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Finanzausschuss-Sondersitzung Kanzleramt wehrt sich im Wirecard-Skandal gegen Vorwürfe

Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben keine Kenntnis, wo sich der flüchtige Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek aufhält. Im Finanzausschuss gab es noch weitere heikle Fragen.
31.08.2020 - 19:12 Uhr 1 Kommentar
In einer Sondersitzung will der Finanzausschuss des Bundestages der Frage nachgehen, warum der Bilanzbetrug so lange unentdeckt blieb. Quelle: dpa
Zahlungsdienstleister Wirecard

In einer Sondersitzung will der Finanzausschuss des Bundestages der Frage nachgehen, warum der Bilanzbetrug so lange unentdeckt blieb.

(Foto: dpa)

Berlin Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) musste schon Rede und Antwort stehen im Finanzausschuss des Bundestags, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ebenso. Nun waren enge Mitarbeiter von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Reihe. In einer Sondersitzung am Montag ging es zunächst vor allem um die Kontakte der Bundesregierung zu Wirecard und um mögliche Verbindungen zu Geheimdiensten.

Für das Kanzleramt nahm Staatsminister Hendrik Hoppenstedt teil. Er wurde begleitet von Lars-Hendrik Röller, Wirtschaftsberater von Merkel, und Bernhard Kotsch, Leiter der Abteilung Nachrichtendienste. Neben Nachfragen zu einer Reise der Kanzlerin nach China, bei der sie sich für Wirecard eingesetzt hatte, ging es in der Sondersitzung um die Rolle von Geheimdiensten.

Hoppenstedt habe energisch dementiert, dass es irgendeine Verbindung zwischen Wirecard und deutschen Nachrichtendiensten gebe, hieß es von Teilnehmern. Da sei kein Hintertürchen offen gelassen worden.

Zur Nutzung von Wirecard als Zahlungsabwickler oder Kreditkartenlieferant für deutsche Dienste oder Partnerfirmen will die Bundesregierung genauer Auskunft geben. Diese werde jedoch als vertraulich eingestuft und daher nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags einzusehen sein, berichten Teilnehmer. Eine Abschöpfung von Wirecard-Transaktionsdaten durch deutsche Dienste habe es nicht gegeben.     

Der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz sollen den Angaben zufolge nun untersuchen, ob der frühere Wirecard-Vorstand Jan Marsalek Kontakte zu ausländischen Geheimdiensten hat. Bisher lägen hierzu keine Erkenntnisse vor.

Keine Reaktion aus Russland

Marsalek war untergetaucht, kurz bevor Wirecard milliardenschwere Luftbuchungen in der Bilanz einräumen und dann wenige Tage später Insolvenz anmelden musste. Nach Informationen des Handelsblatts soll er sich in der Nähe von Moskau aufhalten. Mitglieder des Finanzausschusses hatten die Vermutung geäußert, dass Marsalek auf der Flucht von ausländischen Geheimdiensten geholfen wurde.

Die Bundesregierung habe keine Erkenntnisse, wo sich Marsalek aufhalte, sagten Vertreter des Kanzleramts laut Teilnehmern in der Sondersitzung. Auf den internationalen Haftbefehl, die „Red Notice“, gebe es bisher keine Reaktion aus Russland. Grundsätzlich sei die Strafverfolgung nicht Sache der Geheimdienste, man habe jedoch ein hohes Interesse, Marsalek vor Gericht zu stellen.

Vorwürfe im Zusammenhang mit Merkels China-Reise und ihrem Einsatz für Wirecard wies das Kanzleramt in der Sondersitzung erneut zurück. Schon vergangene Woche hatte Merkel ihren Einsatz verteidigt.

„Es ist Usus, nicht nur in Deutschland, dass man bei Auslandsreisen natürlich die Anliegen von Unternehmen auch anspricht“, sagte sie. Tenor: Auf Grundlage dessen, was damals bekannt war, war der Einsatz für Wirecard selbstverständlich.

Die Opposition ist mit den Erklärungen nicht zufrieden. „Ich erwarte geradezu, dass sich die Bundesregierung im Ausland für deutsche Unternehmen einsetzt“, sagte Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz.

„Aber ebenso erwarte ich, dass sie sich vorher schlaumacht und ihre Möglichkeiten nutzt.“ Eine einfache Internetrecherche hätte genügt, um zumindest zu erkennen, dass sich ein paar Fragen stellen und man auf dieser hochrangigen Ebene Risiken abwägen muss. „Das Ganze wirkt wie inkompetentes Regierungshandwerk.“

„Wirecard-Lobbyismus“

Der Finanzexperte der Linken-Bundestagsfraktion, Fabio De Masi, kritisierte die Darstellung im Ausschuss. „Das Bundeskanzleramt war zwar sehr entschieden im Auftritt, bleibt aber verschwiegen, was die konkrete Kommunikation zur Unterstützung von Wirecard angeht“, sagte der Parlamentarier. „Das Bundeskanzleramt wertet die eventuelle Ausstellung von Kreditkarten durch Wirecard für Geheimdienste nicht als Zusammenarbeit der Nachrichtendienste mit Wirecard. Das ist eine interessante Sichtweise und befriedigt mich nicht.“

Auch die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe kritisierte das Kanzleramt. „Der Wirecard-Lobbyismus im Kanzleramt ist erschreckend“, sagte sie. Der frühere Staatssekretär im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, hatte sich genauso für Wirecard eingesetzt wie der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.

In der Sondersitzung am Dienstag soll unter anderem auch Bafin-Chef Felix Hufeld erneut befragt werden. Die Finanzaufsicht sieht sich mit Kritik konfrontiert, dass sie zu spät und zögerlich agiert habe.

Ähnliches triff auf die Anti-Geldwäsche-Einheit FIU zu, deren Leiter am Montagabend befragt wurde. Der FDP-Politiker Florian Toncar sprach am Montag von einem „multiplen Behördenversagen“ auf verschiedenen Ebenen. Er fordert die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Mehr: Justiz sichert Vermögen ehemaliger Wirecard-Chefs

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1 Kommentar zu "Finanzausschuss-Sondersitzung: Kanzleramt wehrt sich im Wirecard-Skandal gegen Vorwürfe"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Ich bin immer wieder aufs schlimmste überrascht, in welchem korrupten Land ich wohne.

    Krass! Wurden also über Deutschland Geld ins Ausland transportiert um die schlimmsten Dinge zu finanzieren. BAFIN weiß nicht einmal, welche Geschäfte seine Mitarbeiter getätigt haben. Hauptsache die konnten Frontrunning betreiben. Die Aktionäre hat man voll ins Messer laufen lassen und EY hat, wie immer wieder Gerüchte aufkommen, rechtzeitig die Hedgefonds informiert, dass erklärt den Mut dieser Zocker! Ich sags mal direkt: Deutschland erfüllt alle wichtigen Merkmale einer Bananenrepublik! Was ist aus dem Land geworden? Oder war es je besser?

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