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EZB, ESM oder Euro-Bonds Ist ein gemeinsamer Schuldentopf die Antwort auf die Coronakrise?

Ökonomen haben unterschiedliche Vorstellungen, wer die wirtschaftlichen Schäden der Pandemie bezahlen sollte. Drei Optionen.
24.03.2020 - 04:00 Uhr 1 Kommentar
Eine Option laut Ökonom wäre, dass die Europäische Zentralbank Programme refinanziert. Quelle: dpa
Eine leere Bank vor dem EZB-Gebäude

Eine Option laut Ökonom wäre, dass die Europäische Zentralbank Programme refinanziert.

(Foto: dpa)

Frankfurt Die Bundesregierung hat ein Rettungsprogramm von über einer Billion Euro in Form von Zuschüssen für Selbstständige und Kleinunternehmen, Krediten, Bürgschaften, Kapitalbeteiligungen für Unternehmen, Kurzarbeitergeld und erleichtertem Sozialhilfebezug geschnürt, das bei Ökonomen überwiegend auf Zustimmung stößt. „Was fehlt“, kritisiert Moritz Schularick von der Universität Bonn stellvertretend für viele Ökonomen, „ist die europäische Komponente.“

Vielen europäischen Regierungen fehle das Geld zu solchen Riesenprogrammen, obwohl sie dort, wie zum Beispiel im Pandemie-Schwerpunkt Italien, mindestens ebenso nötig sind. Für die Finanzierung kommen vor allem drei Optionen in Frage: Entweder die Europäische Zentralbank (EZB) springt ein oder der ESM, oder die Regierungen legen gemeinsam „Euro-Bonds“ auf.

Option 1: Jedes Land für sich mit Hilfe der EZB

Auch Italien und Spanien haben trotz jetzt schon hoher Schuldenstände teure Rettungspakete für ihre weitgehend stillgelegte Wirtschaft beschlossen. Dafür müssen sie mehr Anleihen aufnehmen. „Weil diese Regierungen keine Wahl haben, als ihre gefährdeten Unternehmen und Haushalte zu unterstützen, können sie schnell in gefährliches Territorium geraten“, warnt Paul De Grauwe von der London School of Economics.

Wenn sie ihre Anleihen nicht mehr zu bezahlbaren Zinsen loswerden, gehen sie pleite. Deshalb fordert er, dass die Europäische Zentralbank diese Programme refinanziert. Das passiert auch. Vorerst scheint gesichert, dass alle Regierungen zu niedrigen Zinsen willige Käufer für ihre Anleihen finden. Denn die Europäische Zentralbank hat ihr Anleihenkaufprogramm massiv ausgeweitet und gleichzeitig den Verteilungsschlüssel, wessen Anleihen sie kauft, flexibler gemacht. Außerdem hat die EU ihre Schuldengrenzen ausgesetzt, sodass Überschreitungen Anleihekäufen durch die EZB nicht im Wege stehen.

Das Problem: Wenn die Krise vorüber ist und die EZB zur Normalität zurückkehren will, werden diese Länder sehr hohe Schuldenstände haben. Dann muss die EZB die Entscheidung treffen, was mit den großen Mengen an Staatsanleihen in ihrem Portfolio geschehen soll, wenn die Regierungen den normalen  Schuldendienst nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten leisten können.

Diese Entscheidungen bestimmen dann, wie letztlich die Kosten der Rettungsaktionen zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Raums verteilt werden. Die EZB als politisch unabhängige Institution sollte solche weitreichenden Verteilungsentscheidungen eigentlich nicht treffen.

Nach der Finanzkrise von 2008 hat der damalige Anstieg der Staatsschuldenquoten in manchen Ländern, und der Umgang damit, zu einer bis heute nicht ausgestandenen, sehr konfliktträchtigen politisch-ökonomischen Krise des Euro-Raums geführt.

Option 2: ESM-Schutzschirm für Regierungen und Banken

Dreizehn bekannte Ökonomen, überwiegend aus Deutschland und Frankreich, darunter die Chefs der sich sonst gern beharkenden Wirtschaftsforschungsinstitute DIW und Ifo, Marcel Fratzscher und Clemens Fuest, haben einen Aufruf veröffentlicht, in dem sie eine große Kreditlinie des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Finanzierung von Corona-Krisenprogrammen anregen.

Der ESM ist eine eine internationale Finanzierungsinstitution mit Sitz in Luxemburg. Er wurde 2012 per völkerrechtlichem Vertrag der teilnehmenden Regierungen gegründet. Das war nötig, weil die europäischen Verträge gemeinsame Haftung für einzelstaatliche Schulden ausschließen.

Aufgabe des ESM ist es, Mitgliedstaaten der Euro-Zone, die in finanzielle Notlagen geraten, durch gemeinsam gewährte Kredite oder Bürgschaften zu stützen. Diese sollen nur gegen harte Sparauflagen gewährt werden. Daneben hat der ESM noch einen mit 60 Milliarden Dollar ausgestatteten Nebenzweig zur gemeinsamen Rettung von strauchelnden europäischen Banken durch Kapitaleinschüsse. Jeder Mitgliedstaat bleibe auf diese Weise allein für seine Schulden gegenüber dem ESM verantwortlich, betonen die Autoren des Aufrufs.

