Familienpolitik Der Angriff der Familienministerin auf das Ehegattensplitting

Verfestigt das Ehegattensplitting die klassische Arbeitsteilung von Mann und Frau?
Berlin Kurz vor dem Weltfrauentag nimmt Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) den Steuervorteil durch das Ehegattensplitting ins Visier. „Die Besteuerung läuft falsch“, sagte Giffey dem Handelsblatt. „Das müssen wir ändern.“ Mit dem Ehegattensplitting werde die klassische Ein-Verdiener-Familie gefördert. Das führe zu dem Fehlanreiz, dass Frauen zu Hause blieben oder in Teilzeit gingen. „Steuerlich sollte es also einen Anreiz geben, dass beide arbeiten“, sagte Giffey.
Sie bezeichnete das Vorhaben als „dringende Aufgabe für die nächste Legislaturperiode“. Dass seit Jahren über das Splitting gestritten wird, kommentierte die Ministerin mit den Worten: „Die Beharrungskräfte sind in Politik und Wirtschaft da noch recht stark.“
Unterstützung bekommt Giffey aus der Wirtschaft. So argumentiert Cawa Younosi, Personalchef bei SAP Deutschland: „Es ist höchste Zeit, dass Deutschland das Ehegattensplitting an die gesellschaftliche Realität anpasst.“ Es bestärke vor allem Frauen darin, ihre Arbeitszeit zu reduzieren.
„Der starke Anreiz zur Teilzeit wiederum macht es Unternehmen schwerer, Frauen in Führungspositionen zu entwickeln, insbesondere weil – anders als bei uns – Führung in Teilzeit immer noch ein Randphänomen darstellt“, sagt Younosi.
Ifo-Chef Clemens Fuest äußert sich dagegen zurückhaltender. Es gebe zwar gute Gründe, das Splitting zu reformieren. „Allzu große Wirkungen auf die Beschäftigung sollte man davon nicht erwarten.“ Wer das erreichen wolle, müsse eher an das Thema Kinderbetreuung ran. Die SPD bemängelt in ihrem Entwurf für ihr Wahlprogramm, das Ehegattensplitting verfestige die klassische Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen. Deshalb müsse es geändert werden.
Splitting ist hochumstritten
Im Jahr 1958 eingeführt, ist das Ehegattensplitting mittlerweile hochumstritten. Vielen Familien kommt es gar nicht zugute, weil die Eltern nicht verheiratet sind. Außerdem blockiere es eine partnerschaftliche Aufteilung von Einkommenssicherung und Sorgearbeit, finden die Kritiker. Für Bundesfrauenministerin Giffey hat das Modell der „klassische Ein-Verdiener-Familie“ ausgedient.
Auch im aktuellen Familienbericht, den Giffey am Mittwoch vorstellte, befindet die unabhängige Sachverständigenkommission: Bestehende Anreize für eine geringfügige Erwerbstätigkeit von Müttern sollten beseitigt und die egalitäre Arbeitsteilung zwischen den Eltern befördert werden. Dazu fordern die Experten, aus dem Ehegattensplitting auszusteigen, indem zunächst die Steuerklassen drei und fünf abgeschafft werden.

Die Bundesfamilienministerin sieht im Ehegattensplitting einen steuerlichen Fehlanreiz.
Doch es gibt auch viele Argumente gegen eine Abschaffung des Splittings. So ist die Abschaffung eine Steuererhöhung. Vor allem aber sehen die Verfechter des Splittings die Ehe als Einheit, für die das Gesamteinkommen maßgeblich ist, nicht das des Individuums. Würde dies geändert, werde dadurch das für die Steuerbelastung maßgebliche Prinzip der Leistungsfähigkeit ausgehöhlt.
Denn dann würde ein Paar, in dem nur einer ein Einkommen erzielt, deutlich höher besteuert als ein Paar, in dem beide das Gleiche verdienen. Zudem sei es auch ein Wahlrecht, das klassische Familienmodell zu wählen, und es überdies jetzt schon möglich, dass Ehepartner die gleiche Steuerklasse wählen. Daneben gibt es zahlreiche Fallstricke: Wie etwa geht man damit um, wenn ein Partner gar nicht arbeiten kann?
Auch unter Ökonomen ist das Ehegattensplitting umstritten. Während DIW-Chef Marcel Fratzscher dafür plädiert, das Splitting abzuschaffen , ist Ifo-Chef Clemens Fuest zurückhaltender. Die Reform wäre zwar ein gesellschaftspolitisches Signal für mehr Erwerbstätigkeit beider Partner. „Wenn man bei bereits bestehenden Ehen fairerweise beim Ehegattensplitting bleibt, sind die Beschäftigungseffekte zumindest für das erste Jahrzehnt nach der Reform aber vernachlässigbar.“
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.