Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Energiewende Biomasse soll Kohlekraftwerke klimaneutral machen – Ministerium erarbeitet Förderprogramm

Der Kohleausstieg ist beschlossene Sache, die Kraftwerke gehen schrittweise vom Netz. Doch mit Biomasse könnten sie eine neue Perspektive bekommen. Die Betreiber brauchen Klarheit.
26.03.2021 - 07:59 Uhr 4 Kommentare
Biomasse statt Kohle: eine Alternative für den Strommarkt? Quelle: dpa
Kohlekraftwerk in der Abendsonne

Biomasse statt Kohle: eine Alternative für den Strommarkt?

(Foto: dpa)

Berlin Die Betreiber von Kohlekraftwerken wollen ihre Anlagen künftig mit Biomasse befeuern. Sie sehen darin einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Stabilisierung des gesamten Stromerzeugungssystems. Ein dem Handelsblatt vorliegendes Gutachten des Beratungsunternehmens Enervis stützt die Argumentation.

Die Umrüstung von Kohlekraftwerken auf Biomasse könne „nicht nur einen substanziellen Beitrag zur schnellen Senkung von CO2-Emissionen leisten, sondern dient auch dazu, mit weitgehend vorhandener Infrastruktur gesicherte Leistung im System zu halten“, heißt es in dem Gutachten. In Auftrag gegeben haben es die Kraftwerksbetreiber EnBW, Enviva und Onyx Germany.

Die Umrüstung sei technisch machbar und werde international praktiziert, schreiben die Enervis-Experten weiter. Als Alternative komme nur der Neubau von Kraftwerken in Betracht. Die Argumentation rührt an ein Grundproblem des Kohleausstiegs. Mit dem Abschied von der Kohle fehlt in großem Umfang gesicherte Kraftwerksleistung, die immer dann zur Verfügung stehen muss, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.

Zusätzliche Gaskraftwerke gelten für die kommenden Jahre als bevorzugter Ersatz für die wegfallenden Kohlekraftwerke. Sie lassen sich sehr flexibel einsetzen und können perspektivisch auch mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden.

Ob sie aber zur rechten Zeit zur Verfügung stehen, erscheint im Moment fraglich. „Niemand ist bei den derzeitigen Spielregeln im Markt bereit, in neue Gaskraftwerke zu investieren“, sagt Peter Feldhaus, Chef von Onyx Power. Tatsächlich müssten die Investitionen innerhalb weniger Jahre erfolgen. Doch es tut sich derzeit nichts.

Daher erscheint die Umstellung bestehender Kohlekraftwerke auf eine Befeuerung mit Biomasse interessant. Das sieht auch Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, so: „Mit einer Umstellung von Kohlekraftwerken auf Biomassefeuerung ließe sich sehr kurzfristig gesicherte Leistung zurückgewinnen. Das hilft bei der Stabilisierung des Gesamtsystems und ist zudem klimafreundlich“, sagte Westphal dem Handelsblatt.

Außerdem seien die Nutzung des Kraftwerksstandorts und großer Teile des Kraftwerks selbst unter dem Blickwinkel der Ressourcenschonung absolut nachhaltig. „Wir sollten möglichst rasch Lösungen anbieten, damit die Umstellung auch wirtschaftlich darstellbar ist“, empfiehlt der SPD-Politiker.

Das Enervis-Gutachten macht dazu konkrete Vorschläge. Ohne Förderung sei die Umstellung unter heutigen Marktbedingungen unwirtschaftlich, schreiben die Gutachter. Sie haben sich in anderen europäischen Ländern, etwa Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden, umgeschaut und empfehlen Differenzverträge, im Fachjargon Contracts for Difference (CFD) genannt.

