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FDP-Verteidigungsexpertin „Mehr auf dem Markt befindliche Produkte kaufen” – Strack-Zimmermann fordert Neuausrichtung der Rüstungspolitik

Die FDP-Politikerin fordert eine kritische Bestandsaufnahme der Bundeswehr. Außerdem verteidigt sie das neue Drei-Prozent-Budget der Ampel für internationales Handeln.
28.11.2021 Update: 28.11.2021 - 10:30 Uhr Kommentieren
„Die Bundeswehr gehört einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen.“ Quelle: dpa
Marie-Agnes Strack-Zimmermann

„Die Bundeswehr gehört einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen.“

(Foto: dpa)

Auslandseinsätze mit unklaren Zielen, fehlerhaftes Material und Katastrophenschutz bei Flut und Pandemie – verteidigungspolitisch steht die Ampel vor großen Herausforderungen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat in der Arbeitsgruppe Außen, Sicherheit, Verteidigung, Entwicklung und Menschenrechte den Koalitionsvertrag mitverhandelt – zwischenzeitlich wurde ihr Name auch für den Posten der Verteidigungsministerin ins Spiel gebracht.

Das Ministerium ging schließlich an die SPD, wer das Amt genau übernimmt, entscheidet sich in dieser Woche. Strack-Zimmermann mahnt im Interview, dass eine neue Ministerin oder Minister die Bundeswehr einer kritischen Bestandsaufnahme unterziehen müsse – vor allem was den ausgeblähten Führungsstab angehe: „Es bedarf schlichtweg weniger Häuptlinge als Indianer.“

Sie verteidigt außerdem den Beschluss der Ampel, ein übergreifendes Budget für „internationales Handeln“ einzuführen. Denn die Bundeswehr könne nur wie ein „Anästhesist“ bei einer Operation fungieren. Während die Bundeswehr also im Einsatz sei, müssten Entwicklungshilfe und Diplomatie zum Wiederaufbau einer Nation beitragen. Das habe in Afghanistan gefehlt und auch in Mali müsse man sich über die konkreten Ziele klar werden.

Außerdem glaubt Strack-Zimmermann an die Notwendigkeit einer Armee aller europäischer Staaten. Sie räumt aber auch ein, dass es sich dabei um ein Langzeitprojekt handle, dessen Erreichen sie „vermutlich nicht mehr erleben werde“.

Lesen Sie das komplette Interview hier:

Frau Strack-Zimmermann, sind Sie enttäuscht, dass Sie nicht Verteidigungsministerin geworden sind?
Die Kernthemen der Freien Demokraten, mit denen wir auch im Wahlkampf angetreten sind, heißen Finanzen, Bildung, Digitalisierung und Rechtsstaatlichkeit. Dass wir diese Zukunftsthemen mit Freien Demokraten besetzen können, ist ein bemerkenswerter Erfolg. Hätte die Option eines weiteren Ministeriums bestanden, dann wäre auch das Ressort Verteidigung bei uns in sehr guten Händen gewesen. Natürlich habe ich mich darüber gefreut, in diesem Zusammenhang auch immer mal wieder erwähnt worden zu sein.

Eine neue Verteidigungsministerin wird vor großen Herausforderungen stehen. Die Bundeswehr ist ja momentan auch im Inland sehr gefragt ...
In Zeiten der Pandemie oder bei Naturkatastrophen wie im Sommer bei der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und NRW unterstützt die Bundeswehr die zivilen Einsatzkräfte. Ihre primäre Aufgabe ist aber die Landes- und Bündnisverteidigung.
Und das ist das Problem: Zurzeit wird die Zahl der Soldatinnen und Soldaten, die beim Coronakrisenmanagement wieder im Einsatz sind, derart hochgefahren, dass das für die primären Aufgaben der Bundeswehr nicht ohne Folgen bleibt, denn die Soldaten und Soldatinnen müssen ja auf ihre möglichen Verwendungen entsprechend vorbereitet werden. Das ist dann nur begrenzt möglich. Mit ein Grund übrigens, den Zivilschutz deutlich stärker in den Fokus zu nehmen und in Zukunft die Vernetzung der Bundeswehr mit den zivilen Stellen im Innern auszubauen und zu standardisieren.

Was sind weitere große Baustellen der kommenden Jahre?
Die Bundeswehr gehört unbedingt einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen. Es bedarf schlichtweg weniger Häuptlinge als Indianer. Eine der großen Baustellen ist zudem das Beschaffungswesen. Die Beschaffungsprozesse müssen verkürzt und mehr auf dem Markt befindliche Produkte einkauft werden. Die Industrie sollte dabei mit im Boot sein, auch bezüglich der Wartung des Materials.

