FDP-Parteitag „Der dritte Platz ist in Reichweite“ – Liberale machen Kampfansage an die Grünen

Die Grünen hätten „sinnvolle Vorhaben“ im Wahlprogramm, etwa im Bereich Bildung und Erziehung, aber man müsse ihnen bei der soliden Finanzierung „assistieren“, sagt FDP-Parteichef Lindner (M.).
Berlin Die Freien Demokraten haben auf ihrem außerordentlichen Parteitag eine Woche vor der Bundestagswahl das Ziel ausgerufen, drittstärkste Partei zu werden – und somit die Grünen auf den letzten Metern noch zu überholen.
Die FDP-Abgeordnete im Europaparlament Nicola Beer sah in ihrer Eröffnungsrede den dritten Platz „in Reichweite“ und Parteichef Lindner beschwor die anwesenden Liberalen, dass der Abstand laut aktuellen Umfragen nur noch drei Prozentpunkte betrage.
Die Kampfansage an die Grünen, die nur wenige Kilometer entfernt in Berlin ihren eigenen außerordentlichen Parteitag abhielten, sollte die FDP auch strategisch für die wohl recht komplexen anstehenden Koalitionsverhandlungen positionieren.
Christian Lindner, der in einer neuen Regierung gerne Bundesfinanzminister werden würde, kramte eine Anekdote über den politischen Konkurrenten Robert Habeck (die Grünen), der ebenfalls für das Amt des Finanzministers gehandelt wird, aus der rhetorischen Tasche.
Habeck habe für eine Umwidmung des Wortes „Schulden“ geworben, sie sollten doch als „Kredite“ bezeichnet werden, so Lindner – eine Geschichte, die im Saal den gewünschten Effekt nicht verfehlte und Gelächter hervorrief. Auch Generalsekretär Volker Wissing sagte, die Grünen „wollen den Menschen Verbote überstülpen“, stattdessen müsse man aber deutsche Erfindungen voranbringen.
Den Grünen finanzpolitisch „assistieren“
Gleichzeitig, so Lindner, hätten die Grünen aber auch „sinnvolle Vorhaben“ in ihrem Wahlprogramm, etwa im Bereich Bildung und Erziehung, man müsse ihnen aber dabei „assistieren“, wie sie diese Vorhaben „solide finanzieren“ könnten, so Lindner. Eine Aussage, die Rückschlüsse auf die präferierte Aufgabenteilung in einer möglichen kommenden Regierungskoalition zulässt.
Auch auf die Frage, wem die FDP nach dem 26. September zum Kanzleramt verhelfen könnte, ging Lindner indirekt ein: „Aus dem Status einer stärksten Partei ergab sich noch nie ein automatischer Führungsanspruch“, so Lindner.
Auch im Fall eines sozialdemokratischen Wahlsieges, wäre ein von der FDP gestützter Kanzler Armin Laschet (CDU) also durchaus ein denkbares Szenario. „Aus den Inhalten ergeben sich in diesem Jahr die Mehrheiten“, so Lindner.
Gleichzeitig vermied es der Parteivorsitzende aber auch, sich schon vor der Wahl auf Koalitionen festzulegen. Optionen auszuschließen hätte die CDU gefordert, aber: „Von dieser Union nehmen wir keine Anweisungen entgegen“, sagte Lindner.
Inhaltlich war Lindners Rede eine Zusammenfassung der im Wahlkampf formulierten Forderungen nach einem Staat, der schneller „grünes Licht“ für innovative unternehmerische Vorhaben geben sollte, nach einem flexibleren Renteneintrittsalter und nach einem Einhalten der Schuldenbremse.
Die größten Bremsen für die gesellschaftliche Freiheit seien neben der Pandemie vor allem die Bürokratie: Er wolle dem „grassierenden Bürokratismus“ den Kampf ansagen, so Lindner. Neben Lindner waren auch die Spitzenkandidaten der FDP für die anstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin und dem Landtag in Mecklenburg-Vorpommern angereist.
Mobilisierung für Landtagswahlen
Während der Berliner Spitzenkandidat Sebastian Czaja gegen den Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne trommelte, setzte René Domke für die Schweriner Landtagswahl auf das Thema Digitalisierung: „Wir wollen Highspeed-Internet an jeder Milchkanne“, forderte Domke. Im Schweriner Landtag ist die FDP seit 2011 nicht mehr vertreten, bewegt sich aber in aktuellen Umfragen rund um die Fünfprozenthürde.
Unterstützung für die FDP kam per Videoschalte auch aus den Niederlanden und aus Estland. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte von der bürgerlich liberalen Partei „Volkspartij voor Vrijheid“ und seine Amtskollegin, die estnische Premierministerin Kaja Kallas von der estnischen Reformpartei, wünschten den Liberalen viel Erfolg für die Bundestagswahl.
„Erfolg“ wäre für die FDP vor allem, so nah wie möglich an die Grünen heranzukommen, sie möglicherweise im Endspurt des Wahlkampfes sogar noch zu überholen. Momentan beträgt der Unterschied zwischen den Parteien allerdings je nach Umfrage zwischen 6,5 und drei Prozentpunkten.
Auch die AfD könnte an der FDP noch vorbeiziehen – während die FDP in den unterschiedlichen Umfragen bei 9,5 bis 13 Prozent liegt, pendelt sich die AfD konstant bei rund elf Prozent ein.
Mehr: Grünen-Parteitag in Berlin: „Das Herumgeeiere der Großen Koalition beenden“
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