Finanzministerium Scholz arbeitet an Geheimplan für eine Unternehmensteuerreform

Der Bundesfinanzminister soll in seinem Ministerium im Geheimen eine Unternehmenssteuerreform ausarbeiten lassen.
Berlin Die Stille im Saal nach Olaf Scholz’ Sätzen ist ohrenbetäubend. „Sie sollten nicht auf große Steuersenkungen hoffen, das ist nicht drin“, sagt der Bundesfinanzminister auf dem Arbeitgebertag diese Woche. Wenn Deutschland beim Steuerwettbewerb mitmache, werde man die „Gesellschaft nicht zusammenhalten können“. Keine Hand regt sich. Stattdessen macht sich unter den Wirtschaftsvertretern Ernüchterung breit.
Ernüchterung herrscht einen Tag später auch im Bundestag unter Unions-Abgeordneten. Wieder argumentiert Scholz vehement gegen Steuersenkungen. In den USA werde es wegen der hohen Verschuldung schon bald Steuererhöhungen geben müssen. „Solch einen Jo-Jo-Effekt will ich hier nicht“, sagt Scholz. Unternehmen würden bei Entscheidungen vielmehr auf die Staatsverschuldung gucken, und die Deutschlands sei außerordentlich niedrig.
Olaf Scholz will SPD-Chef werden. Eine Diskussion über Unternehmensteuersenkungen, wie sie Wirtschaft, Union und viele Ökonomen immer lauter fordern, kann der Finanzminister gerade überhaupt nicht gebrauchen. Das wäre für seine Kontrahenten Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans eine willkommene Steilvorlage.
Doch Scholz’ Haltung ist keineswegs so klar, wie seine Aussagen es vermuten lassen. Nach Handelsblatt-Informationen prüfen seine Beamten im Finanzministerium derzeit Pläne für eine Unternehmensteuersenkung. Sogar ein niedrigerer Körperschaftsteuersatz wird durchgespielt. „Wir müssen für Unternehmen etwas tun, am besten noch in dieser Wahlperiode“, heißt es im Ministerium.
Das könne gegebenenfalls auch den Steuersatz betreffen. Nach Angaben mehrerer Personen hat es schon erste Gespräche zwischen Vertretern von Ministerium, Union und Verbänden gegeben, um auszuloten, wie ein Kompromiss aussehen könnte.
Wer offiziell im Finanzministerium nachfragt, bekommt zwar erneut zu hören, eine Senkung sei nicht geplant. Das heißt aber nicht, dass im Haus nicht an Ideen für den Rest der Wahlperiode gearbeitet wird. Im Haus teilt man das Regierungshandeln in „zwei Welten“ ein: in eine Welt vor und eine Welt nach dem SPD-Parteitag Anfang Dezember.
Im Rennen um den SPD-Vorsitz ist Scholz zuletzt nach links gerückt. Um bei Parteilinken zu punkten, treibt er eine Europäische Einlagensicherung voran, ist plötzlich für eine Vermögensteuer. Doch wenn er Chancen aufs Kanzleramt haben will, muss er im Falle einer geglückten Wahl zum SPD-Vorsitzenden wieder den Mann der Mitte geben. Zeigen, dass er neben dem Sozialen auch die Wirtschaft im Blick hat. Und was eignet sich dafür besser als eine Unternehmensteuerreform? Fein sozialdemokratisch austariert natürlich.
Auch im Finanzministerium ist jedenfalls die Überzeugung zuletzt gewachsen, auf die jüngste globale Entwicklung reagieren zu müssen. Im Zuge der US-Steuerreform haben viele Länder die Firmensteuern drastisch gesenkt. Nur Deutschland hat nicht gehandelt, im Gegenteil: Hierzulande sind die Steuern sogar noch gestiegen, weil viele Kommunen die kommunalen Gewerbesteuersätze erhöht haben.
Wenn die Reform in Frankreich voll in Kraft getreten ist, wird der Steuersatz in Deutschland weltweit mit am höchsten sein. 2020 wird der durchschnittliche Satz im OECD-Schnitt bei 23,4 Prozent liegen, hierzulande dagegen bei 31 Prozent. „Der Handlungsbedarf ist erdrückend.
