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EU-Entsenderichtlinie Bundesregierung strebt bessere Bedingungen für ausländische Arbeitnehmer an

Das Kabinett hat den Gesetzentwurf zur Umsetzung der 2018 reformierten EU-Entsenderichtline beschlossen. Arbeitnehmer aus dem Ausland können auf mehr Geld hoffen.
12.02.2020 Update: 12.02.2020 - 19:59 Uhr Kommentieren
Auf dem Bau arbeiten besonders viele aus anderen EU-Staaten entsandte Arbeitnehmer. Quelle: Caro / Lueger
Dachdecker bei der Arbeit

Auf dem Bau arbeiten besonders viele aus anderen EU-Staaten entsandte Arbeitnehmer.

(Foto: Caro / Lueger)

Berlin Aus anderen EU-Ländern nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer sollen künftig bei Entlohnung und Arbeitsbedingungen bessergestellt werden als bisher. Das sieht der Gesetzentwurf zur Umsetzung der reformierten EU-Entsenderichtlinie vor, den das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat.

So wird im Arbeitnehmerentsendegesetz der Katalog der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen erweitert, die auch für entsandte Beschäftigte gelten. Hatten sie bisher nur Anspruch auf die in einer Branche geltenden Mindestentgeltsätze, so soll künftig die dort übliche „Entlohnung“ der Maßstab sein. Außerdem legt das Arbeitsministerium Mindeststandards für die Unterbringung entsandter Arbeitnehmer fest.

„Europa ist mehr als ein Binnenmarkt, Europa steht auch für sozialen Fortschritt und Schutz“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Mit dem neuen Gesetz schaffe die Bundesregierung faire Wettbewerbsregeln für Unternehmen und gleiche Lohnvorschriften für alle, die in Deutschland arbeiteten. „So schützen wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndumping und ehrliche Unternehmer vor unfairem Wettbewerb“, betonte Heil.

Kritik übte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB): „Die Chancen für Verbesserungen, die die revidierte Richtlinie bietet, werden nicht annähernd ausgenutzt“, sagte Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Außerdem werden neue rechtliche Schlupflöcher geschaffen, die es Arbeitgebern weiterhin möglich machen werden, Menschen zu unwürdigen Bedingungen arbeiten und leben zu lassen.“

Arbeitskräftemobilität über Grenzen hinweg gehört zum Alltag der EU und hat seit der Osterweiterung noch einen kräftigen Schub erlebt. So kann beispielsweise ein deutscher Generalunternehmer ein Unternehmen mit Sitz in Rumänien beauftragen, Maurerarbeiten in Deutschland auszuführen.

Um sicherzustellen, dass die für diese Arbeiten entsandten rumänischen Maurer nicht schlechter gestellt werden als ihre deutschen Kollegen – und um einheimische Firmen vor Konkurrenten mit deutlich niedrigeren Arbeitskosten zu schützen – hatte die EU bereits 1996 die Entsenderichtline verabschiedet. Sie folgt dem Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“.

Verschärfte EU-Entsenderichtlinie

Weil Entsendungen stark zugenommen haben – allein für die Entsendung von Arbeitnehmern nach Deutschland wurden 2017 knapp 390.000 Genehmigungen, sogenannte A1-Bescheinigungen ausgestellt – hat der europäische Gesetzgeber die Entsenderichtlinie verschärft. Die Änderung ist Ende Juli 2018 in Kraft getreten und muss bis Ende Juli 2020 in nationales Recht umgesetzt werden.

Bisher hatten entsandte Arbeitnehmer nur Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn oder bundesweit geltende Branchenmindestlöhne. Künftig sollen nicht nur die Vorschriften über Mindestentgelte, sondern über alle Elemente der Entlohnung gelten, also etwa auch tarifvertraglich geregelte Lohngitter, Zulagen oder Zuschläge. Relevant seien derzeit insbesondere Erschwerniszuschläge, wie sie im Bauhauptgewerbe, im Dachdecker- und Gerüstbauerhandwerk oder bei Steinmetzen gezahlt würden, teilte das Arbeitsministerium mit.

