur Kostendegression und damit zum Erfolg der Photovoltaik geleistet. Das zunehmende Engagement auch anderer Länder spricht dafür, dass diesmal Deutschland einen viel geringeren Anteil der Entwicklungskosten tragen wird“, sagte Piria.
Mehr: RWE und russischer Novatek-Konzern schließen Wasserstoff-Kooperation.
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