Da stellt sich ja auch die Finanzierungsfrage. Die neue Regierung will drei Prozent des BIP für „internationales Handeln“ ausgeben – also Verteidigung, Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit. Ist das ein Abschied vom Zwei-Prozent-Ziel der Nato?
Sinkt das Bruttoinlandsprodukt wie derzeit, kommen wir dem Zwei-Prozent-Ziel näher, ohne objektiv mehr auf die Straße gebracht zu haben. Aussagekräftiger hingegen ist, auf den Tisch zu legen, welche Fähigkeiten wir der Nato zugesagt haben, wie wir das schnellstmöglich umsetzen und welche finanziellen Mittel wir brauchen. Entscheidend ist also nicht die bloße Prozentzahl, sondern was am Ende dabei rauskommt.

„Die Bundeswehr ist wie ein Anästhesist in einer Operation”

Und wieso wollen Sie das mit Entwicklung und Diplomatie verknüpfen?
Die Bundeswehr ist wie ein Anästhesist in einer Operation. Sie kann den Patienten zeitweilig ruhigstellen, aber in dieser Phase muss auch politisch operiert werden. Sonst wäre die Anästhesie umsonst gewesen. Während eines militärischen Einsatzes müssen also Diplomatie und Entwicklungshilfe wirken. Das war der große Fehler in Afghanistan: Der Wechsel von Terrorbekämpfung nach 9/11 zum Nationbuilding ist misslungen. Wir können die Bundeswehr in vielen Regionen einsetzen, das wird aber nichts nachhaltig verbessern, wenn wir nicht hinterfragen, warum Krisen entstanden sind und was getan werden muss, um das Übel an der Wurzel zu packen.

Begehen wir in Mali derzeit einen ähnlichen Fehler?
Die vermutlich neue Außenministerin, Annalena Baerbock, wird sich sehr differenziert damit auseinandersetzen müssen, was die Ziele solcher Einsätze sind, bevor sie das Mandat zur Abstimmung ins Parlament bringt. Denn das Auswärtige Amt ist bei dieser Frage federführend. Ich glaube nicht, dass wir einfach so weitermachen können wie bisher.
Wir sind in Mali im zehnten Jahr, und es gebührt der Klarheit und Ehrlichkeit, die Fragen zu beantworten: Warum sind wir dort im Einsatz, welches Ziel verfolgen wir konkret und welche Maßnahmen greifen? Und schon sind wir bei dem großen Thema Migration: Sind wir dort, um grundsätzlich Kriege zu unterbinden oder vor allem, um daraus resultierende Fluchtbewegungen in Richtung Europa zu verhindern? Das ist durchaus ein Grund, dort aktiv zu sein. Aber dann sollte man es auch so kommunizieren.

Thema Migration: Wie sollten Deutschland und Europa mit der Flüchtlingssituation an der polnisch-belarussischen Grenze umgehen?
Belarus versucht mit Billigung Russlands die EU zu destabilisieren. Das ist unzweifelhaft ein hybrider Angriff auf Europa. Besonders perfide dabei ist, Menschen gezielt auf den Weg zu schicken und sie als Waffe einzusetzen. Das ist an Perfidität nicht zu überbieten. Es ist daher primär Aufgabe der EU, Länder wie Polen, Litauen und Lettland, die eine Grenze zu Belarus haben, dabei zu unterstützen, die europäischen Außengrenzen zu sichern.
Gleichzeitig ist es aber unser Interesse, dort zu deeskalieren – militärische Einsätze sind daher fehl am Platz. Von der polnischen Regierung wünsche ich mir, dass sie es ermöglicht, die Menschen dort im Grenzgebiet durch UNHCR versorgen zu lassen. Außerdem braucht es vor Ort – außerhalb der EU – eine Stelle, um zu klären, wer möglicherweise ein Anrecht auf Asyl hat und wer wieder in seine Heimat zurückkehren muss.

Im Koalitionsvertrag ist ja auch die Rede von „gemeinsamen europäischen Kommandostrukturen“. Ist das Ziel die Schaffung einer europäischen Armee?
Eine gemeinsame Armee aller europäischen Staaten zu haben bleibt unser Ziel, wenngleich noch ein sehr langer Weg vor uns liegen dürfte – dessen Ziel ich vermutlich nicht mehr erleben werde. Voraussetzung dafür ist nämlich eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik der EU. Für uns Liberale ist dies ein großes europäisches Projekt, welches wir nicht aus den Augen verlieren werden. Die internationalen Herausforderungen werden wir nämlich am langen Ende auch und besonders in Sicherheitsfragen nur gemeinsam lösen können.

Mehr: Forscher der Bundeswehr-Uni: „Wir haben in Afghanistan eine korrupte Klasse gefüttert“

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