Ein konkurrierender Aufruf von sieben deutschen Ökonomen, die bemerkenswerterweise sowohl aus dem gewerkschaftsnahen als auch dem arbeitgebernahen Lager kommen, bezeichnen des ESM dagegen als eine Institution der Vergangenheit.

Die Unterzeichner, darunter der ehemalige Wirtschaftsweise Peter Bofinger und der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, werben lediglich dafür, den Bankenrettungsarm des ESM massiv auf 200 Milliarden Euro aufzustocken, um im Bedarfsfall Banken retten zu können, ohne die Regierungen ihrer Heimatländern finanziell zu ruinieren.

Das würde bedeuten, das französische Steuerzahler die Rettung italienischer Banken mitfinanzieren würden und irische Steuerzahler die Rettung einer deutschen Bank.

Option 3: Euro-Bonds könnte Druck entfalten

Die sieben deutschen Ökonomen um Bofinger und Hüther fordern als Alternative zu ESM-Krediten für Regierungen sogenannte Euro-Bonds. „Gemeinschaftsanleihen sind jetzt notwendig, um die Kosten der Krise auf viele Schultern zu verteilen“, argumentieren sie. „Damit kann man den besonders betroffenen Ländern beistehen und verhindern, dass sie unverschuldet in eine Solvenzkrise geraten.“

Die Länder der Euro-Zone sollten dafür als zeitlich begrenzte Maßnahme für diese Krise  Euro-Bonds in Höhe von 1000 Milliarden Euro ausgeben. Damit sollten dann Krisenmaßnahmen in den Ländern finanziert werden, die sich eine weitere Erhöhung der eigenen Verschuldung am Anleihemarkt nicht mehr leisten können.

Deutschland müsste gemäß seinem Anteil am Bruttoinlandsprodukt der Währungsunion für ungefähr ein Viertel dieser gemeinsamen Anleihen geradestehen und ein Viertel des Schuldendienstes schultern. 

„Wir brauchen Lösungen, bei denen notleidende Regierungen Geld als Transfer erhalten, nicht als Kredit“, macht Peter Bofinger klar, worum es bei diesem Vorschlag geht. Die Ausgabe von Euro-Bonds würde einen starken Druck auf zusätzliche Einnahmen- und Ausgabenkompetenzen in Brüssel entfalten.

Einen ähnlichen Vorschlag machten in einem am Sonntag in der „Financial Times“ veröffentlichten Aufruf über 400 Wirtschaftswissenschaftler aus gut 200 Universitäten und Forschungsinstituten und 22 Ländern. Darunter sind die Franzosen Thomas Piketty und Gabriel Zucman. Initiator war der irische Ökonom Aidan Regan. 

Kritiker von solchen Gemeinschaftsanleihen argumentieren vor allem mit der Anreizverzerrung, wenn Regierungen die Kosten eigenen Geldausgebens anderen auferlegen könnten. „Es gibt keine Anreizverzerrung, wenn es darum geht, auf eine Pandemie und deren Folgen zu reagieren“, hält Regan dem entgegen.

Beide Gruppen von Befürwortern der Euro-Bonds treten dafür ein, dass die Europäische Zentralbank im Rahmen ihres Anleihekaufprogramms diese Anleihen aufkauft und so dafür sorgt, das die Zinsen extrem niedrig oder gar negativ sind.

Kosten im Sinne einer Verdrängung anderer Ausgaben, würden nur und erst entstehen, wenn die Anleihen irgendwann zurückgezahlt werden sollten und nicht durch Ausgabe neuer Anleihen refinanziert werden, oder wenn die Zinsen steigen, oder wenn das von der EZB durch die Anleihekäufe in Umlauf gebrachte zusätzliche Geld zu Inflation führen sollte.

Mehr: Warum europäische Ökonomen bei Trumps Modell des Helikoptergelds skeptisch sind.

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1 Kommentar zu "EZB, ESM oder Euro-Bonds: Ist ein gemeinsamer Schuldentopf die Antwort auf die Coronakrise?"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Euro Bonds wären schon eine gute Sache, schon weil Europa dadurch stärker verzahnt würde, aber das vertrauen in die Länder Südeuropas fehlt.
    Der Schlendrian der in der Vergangenheit dort herrschte und die Ausnutzung der niedrigen Zinsen die der Euro ermöglichte ist ja bekannt, siehe Griechenland, Italien.
    Während die Länder im Norden Europas ihre Haushalte weitgehend konsolidiert haben, kann man das von den Ländern Südeuropas nicht sagen.
    Im Gegenteil Griechenland hat Europa die bisher größte finanzielle Kriese beschert.
    Wo soll da Vertrauen herkommen, dass sich diese Länder an Vereinbarungen halten.
    Herrn Conte in Italien würde ich das schon entgegenbringen, aber wenn Salvini in der nächsten Wahl siegt sind alle Verträge nichts mehr wert.

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