Körperschaftsteuersatz könnte fallen
Es ist fatal, dass Deutschland inzwischen mit die höchste Steuerbelastung hat“, sagt FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar. Der Abstand zu wichtigen Standorten für Investitionen deutscher Firmen sei „erheblich“, warnte jüngst auch der Wissenschaftliche Beirat beim Finanzministerium.
Scholz’ Beamte sehen das inzwischen auch so. Sie würde die Steuerbelastung für Unternehmen deshalb gern von heute gut 30 in Richtung 25 Prozent senken. Dafür könnte etwa der Körperschaftsteuersatz von 15 auf 12,5 Prozent fallen. Eine andere mögliche Variante wäre eine steuerliche Anrechenbarkeit der Gewerbe- auf die Körperschaftsteuer.
Flankiert werden könnte dies mit Maßnahmen, die bereits im Rahmen des eigentlich für dieses Jahr geplanten „Unternehmenstärkungsgesetzes“ vorgesehen waren, das Scholz aber auf Eis gelegt hat. Darin war vorgesehen, dass Personengesellschaften künftig auf einbehaltene Gewinne einen niedrigeren Satz zahlen sollen, die dabei anfallende komplizierte Besteuerung soll einfacher werden.
Auch im Außensteuerrecht sind Korrekturen geplant. Bislang müssen Firmen im Ausland erzielte Gewinne nachversteuern, wenn sie dort mit weniger als 25 Prozent belastet wurden. Diese Schwelle soll auf 15 Prozent sinken.
Daneben sollen Inhaber von Personengesellschaften, die Einkommensteuer zahlen, künftig wählen können, ob sie wie eine Kapitalgesellschaft besteuert werden wollen. Diese Schritte wolle man „weiter vorantreiben“, sagte ein hochrangiger Beamten aus dem Finanzministerium in internen Gesprächen.
Sozialer Ausgleich geplant
Billig zu haben wäre solch eine Reform allerdings nicht. Allein eine Absenkung der Körperschaftsteuer auf 12,5 Prozent würde laut internen Berechnungen des Ministeriums 8,6 Milliarden Euro im Jahr kosten. Scholz müsste sich fragen, wie er den Betrag denn gestemmt bekommen will.
Die Wirtschaft hat dafür einen Vorschlag: Der Minister soll die schwarze Null aufgeben. Am Montag werden der Bundesverband der Industrie und der Deutsche Gewerkschaftsbund in einer gemeinsamen Erklärung laut Handelsblatt-Informationen eine Abkehr von der schwarzen Null fordern.
Eine Aufgabe der schwarzen Null fordern auch viele Sozialdemokraten. An Steuersenkungen für Firmen haben sie dagegen gar kein Interesse. Viele Genossen haben vor allem die Steuertricks von Konzernen und die dadurch entstehenden Steuerausfälle vor Augen.
Sie wollen deshalb Steuerschlupflöcher stopfen und nicht Konzernen weitere Milliarden hinterherwerfen. Im Finanzministerium ist man sich des abzeichnenden Widerstands bewusst. Die Pläne sehen deshalb einen sozialen Ausgleich vor.
So soll der verbliebene Solidaritätszuschlag in die Einkommensteuer integriert und damit der Spitzensteuersatz erhöht werden. Dies würde aus Sicht des Finanzministeriums zwei Probleme auf einmal lösen: Die SPD könnte Steuersenkungen leichter mittragen. Gleichzeitig wäre die Diskussion vom Tisch, ob der Rest-Soli verfassungswidrig ist.
CDU: Über Reform der Unternehmensbesteuerung verhandeln
Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes wäre allerdings der Union schwer zu verkaufen. Sie würde ihr zentrales Wahlversprechen „keine Steuererhöhungen“ brechen. Allerdings gibt es bei einigen in der Union durchaus Sympathien für einen solchen Kompromiss, bei der Wirtschaft wurde bereits vorgefühlt, was man dort von einem solchen Paket halten würde. Von den Gedankenspielen im Finanzministerium scheint man beim Koalitionspartner jedenfalls etwas mitbekommen zu haben, so deutlich wie führende Unionspolitiker diese Woche über eine Reform sprachen.