Öffentliche Hand garantiert einen bestimmten Preis

Das System dahinter: Der Betreiber vereinbart mit der öffentlichen Hand einen bestimmten Preis je produzierter Kilowattstunde Strom, der sich an den Betriebs- und Umstellungskosten orientiert. Je nachdem, ob die erzielten Erlöse am Strommarkt dann über oder unter dem vereinbarten Preis liegen, werden Mindererlöse ausgeglichen, Mehrerlöse muss der Betreiber an die öffentliche Hand zahlen.

Der Vorteil ist, dass die Erlöse des Betriebs im Grundsatz von der Preisentwicklung am Strommarkt abgekoppelt sind. Das macht den Betrieb kalkulierbar und senkt die Finanzierungskosten. Für die Verbraucher sinkt zugleich das Strompreisrisiko. CFD-Modelle entsprechen zudem den Anforderungen des europäischen Beihilferechts.

Die Enervis-Gutachter haben Modellrechnungen für die Umstellung von  vier Referenzkraftwerken angestellt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Förderung bei einer Laufzeit der Differenzverträge von zehn Jahren durchschnittlich 3,7 Cent je Kilowattstunde betragen müsste. Der Wert liegt nach Angabe der Gutachter in etwa in der Größenordnung vergleichbarer Förderungen in Dänemark und Großbritannien.

Ergänzung der Wind- und Sonnenenergie

Peter Feldhaus verweist auf einen Vorteil der Umstellung, der vor dem Hintergrund der ehrgeizigen Pläne der Bundesregierung zum Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft relevant ist. „Wir gehen in unseren Betrachtungen von 3500 Volllaststunden für die mit Biomasse befeuerten Kraftwerke aus. Damit würden sie ideal mit Wind- und Sonnenenergie harmonieren. Wenn man einen küstennahen Standort wählen würde, würde man beispielsweise Wind-Offshore-Anlagen, die eine Auslastung von etwa 4000 Volllaststunden haben, beim Betrieb von Elektrolyseuren ideal ergänzen“, sagt der Chef von Onyx Power. „Dadurch lässt sich eine effiziente und klimaneutrale Wasserstoffelektrolyse über das ganze Jahr betreiben. Das sichert den Elektrolyseuren eine hohe Auslastung und trägt zur Kostendegression bei grünem Wasserstoff bei“, argumentiert Feldhaus.

Feldhaus braucht allerdings Klarheit über die Rahmenbedingungen, damit er loslegen kann. „Für uns ist entscheidend, dass die Politik schnell entscheidet, um unsere Investitionen tätigen zu können. Wir brauchen vor der Sommerpause ein klares Signal“, sagt er.

Förderprogramm soll eine Milliarde Euro schwer sein

Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet derzeit an einem Förderprogramm, das die Umstellung bestehender Kohlekraftwerke auf hocheffiziente und flexible Gas- oder Biomasseverstromung unterstützt und ein Volumen von einer Milliarde Euro haben soll. Dabei werden verschiedene Auflagen gemacht. So müsse „sichergestellt werden, dass es sich um nachhaltige, effizient genutzte und treibhausgasneutral erzeugte Biomasse handelt“, teilte das Ministerium auf Anfrage mit.

Die Verfügbarkeit von nachhaltiger Biomasse ist bei der Umstellung nicht der begrenzende Faktor. So wächst der Markt für Holzpellets, einer verbreiteten Variante für den Biomassebetrieb von Kraftwerken, seit Jahren kontinuierlich. Brancheninsider sagen, der Holzpelletmarkt sei „noch bei Weitem nicht am Ende“.

Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht unrealistisch, dass sich die Potenziale für eine Biomasse-Umstellung von Kohlekraftwerken auch tatsächlich nutzen lassen. Nach Branchenangaben kommt dafür in Deutschland eine installierte Kraftwerksleistung von bis zu vier Gigawatt (GW) in Betracht. Damit wiederum wäre ein erheblicher Teil der prognostizierten Lücke an gesicherter Kraftwerksleistung geschlossen.