Die Vergütung kann zudem stärker nach Tätigkeit, Qualifikation und Berufserfahrung differenzieren. Außerdem wird im Gesetzentwurf klargestellt, dass entsandte Arbeitnehmer künftig Anspruch auf Erstattung von Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten haben, wenn sie innerhalb Deutschlands abseits ihres Wohnortes eingesetzt werden. Definiert wird auch, wann vom ausländischen Arbeitgeber gezahlte Entsendezulagen auf die Entlohnung in Deutschland angerechnet werden dürfen.

Standards für die Unterbringung

Das Arbeitsministerium will zudem eine vernünftige und menschenwürdige Unterbringung entsandter Arbeitnehmer sicherstellen. „Gerade in den deutschen Großstädten häufen sich die Berichte von miesen Unterkunftsbedingungen für Arbeitnehmer aus dem Ausland, teilweise sogar Bauwagenkolonnen“, hatte Heil in seinen schon im Mai veröffentlichten Eckpunkten für das Gesetz geschrieben. „Damit muss Schluss sein.“

Jetzt ist vorgesehen, dass Unterkünfte für ausländische Arbeitnehmer den in der Arbeitsstättenverordnung geregelten Mindeststandards genügen müssen. Das bedeute im schlimmsten Fall aber immer noch „Hausen auf zehn Quadratmetern mit viel zu vielen Menschen und miese hygienische Bedingungen“, kritisierte Buntenbach.

Ausgenommen von den strengen Regelungen sind Montage- oder Einbauarbeiten im Rahmen eines Liefervertrags, wenn ein entsandter Beschäftigter damit in Deutschland nicht länger als acht Tage im Jahr zubringt. Dienstreisen für Vertragsverhandlungen, den Besuch von Messen und Fachveranstaltungen oder Weiterbildungen bei international tätigen Konzernen werden nicht erfasst, solange sie nicht länger als 14 Tage dauern. Für Kraftfahrer gelten weiter Sonderregelungen.

Neben den Gewerkschaften übte auch die Opposition Kritik: „Den vollmundigen Ankündigungen, grenzübergreifendes Lohndumping entschieden zurückzudrängen, will die Bundesregierung offenkundig keine Taten folgen lassen“, sagte der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Pascal Meiser. „Arbeitsminister Heil ist im Begriff, eine riesige Chance zu verpassen, das Tarifvertragssystem in Deutschland zu stabilisieren.“

Es sei dringend geboten, dass künftig alle allgemeinverbindlichen Tarifverträge auch für kurzzeitig nach Deutschland entsandte Beschäftigte gelten, betonte Meiser. Dies müsse dann auch konsequent von den zuständigen Behörden kontrolliert werden. Um die Einhaltung der Entlohnungsbedingungen besser überwachen zu können, solle die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls noch einmal um 1.000 Mitarbeiter aufgestockt werden, kündigte das Arbeitsministerium an.

Der DGB rügte, dass für durch Rechtsverordnung erstreckte tarifliche Mindestentgeltsätze lediglich die untersten drei Entgeltstufen auch automatisch für entsandte Beschäftigte gelten sollen. Sie würden also weiterhin schlechter gestellt.

Außerdem sollen laut Gesetzentwurf nur bundesweite allgemeinverbindliche Tarifverträge auf Entsandte Anwendung finden, obwohl die Entsenderichtlinie ausdrücklich auch die Anwendung regionaler Tarifverträge zulasse. Das Arbeitsministerium teilte dazu auf Anfrage mit, dass für Arbeitnehmer, die länger als zwölf beziehungsweise 18 Monate nach Deutschland entsandt würden, künftig auch alle regionalen allgemeinverbindlichen Tarifverträge gelten sollen. Solche langen Entsendungen sind aber die Ausnahme.

Die Reform der Entsenderichtlinie war 2018 erst nach langem Ringen verabschiedet worden. Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich für schärfere Regeln stark gemacht. Gerade viele osteuropäische Staaten sehen durch eine Angleichung der Lohnvorschriften dagegen ihren Wettbewerbsvorteil in Gefahr. Ungarn und Polen haben vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt, weil die verschärfte Entsenderichtlinie aus ihrer Sicht gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt.

Mehr: Nur mit lückenloser Erfassung der Arbeitszeit lässt sich sicherstellen, dass der Mindestlohn überall ankommt. Das ist aber kein Plädoyer für eine Rückkehr zur Stechuhr.

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