Es gebe ja „die ein oder andere Idee, die jetzt auch im Finanzministerium überlegt wird“, berichtete CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Arbeitgebertag. Da gehe es um die Gleichstellung von Personen- und Kapitalgesellschaften und weitere „eher kleinere Anpassungen“.
Zugleich betonte sie, dass die Koalition noch „einen größeren Schritt nach vorne gehen“ solle, und verwies auf ein Konzept der Unionsfraktion, laut dem die Steuerbelastung für Firmen auf 25 Prozent sinken soll. „Das muss in dieser Legislaturperiode diskutiert und auch so schnell wie möglich umgesetzt werden“, forderte die CDU-Chefin.
Natürlich sei da „schon noch ein dickes Brett zu bohren“, antwortete Kramp-Karrenbauer auf die Frage, ob das schon mit der SPD vereinbart sei. Doch die Botschaft war klar: Wenn die Koalition Bestand hat, will sie eine Reform angehen. „Das gehört in die zweite Hälfte dieser Legislaturperiode, auch wenn es nicht in dieser Form im Koalitionsvertrag steht.“
Noch deutlicher wurde Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Wenn nach dem SPD-Parteitag klar sei, dass man die Große Koalition fortsetze, werde man schnell über eine Reform der Unternehmensbesteuerung verhandeln, kündigte er auf dem Arbeitgebertag an.
Dazu legte er aus bereits bekannten Vorschlägen vier Kernelemente vor. Laut „Wir müssen die Steuerbelastung auf einbehaltene Unternehmensgewinne auf 25 Prozent senken“, sagte Altmaier der Deutschen Presse-Agentur. „Damit muss auch eine Netto-Entlastung der Wirtschaft einhergehen. Das erreichen wir vor allem durch Verbesserung bei Berücksichtigung reinvestierter Gewinne für Personengesellschaften.“
Zu den vier Kernelementen für eine Unternehmenssteuerreform zählt laut dem Papier das Ziel, Verbesserungen und Entlastungen bei der sogenannten Thesaurierungsbegünstigung für Personenunternehmen zu erreichen sowie ergänzend ein Optionsmodell zur Körperschaftsbesteuerung einzuführen.
Er erwarte in der ersten Jahreshälfte 2020 „ein klares Aufbruchssignal an die deutsche Wirtschaft“. Man dürfe nicht warten, bis aus einer wirtschaftlichen Verschnaufpause eine Krise werde, sondern müsse „Impulse setzen“. Aus Sicht von Altmaier ist klar, wer sich dann bewegen wird: „Mein Notfallprogramm heißt Olaf Scholz.“
Mehr: Im Kampf um den SPD-Vorsitz gibt Olaf Scholz den linken Sozialdemokraten. Doch nach einer geglückten Wahl dürfte er sich schnell wieder in die Mitte orientieren.
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Sinnvoller wäre eine Reform der Erbschaftsteuer für Ehepartner und Kinder. Diese in Art und Höhe nahezu einzigartige Steuer ruiniert den Deutschen Wohlstandsmotor, den Mittelstand! Selbst die Freibeträge bringen keine nennenswerte Entlastung im Vergleich zu anderen Staaten, in denen überwiegend gar keine Erbschaftsteuer für Ehepartner und Kinder anfallen! Nicht umsonst verlassen viele wohlhabende Menschen und Unternehmer Deutschland, und die nehmen gleich wertvolle Arbeitsplätze mit. Zurück wird keiner mehr gehen, der Deutschland einmal aus steuerlichen Gründen verlassen hat. Warum auch? Zurück kommen nur die Menschen, die es sich in der Deutschen Sozialhängematte gemütlich machen. Letztendlich beschleunigt die Erbschaftsteuer für Ehepartner und Kinder den Millionärs-Exodus.