Mehr: Union setzt auf regenerative Kraftstoffe und provoziert damit Koalitionsstreit

Startseite
Mehr zu: Energiewende - Biomasse soll Kohlekraftwerke klimaneutral machen – Ministerium erarbeitet Förderprogramm
4 Kommentare zu "Energiewende: Biomasse soll Kohlekraftwerke klimaneutral machen – Ministerium erarbeitet Förderprogramm"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Ich kann mich den vorhergehenden Aussagen nur anschließen.
    Biomasse statt Kohle wird die CO2 Bilanz kaum reduzieren. Darüberhinaus hat das verheizen von Pellets zur konsequenz, daß all diejenigen die ihre private Heizung von Öl auf Pellets umstellen oder schon umgestellt haben, 2x bestraft werden. Zum einen da sie die Kosten für das Förderprogramm mittragen zum anderen weil sich der Pelletpreis dann deutlich erhöhen dürfte. Anstelle konsequent an regenerativen Ansätzen zu arbeiten wird verbissen an alten Technologien festgehalten. Es fehlt der aktuellen Regierung einfach die Kompetenz und der Wille dazu entsprechende Weiterentwicklungen anzuschieben.

  • Sorry, dümmer geht's immer. Ich bewundere ja die (meist sachliche) Diskussion und Bemühungen in Deutschland. Und ich verstehe ja, dass die Not groß ist, CO2-neutral zu werden. Nur wird man so das Problem noch verschlimmern.

    PS: Kleine Massenbilanz, bevor alles Biomasse an verbrannt wurde, würde hier schon helfen.

  • Es gibt einschlägige Studien (KIT, DUH etc), dass die energetische Nutzung von Biomasse keinen oder nur sehr geringen Effekt auf die Treibhausgasbilanz hat. In vielen Anwendungsbereichen ist der Effekt sogar negativ, weil der grossflächige Einsatz von von Stickstoffdüngern für die Produktion von Biomasse zu beträchtliche Lachgasemissionen führt, die ihrerseits klimaschädlich sind. Ganz abgesehen von der Eutrophierung der Gewässer. Eine massenhafter Einsatz von Biomasse, kann nicht durch die deutsche/ europäische Landwirtschaft dargestellt werden und führt zum Import, vornehmlich aus Regenwaldgebieten. Die EU-Beimischungsrichtlinie für Bioethanol hat die Nutzung von ehemaligen Regenwaldflächen zum Anbau von Biomasse (Soja, Zuckerrohr, Palmöl) für die energetische Nutzung erst so richtig befeuert. Die Holzhackschnitzel für Heizungen werden auch aus zumeist nichtnachhaltigem Holzanbau eingeführt.
    Ich kann ja verstehen, dass die Betreiber von Kohlekraftwerken nach deren Weiterverwendung suchen, sie mit Biomasse zu betreiben würde die Reihe von letztlich klimaschädlichen Fehlanreizen nur verlängern.

  • Als Biomasse verstehe ich, was im Wald, auf Wiesen und Feldern wächst. Daraus werden heute schon Lebensmittel, Biodiesel, Bioethanol, Dachstühle, Holzhäuser und Möbel hergestellt. Künftig soll also auch noch Kraftwerkskohle durch Biomasse ersetzt werden. Der Boden, auf dem Biomasse wächst, lässt sich nicht vermehren. Ich frage mich woher diese Biomasse dann kommen soll. Wo müssen wir uns einschränken, etwa beim Essen? Wenn wir die Wälder, egal wo, abholzen, um damit Kraftwerke zu befeuern, retten wir doch das Klima nicht. Offensichtlich geht es hier wieder nur um Subventionen. Wir hatten zwar in den letzten Dürrejahren ein Überangebot an Holz, was zu einem katastrophalen Preisverfall geführt hat. Zurzeit herrscht aber wieder Holzmangel. Die Naßlager sind weitgehend geräumt.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%