Ex-Arbeitsminister Walter Riester „Ich würde an Riester überhaupt nichts ändern“

„Dass jemand wie ich 43 Jahre Beiträge zahlt, wird es bald kaum noch geben.“
Berlin Den Sommer verbringt Walter Riester in seinem Haus am Ossiacher See. Doch die Rentendebatte im fernen Berlin verfolgt der frühere SPD-Arbeitsminister auch von Kärnten aus. Sein Rat ist noch gefragt, Ende Mai hatte Arbeitsministerin Andrea Nahles den 72-Jährigen zum Gespräch eingeladen. Er habe schon den Eindruck, dass die Ministerin aus dem Treffen „einiges mitgenommen“ habe, sagt Riester. Der von Nahles einberufenen Rentenkommission gehört er aber nicht an.
Herr Riester, die IG Metall hat ein Rentenkonzept vorgelegt, das auf eine Rückabwicklung der rot-grünen Rentenreformen hinausläuft, CSU-Chef Seehofer hält die Riester-Rente für tot. Hat die nach Ihnen benannte private Vorsorge noch eine Zukunft?
Viele Kritikpunkte gäbe es nicht, wenn ich damals eine verpflichtende private Vorsorge hätte durchsetzen können. So würden etwa die hohen Transaktionskosten wegfallen. Und wir hätten auch das Problem gelöst, dass viele Menschen leider nicht so vernünftig sind, aus eigenem Antrieb Rückstellungen für das Alter zu bilden.
Neben den hohen Kosten wird vor allem kritisiert, dass die Riester-Rente keine Rendite mehr abwirft.
Das stimmt so pauschal nicht. Es gibt so viele verschiedene Riester-Produkte, die sich alle sehr unterschiedlich entwickeln. Und: Wer heute 30 ist, kann noch 37 Jahre in eine kapitalgedeckte Vorsorge einzahlen. So lang wird die Niedrigzinsphase schon nicht anhalten.
Also sollte die Politik die Finger von der Riester-Rente lassen?
Wir haben uns damals richtigerweise dafür entschieden, staatlich vor allem zugunsten der Menschen einzugreifen, die finanziell nur sehr wenig Spielraum zur Eigenvorsorge haben. Und die Förderung ist sehr komfortabel. An der Riester-Rente, so wie sie heute gestaltet ist, würde ich überhaupt nichts ändern.
Wo würden Sie denn ansetzen?
Mich stört an der Rentendebatte, dass sie nur die Menschen verunsichert, ohne sich um wichtige Zukunftsfragen zu kümmern.
Woran denken Sie?
Die Menschen leben länger und haben im Alter höhere Ansprüche als frühere Generationen. Dass jemand wie ich 43 Jahre ununterbrochen Rentenbeiträge zahlt, wird es aber bald kaum noch geben. Die Erwerbsbiografien haben stärkere Unterbrechungen, es gibt Phasen von Arbeitslosigkeit oder Selbstständigkeit.
Was folgern Sie daraus?
Heute zahlen nur Arbeitnehmer ein, Beamte sind extra abgesichert und viele Selbstständige bilden gar keine Rücklagen. Diese Zersplitterung müssen wir aufheben und aus allen Erwerbseinkommen Beiträge generieren.
Aber die zusätzlichen Beitragszahler haben dann ja irgendwann auch Ansprüche.
Das stimmt. Nach geltendem Recht würden die zusätzlichen Beitragszahlungen sogar eine Senkung des Rentenbeitrags erzwingen, weil die Rentenversicherung nur sehr begrenzt Rücklagen bilden darf.
Sollte das geändert werden?
Eine Demografiereserve wäre nicht schlecht. Sie müsste aber so abgesichert werden, dass die Politik sie nicht anzapfen kann, etwa um neue teure Leistungen zu finanzieren. Mir geht es aber nicht in erster Linie um mehr Geld für die Rentenversicherung, sondern darum, Menschen, die unzureichend vorsorgen, zur Rücklagenbildung zu bringen.
Debattiert wird auch über eine Stabilisierung oder Erhöhung des gesetzlichen Rentenniveaus...
Mein Parteichef fordert das, aber dann muss er auch sagen, wie er das finanzieren will. Jeder Prozentpunkt Erhöhung kostet zehn Milliarden Euro. Ich hoffe sehr, dass Andrea Nahles als zuständige Fachministerin hier dämpfenden Einfluss ausübt.
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